Zitat von
Flaschengeist
Anbei die Passagen in denen sich PSL auf die US-Machenschaften bei der Orangen Revolution bezieht.
Kiew, Ende April 2006
Da stehe ich also auf dem »Meidan«, dem Hauptplatz von Kiew. Der Name leitet sich aus dem Arabischen ab. Diese großzügige Esplanade ist von repräsentativen Stalin-Bauten umgeben. Das herrliche Frühlingswetter hat zahlreiche Bummler auf den Meidan gelockt. Liebespaare umarmen sich auf den Bänken. Diese euphorische Stimmung täuscht eine Zufriedenheit und Sorglosigkeit vor, die dem realen Zustand des Landes in keiner Weise entsprechen. Laut internationaler Statistik befindet sich die Ukraine – nach Albanien und Moldova – auf Platz drei der korruptesten europäischen Staaten.
Ein Drittel der 47 Millionen Ukrainer lebt unter der Armuts-grenze. Die Inflationsrate ist in den letzten Monaten bedrohlich angestiegen. Im »Freiheitsjahr« 2005, das vom Westen so überschwenglich gefeiert wurde, schrumpfte das Wirtschaftswachstum auf 2,6 Prozent, während es im Vorjahr noch 12,5 Prozent betrug. Die Tendenz für 2006 zeigt weiter nach unten, auf spärliche 0,9 Prozent. Die Lohnskala bewegt sich zwischen achtzig und 160 Euro im Monat. Statistiken über Preisanstieg und Arbeitslosigkeit sind oft unzuverlässig, aber eines ist sicher: Überall findet eine drastische Verschlechterung statt. Die Ernüchterung nach der Orange-Revolution von Kiew ist längst bei der Masse der Bevölkerung in Depression umgeschlagen. Nicht einmal zu Ausbrüchen von Wut und Volkszorn reicht es mehr.
Die Kameras der westlichen TV-Stationen vermieden es seltsamerweise, die immense Ansammlung von 1500 geheizten Zelten zu filmen, in denen warme Nahrung kostenlos ausgeteilt wurde. Die Reporter hüteten sich damals, die dubiosen Schattenaktivitäten, den gewaltigen Finanzaufwand zu erwähnen, der bis zur aktiven Bestechung reichte, aber dem organisierten Taumel das Rückgrat stärkte. Der Zeitungsleser – vom Fernsehkonsumenten ganz zu schweigen, der von solchen Hintergrundinformationen ausgeschlossen blieb – brauchte etliche Monate, um durch die Berichte renommierter Printmedien auf ausführliche und vorbildliche Weise über die Machenschaften amerikanischer Spender-Organisationen – Institute, Foundations und Regierungsstellen – informiert zu werden, die ihre subversive Einmischung gar nicht zu kaschieren suchten. Bei dieser Gelegenheit erfuhr man auch von dem, was der »Spiegel« die »Revolutions-GmbH« nannte – ein Verfügungstrupp internationaler Umstürzler, der den amerikanischen Geheimdiensten zur Beseitigung mißliebiger Regime zur Verfügung steht.
Es ist aufschlußreich für die Zaghaftigkeit, die »political correctness« einer großen deutschen Zeitung, daß sie die lückenlose Auflistung der Verschwörerzellen, der noch zahllose »nongovernment organizations« jeder Couleur hinzuzufügen wären und die einen betrüblichen Eindruck von den Methoden amerikanischer Brachial-Diplomatie vermittelt, mit der Einleitung versah: »Bis heute wollen die Stimmen nicht verstummen, die in der Orange-Revolution, mit der im November 2004 das Kutschma-Regime gestürzt wurde, eine Machenschaft des Westens, vor allem der Vereinigten Staaten von Amerika sehen. Doch bisher hielt keines der für diese These vorgebrachten Argumente einer Überprüfung an den Orten des Geschehens stand.«
In Wirklichkeit verfügt man bei der Lektüre des Artikels von Konrad Schuller über jene präzisen Fakten, die die amerikanische Steuerung und Finanzierung der Orange-Revolution lückenlos belegen, die das Bild einer krassen fremden Intervention unter Mißachtung aller überlieferten Souveränitätsrechte malen. Der Autor beendet seinen hervorragenden Beitrag mit einem Satz, über dessen Hintergründigkeit man lange nachdenken sollte:
»Die stolzesten Trophäen dieser Methode waren bisher die Tyrannenstürze von Serbien und Georgien. Erst im Winter 2004, während das amerikanische Militär, der Hauptkonkurrent in der Branche ›Demokratie-Export‹, im Irak immer noch die täglichen Opfer zählte, ist das Meisterstück hinzugekommen: Die Orange-Revolution der Ukraine.« Der Artikel ist vom 21. September 2005 datiert, und man kann seinem Verfasser schwerlich an-lasten, daß er das Wort »Demokratie-Export« damals im Zusammenhang mit dem Irak erwähnt oder daß er die orangefarbene Volkserhebung, die inzwischen zerbrochen und gescheitert ist, als »Meisterstück« darstellt.
Es macht also Sinn, daß ich dieses Buch mit einem ausführlichen Kapitel über das autoritäre Regime Alexander Lukaschenkos in Belarus begonnen habe. Gegen ihn waren ja die gleichen massiven Batterien in Stellung gebracht worden, und die semi-professionellen »Stoßtrupps der Freiheit«, die sich in Kiew unter dem Namen »Prora« als Einpeitscher bewährten, waren auch in Minsk unter dem Codewort »Subr« einsatzbereit. Nur war Lukaschenko vorgewarnt. Er hatte das Vorgehen seiner Gegner am ukrainischen Präzedenzfall sorgfältig studiert und sie geschmeidig ausgetrickst.
Der orangefarbene Traum gehört bereits der Vergangenheit an. Seine Märchenfiguren – Juschtschenko und Timoschenko – stehen sich in Todfeindschaft gegenüber und werfen sich die Namen jener »Oligarchen« an den Kopf, die als ihre jeweiligen Protektoren agieren.
Dennoch lohnt es sich, eine kurze Skizze der undurchdringlichen Kanäle zu entwerfen, die den »heißen Winter« von Kiew ermöglichten. Sie weisen fast ausschließlich über den Atlantik. Bei meinen Kontakten in der ukrainischen Hauptstadt und später im Donbas habe ich keine Mühe gescheut, eine Bestätigung für meine Vorbehalte zu finden, sei es im »Internationalen Institut für humanitäre und politische Studien«, im »Consortium Industrial Group«, bei »Salon Media Press«, beim Zentrum für politische Studien »Penta«, vor allem aber auch in der Umgebung des mächtigsten und interessantesten Oligarchen Rinat Achmetow in Donezk.
Wie viele Hundertmillionen US-Dollar in das Unternehmen Ukraine geflossen sind, wird wohl nie publiziert werden. Allein vom State Department wurden 65 Millionen an diverse Behör-den und Auftragsfirmen verteilt. An der Spitze steht die Hilfsorganisation US-AID, die für ihre humanitären Aktionen bekannt ist, von Insidern jedoch längst als wirksames Instrument der CIA entlarvt wurde. Dazu gesellt sich die Stiftung »Freedom House«, die weltweit operiert und, wie der Planungsstab von »Eurasia«, engen Kontakt zu den Nachrichtendiensten pflegt. Die großen Parteien der USA hatten ebenfalls das orangefarbene Banner gehißt. Für die Demokraten trat das »National Democra-tic Institute« als Sponsor auf, das unter dem Vorsitz von Madeleine Albright, der ehemaligen Außenministerin Bill Clintons, tätig ist. Diese energische Diplomatin genießt seit dem Kosovo-krieg – »Madeleine Albrights’ War« – keine ungeteilte Bewunderung mehr. Die Republikanische Partei schickte das »International Republican Institute« ins Rennen.
Als besonders engagierter Verfechter einer handfesten Ost- und illusorischen Demokratisierungspolitik tat sich der ansonsten gemäßigte und tolerante Senator McCain hervor. »National Endowment for Democracy« heißt eine einschlägige Emanation des US-Außenministeriums, dem wichtige Koordinationsaufgaben zufielen, während die »Foundation« des Milliardärs George Soros allen Intrigen und finanziell abgepolsterten Pressionen die Krone aufsetzte. Dieser aus Ungarn gebürtige Finanzmagnat hat sich, wie es scheint, mit spielerischer Freude auf eine weltumspannende Pokerpartie eingelassen, die extrem gewagt, aber am Ende stets gewinnbringend ausgetragen wird. Unter den Strippenziehern dieses Konglomerats von offiziellen Stiftungen und Instituten finden sich neben Albright andere illustre Namen wie Lawrence Eagleburger, Außenminister unter Präsident Bush senior, Wesley Clark, ehemaliger NATO-Oberfehlshaber, James R. Woolsey, ehemaliger Geheimdienst-Beauftragter und sogar der unablässig zitierte Politologe Samuel Huntington. In Kiew wurden mir unter dem Siegel der Verschwiegenheit auch andere Namen genannt.
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