Der Politologe und Islamwissenschaftler Dr. Mohammed Khallouk ist besorgt über das Lernmaterial, das in deutschen Schulen über den Islam im Umlauf ist. Werden darin doch nur Lügen über den Islam verbreitet und somit die Islamophobie angeheizt. Er fordert deshalb, die Verantwortlichen in den Bildungsministerien von Bund und Ländern, die Lehrpläne zu überprüfen und “ungeeignetes” Lehrmaterial aus den Schulen zu verbannen. Islam heißt schließlich Frieden™ und wer was anderes sagt, ist Autobahn!

Spätestens mit dem Auffliegen der rechtsextremen Terrorgruppe NSU und der Erkenntnis, dass Muslime unter ihren Terroropfern dominieren, lässt es sich nicht mehr leugnen: Islamfeindschaft ist nicht nur in anderen westlichen Staaten wie den USA oder Norwegen existent, sondern erweist sich auch in der Bundesrepublik Deutschland als verbreitetes, in der Öffentlichkeit lange Zeit ausgeblendetes Phänomen. Dabei hat die deutsche Öffentlichkeit nicht nur in der fehlenden Thematisierung dieser alarmierenden Tendenz, sondern auch mit der eigenen Verbreitung von auf den Islam oder Muslime bezogenen Ressentiments einen entscheidenden Anteil an jener bedauernswerten Entwicklung, die es nur mittels Aufklärung und differenzierterer Darstellung umzukehren gelingen wird.

Die Verantwortung richtet sich hierbei nicht nur an politische Redner und die Berichterstattung von Massenmedien, sondern in noch stärkerem Maße an das Bildungswesen und somit auch an die Produzenten von Medien mit unmittelbarem pädagogischem Zweck wie Schulbücher. Vielfach wird auch dort ein von Klischees und Stereotypen gekennzeichnetes Islambild verbreitet, das anschließend durch ebenfalls kaum reflexionsbereite Pädagogen unkommentiert weitervermittelt wird.

Berechtigt die mittlerweile bis zum Staatoberhaupt gelangte Erkenntnis, der Islam stellt einen wesentlichen Teil dieses Deutschlands dar, die Grundlagen des Islam und auch seine Praktizierung im Alltag zum Unterrichtsgegenstand allgemeinbildender Schulen zu erheben, erscheint es wenig integrationsförderlich und dem gegenseitigen Respekt unterschiedlicher Religionen kaum dienlich, den Islam dort zu thematisieren, wo über eine „nichtdeutsche“ versus „nichtwestliche“ Gesellschaft berichtet wird. Auf diese Weise wird die Assoziation von Muslimsein mit fremder Kultur oder zumindest mit Immigrationshintergrund im Bewusstsein der Kinder und Jugendlichen festgesetzt. Kinder, die in einer muslimischen Familie in Deutschland aufwachsen, mutmaßlich sogar Deutsch als ihre Muttersprache besitzen, bekommen damit indirekt vermittelt, ihr Deutschtum sei und bleibe aufgrund des Islam unvollständig.

Muslimische Immigranten als Alibi für kritikwürdige Gesellschaftsphänomene

Noch erniedrigender müssen es muslimische Schüler empfinden, wenn ihre Religion mit kritikwürdigen Phänomenen wie Ehrenmorden oder Zwangsheiraten in Zusammenhang gebracht wird, die in einigen majoritär muslimischen Gesellschaften in der Tat überdurchschnittlich verbreitet sind und teilweise dort auch islamisch legitimiert werden, jedoch weder dem Islam als Religion entstammen, noch das eigene Lebensumfeld der Muslime in Deutschland widerspiegeln. Die nichtmuslimische Mehrheitsgesellschaft bekommt dadurch nicht nur suggeriert, der Islam sei eine im Kern archaische, frauenfeindliche und repressive Religion, sondern darüber hinaus bestehe durch die Existenz der Muslime in Deutschland ein gesellschaftliches Bedrohungspotential.

Wenn der Englischunterricht einer zwölften Gymnasialklasse der Friedrich-Harkort-Schule im nordrhein-westfälischen Herdecke die Immigrantenproblematik in Großbritannien anhand eines Filmes unter dem Titel „East is East“ thematisiert, vermittelt man der künftigen Elite unseres Landes allein durch die Überschrift – ohne Kenntnis des Inhalts – die Botschaft, Einwanderer aus einem „östlichen“ versus „islamischen“ Kulturkreis seien prinzipiell nicht in der Lage, sich mit dem europäischen Wertefundament zu arrangieren. Diese ausgrenzenden verallgemeinernden Parolen, die in der Boulevardpresse zum Standartrepertoire gehören, aber auch dort berechtigterweise auf Kritik treffen, sollten in einem diskussionswürdigen Lehrmaterial für die gymnasiale Oberstufe erst recht keinen Raum finden.

Wie lässt sich erwarten, dass künftige gesellschaftliche Verantwortungsträger in diesem Land dem Islam als Religion und Muslimen als Individuen mit der gleichen Unvoreingenommenheit begegnen wie Nichtmuslimen, wenn ihnen von der Grundschule bis zum Abitur das Bild gezeichnet wurde, der Muslime setze seine Religion nicht nur als Medium ein, sich von der „westlichen Kultur“ abzugrenzen, sondern sogar, wie der pakistanischstämmige Familienvater in dem zu jenem Film behandelten Englischtext, um seine der britischen Mehrheitsgesellschaft entstammende Ehefrau ebenso wie seine Kinder zu drangsalieren und misshandeln? Entzieht sich die nichtmuslimische Mehrheitsgesellschaft hiermit nicht vielmehr einer pädagogisch gebotenen Auseinandersetzung mit einem bei ihr ebenfalls existenten Missstand?

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