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Thema: Kurzgeschichten

  1. #1
    Mitglied Benutzerbild von Knudud_Knudsen
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    Standard Kurzgeschichten

    #1 Kuddel und der Nikolaus in Kurzgeschichten, Erzählungen, Novellen und Dramen. 06.12.2005 16:24
    von Knud_Knudsen • Mitglied | 994 Beiträge

    Kuddel und der Nikolaus

    Heute habe ich meinen alten Freund Kuddel getroffen, bei „Ruby Jane“. „Moin Kuddel, ich hab dich ja schon ewig nicht mehr gesehen, wo hast du denn gesteckt?“ „Jau, mein Knud, immer unterwegs zwischen Hamburg und Singapur“, dabei setzt er sein breites, unverschämtes Grinsen auf.
    „Du weißt doch Stückgut und Trampfahrt, „He Jane, bring mal nen Lütten für Knud und für mich!“ Schweigend sitzen wir, einvernehmlich, uns gegenüber, im Hintergrund dudelt die Musikbox.
    „Weißt du was heute für ein Tag ist?“ frage ich ihn. „Jau, Feiertag der Seeleute, heut ist der Tag unseres Schutzpatrons des St. Nikolaus“, poltert es aus ihm heraus, und ohne Punkt und Komma fügt er hinzu,“ich jedenfalls bin sicher, dass es ihn gibt!“ Gerne hätte ich mein Gesicht gesehen, ratlos, erstaunt noch untermalt von leichtem Kopfschütteln. „Knud du musst gar nicht so blöd gucken, ich hab ihn gesehen!“ Still grinste ich vor mich hin. „Na, mach mal halblang alter Fahrensmann, wie viele Eiergrog hast du heute schon?“ entgegnete ich.
    Jane kam, langbeinig, schulterlanger roter Schopf, atemberaubend mit tief ausgeschnittenem Dekolte, nein sie schwebte lächeld heran. „Da kann unsereins schon auf Gedanken kommen!“, sinnierte ich. „So ihr beiden Hübschen, flötete sie“, und stellte den Köm auf den Tisch. Wieder Schweigen, dann hob Kuddel an:

    „Also Knud, so wie du dreinschaust meinst du ich bin dun? Mitnichten mein Lieber. Jetzt erzähl ich dir mal was, aber das bleibt unter uns!
    1989 war ich mit der „MARY ROSE“ auf dem Weg nach Suez. Das Wetter war kabbelig, hohe Dünung und Nebel. Die Amis hatten wieder mal Manöver und die 6. US-Flotte brachte, mit ihren gewaltigen Radarsignalen, unsere Elektronik immer wieder zum Absturz. Mal hattest du auf dem Radarbild eine Anzeige, dann grünen Schnee. Es war kurz nach Mitternacht, nur der Rudergänger und ich auf der Brücke. Wir liefen gut 20 Knoten Südost und querab lag die Marmaraküste.
    Du kennst das ja, Flottenverbände, also Kriegsschiffe, haben immer Wegerecht und darauf bestehen die auch.
    Also die Sicht gleich null, gestörtes Radarbild und irgendwo der riesige Flugzeugträger mit seiner Begleitung. Wir waren angespannt, dass kannst du dir denken. Plötzlich ein Aufflackern des Radarbildes und schwarz. Nichts ging mehr. Hektik brach aus, ich schmiss den leitenden Ing. aus der Koje und versuchte mit dem Nachtglas den Nebel zu durchdringen. Keine Chance! Erbsensuppe pur.
    Unvermittelt sah ich im Glas ein hell erleuchtetes kleines Fahrzeug, so einen altmodischen Segler. 10 Grad steuerbord voraus. Verdammt, was macht der denn da?,schoss es mir durch den Kopf. Den überlaufen wir gleich. Knud du glaubst es nicht, der war schneller als wir und auf dem Achterdeck stand ein alter Mann mit einem roten Mantel und einer spitzen Mütze auf dem Kopf. Der winkte zu uns rüber.
    Ich schüttelte mich, setzte das Glas ab und setzte es dann erneut an die Augen. Der Alte und sein Schiff waren immer noch 10 Grad steuerbord voraus und der Alte deutete, mit einem Stock oder Stab an, dass wir folgen sollen.
    Das Radarbild war tot, der Ing. beugte sich verzweifelt darüber.
    10 Grad steuerbord hörte ich mich dem Rudergänger zurufen und der bestätigte. Ich erschrak. Knud und jetzt der Hammer. Da taucht backbord ,aus dem Nebel, dieser riesige Bug auf und passiert uns keine 150 Meter. Ich hatte weiche Knie. Das kleine Schiff, mit dem Alten, war verschwunden.
    Ja, das war Nikolaus unser Schutzpatron,glaub mir!“
    Kuddel war, ganz gegen seine Art, sehr heftig geworden. So kannte ich ihn nicht. „Bist du sicher?“, fragte ich vorsichtig. „Hundert Pro!“ posaunte er zurück. „Prost Knud, auf Nikolaus“, mit diesen Worten stürzte er den Schnaps runter.
    „Prost Kuddel“, sagte ich nachdenklich.
    Advocatus Diaboli

  2. #2
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    #1 Die Beichte in Kurzgeschichten, Erzählungen, Novellen und Dramen. 01.09.2005 23:40
    von Knud_Knudsen • Mitglied | 994 Beiträge


    Die Beichte

    Der Schweiss hüllte ihn ein wie ein Cocon.
    Hinkend stolperte er die dunklen, nur hier und da von schwachen Laternen beleuchteten
    Gassen entlang. Sein Auge war geschwollen, Blut rann ihm in den Kragen. Er blieb im Schatten einer Hofeinfahrt stehen, lauschte in die Dunkelheit, wie ein gehetztes Wild.
    Da sah er ihn wieder. Langer Mantel, Schlapphut. Ihn, der schon stundenlang auf seiner Fährte war. Nachdem er im „Cafe de Jardin“ zusammengeschlagen wurde war er da. Todesangst überkam ihn wieder.. Wohin sollte er noch fliehen, er der einen Menschen getötet hatte.
    Es begann zu regnen. Erst langsam, dann heftig. Das Licht der Laternen flackerte noch unheimlicher, Tropfen klatschten dumpf auf das blaue Pflaster, auf dem sich das trübe Licht spiegelte. Er humpelte weiter. Am „Place de la Concorde“ stand er plötzlich vor der grossen Kirche. „Die Rettung“ Kirchen hatten mehrere Ausgänge, hier konnte er ihn abhängen!. So gut es ging schleppte er sich die breite Eingangstreppe empor, drückte gegen die schwere Eichentür und schlüpfte hinein.
    Es war dunkel, bis auf die flackernden Opferkerzen und das rote Licht des Lebens. Ruhe. In den Kirchenbänken sassen, hier und da, Gestalten stumm in Andacht vertieft.
    Er drückte sich hinter eine der mächtigen Säulen und wartete.
    Da war er wieder. Witternd wie ein Bluthund schaute er sich zwischen den Gläubigen um.
    Sein Herz vibrierte. Er hörte den Pulsschlag in den Ohren. Was sollte er tun?
    Sein Blick fiel auf den Beichtstuhl. Schnell schlüpfte er hinein.“Geschafft“.
    Dann wieder diese Schritte. Durch den Vorhang sah er Schuhe die stehen blieben. Er stand direkt vor ihm. Ihm schauderte. Langsam, fast gleitend verschwanden die Schuhe. Freunde durchströhmte in, „warten und dann abhauen“.
    Unvermittelt betrat jemand die andere Seite des Beichtstuhls. Ihm fröstelte. „Nun mein Sohn, willst du beichten?“ Er beichten? Wann hatte er die letzte Beichte abgelegt? Er hatte kaum Erinnerung. „Ja“ stotterte er. Der Priester begann die Zeremonie.
    Er stammelte, „Vater ich habe schwer gesündigt, ich habe getötete“. Es folgte die lange Prozedur und am Schluss wartete er auf seine Strafe und die Vergebung. Er war wieder gelöster, ja fast befreit. Doch es geschah nichts. Kein Wort des Priesters.
    Er versuchte durch die Ritzen sein Gegenüber zu sehen. Er sah nichts, nur die Schuhe.
    Das letzte was er hörte war ein trockenes „Plopp“.
    Advocatus Diaboli

  3. #3
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    Standard AW: Kurzgeschichten

    Der Kunstmarkt oder des Kaisers neue Kleider..


    Ich gestehe,vor allen Dingen um den zu erwartenden
    Einwänden erleuchteter Kenner dieser Szene zuvor
    zu kommen, in Sachen zeitgenössische Kunst bin
    ich ein Ignorant,ein Parvenue,ein Underdog.

    Immer wenn ich auf Vernissagen,stets mit einem
    frischen Glas Sprudelsekt in der Hand und schon
    von dessen Wirkung halb benommen, so wissend
    dreinschaue überkommt mich dieses Gefühl.
    „Ich sollte mich befreien“ hat mir eine gute Bekannte
    geraten,“lasse Dich darauf ein!“

    Worauf ich mich einlassen sollte verschwieg sie
    jedoch hinterlistig.
    Einen erneuten Versuch will ich wagen, um der
    Welt der weißen Leinwände, der Kleckse und
    auslaufenden Farben, sowie der Bühnenshows
    mit Blut und Gemetzel, näher zu rücken.
    Ich besuche eine Kunstauktion, nein auch ich will
    erleuchtet werden.

    Zur Versteigerung kommt ein weißes Stück
    Leinwand und, oh Wunder, mit einem roten,
    zentrierten Punkt. Ein leichter Schauer überzieht
    mich, obwohl die Raumtemperatur durchaus
    angemessen ist.

    „Haben sie das Teil vielleicht falsch herum aufgestellt“,
    durchzuckt es mich.Blödsinn, bei einem Quadrat mit
    einem Punkt in der Mitte hat man ja auch fast keine Wahl.

    Das Anfangsgebot: „150.000 Euro“, mir wird schlecht,
    doch es geht weiter „160.000,170.000.....,“
    bei 230.000 kehrt etwas Ruhe ein. „Wer bietet mehr“
    ruft der Mann im grauen Anzug?
    Wer hat denn hier was geboten frage ich mich ,
    da hat sich nur der Eine oder die Andere einmal
    an die Nase gefasst oder den Stift in der Hand
    gehoben. Ich werde nervös, nur keine Fehler machen
    und zur Vorsicht setze ich mich auf meine Hände und
    nicke, leicht errötet,im Kreis. Sofort tönt es „240.000..“,
    mir wird schwindelig, sollte,könnte der eventuell mich...?
    Aussichtslos ich will gerade protestieren als es weitergeht,
    erleichtert lehne ich mich zurück. Bei 250.000 Euro
    schlägt der Hammer zu und ein blonder Hans im Glück,
    der neben mir sitzt, strahlt über das ganze Gesicht,
    froh, dass er seien Goldklumpen abgeben darf.

    Was war das? Ich denke an den Kaiser und seine
    neuen Kleider und sehe doch nur einen nackerten
    Mann, der sich in der Gewissheit sonnt, etwas
    besonders Schönes zu tragen.

    Knud

    _________________
    von fernen Welten komme ich
    in meinem kleinen Dichterschiff
    Advocatus Diaboli

  4. #4
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    Standard AW: Kurzgeschichten

    Flug auf dem silbernen Teppich

    Die schweren Motoren dröhnen im Gleichklang ihre ps-starke
    Symphonie und das Cockpit leuchtet grünblau , zum Schein
    unzähliger Armaturen. Es ist Nacht geworden.
    Mac der Kapitän betätigt ein paar Schalter, dreht an Skalen
    und greift dann zum Mikro. „Hier Delta Echo 2180,
    überfliege das Funkfeuer 1238, Casablanca, erwarte Korridoreinweisung.“
    Aufmerksam lauscht er in das sphärische Rauschen seines
    Kopfhörers. Ein fernes Knacken und dann die krächzende
    Stimme: “Verstanden Echo Delta, hier Casablanca, gehen
    sie auf 380510 und guten Flug“. Mac stellt den Autopiloten
    neu ein, kontrolliert nochmals die Instrumente, hängt das
    Mikro zurück und schnallt sich ab. „Ein stupider Job“, denkt
    er, « immer Rom – Caracas und das mit Fracht, keine Stewardess,
    keine Passagiere, nur Joe sein Co, der schon schläft.“ Er
    steht auf und geht in die kleine Küche, um sich einen Kaffee
    zu machen. Als er in das Cockpit zurückkehrt sieht er
    33.000 Fuss unter sich das Meer. Es glänzt wie ein silberner Teppich.

    Behutsam zwängt er sich, den Pappbecher in der Hand, auf
    seinen engen Sitz. „Ja, die alte DC10 hat schon viele Jahre
    auf dem Buckel, oder besser auf den Flügeln“, bei diesem
    Gedanken muss er unwillkürlich grinsen. Der heiße Kaffee
    belebt ihn. Er hängt seinen Gedanken nach, „Hundewache, da
    gehen Sinne schon sonderbare Wege“.
    Langsam ist er in ein Stadium aus Traum und Wachen gefallen,
    als ein greller, auf und abschwellender Ton ihn in die
    Wirklichkeit zurückholt. Rote Lampen haben jetzt die
    Kontrolle auf dem Armaturenbrett übernommen. Auch Joe
    ist wach geworden. „Feuer in Motor eins“. Kurze Kommandos
    werden gegeben und Schalter betätigt. Ein roter Lichtschein fällt
    von den Flächen durch das Cockpitfenster. “Verdammt“, fährt es
    dem Kapitän heraus. “Treibstoffleitung eins auf Null, Lösch-
    einrichtung Motor eins aktiviert“, kommt es routinemäßig
    von Joe. Mac greift zum Funkgerät: „hier Delta Echo 2180,
    haben Feuer im Triebwerk eins, erbitten Anfluggenehmigung
    Teneriffa Süd und neuen Flugkorridor, Notfall“.

    Schnarrend kommt die Antwort: „Hier Teneriffa Süd, Aeroporto,
    habe sie verstanden Delta Echo, gehen sie auf 110503,
    wir halten den Platz frei, over.“ Die große Maschine vibriert
    und ist sehr schwerfällig geworden. Mac stellt den Autopiloten
    ab und geht manuell in den Sinkflug. Der endlose, silberne Teppich
    kommt rasch näher. Auf dem Bordradar können die Piloten
    schon die Inselkette im Atlantik sehen.
    Langsam, wie in Zeitlupe, vergehen die Minuten. Das Schweigen
    der Männer wird nur von knappen Anweisungen unterbrochen.
    Wie Scherenschnitte taucht die Inselgruppe im Mondschein auf.
    Mac drückt die Maschine auf 6.000 Fuss, Lichter sind zu erkennen.

    Unvermittelt werden die Armaturen wieder in Rot getaucht,
    ohrenbetäubend schnarren die Signalhörner.
    „Motor zwei brennt“, Mac ringt nach Fassung.
    Nachdem er auch den zweiten Motor abgestellt hat ist es totenstill.
    Nur der Wind pfeift über die Flächen des sinkenden Flugzeuges.
    Mac greift zum Mikro: „Delta Echo 3280, Notfall, Notfall“, dann
    erfolgt die Angabe der Position.
    Das Pfeifen und Rauschen des Windes über den Flächen schwillt
    weiter an, der Neigungswinkel wird steiler.
    Stumm und ergriffen sehen die Piloten den Silberteppich auf sich
    zukommen.
    Der Vollmond taucht ihre Gesichter in blasses Weiß.
    Advocatus Diaboli

  5. #5
    Mitglied Benutzerbild von Murr
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    Standard AW: Kurzgeschichten

    Hallo
    ...Advocatus Diaboli...
    Der Tacho blinkt verdächtig,
    es knallt und stinkt.
    Wo ist der Motor hin?
    Fragt sich Knut.
    Keiner antwortet in die eisige Stille.
    Im Radio pfeift Ils.. Wer.er; wir machen Musik.
    Die Schubumkehr versagt auch nach dem der Rettungscode falsch eingegeben wurde.
    Knut will zum Mikroskop greifen und seine Position notieren...
    " Die Brille! ein Königreich für meine Brille"
    seine Stimme erstirbt im breiigen Röcheln seiner Stimmbänder.
    Davon erholt er sich nimmer.
    Sein Copilot klebt schon an der Frontscheibe.
    Er kann den wunderbaren Mond und sein Spiel mit dem
    mattglänzenden Schneemeer nicht sehen.
    Nie mehr...
    Lieber Advokatus...bitte nicht bössein...deine sachen haben mich halt
    inspiriert...
    Euer Murr

  6. #6
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    Zitat Zitat von Murr Beitrag anzeigen
    Hallo
    ...Advocatus Diaboli...
    Der Tacho blinkt verdächtig,
    es knallt und stinkt.
    Wo ist der Motor hin?
    Fragt sich Knut.
    Keiner antwortet in die eisige Stille.
    Im Radio pfeift Ils.. Wer.er; wir machen Musik.
    Die Schubumkehr versagt auch nach dem der Rettungscode falsch eingegeben wurde.
    Knut will zum Mikroskop greifen und seine Position notieren...
    " Die Brille! ein Königreich für meine Brille"
    seine Stimme erstirbt im breiigen Röcheln seiner Stimmbänder.
    Davon erholt er sich nimmer.
    Sein Copilot klebt schon an der Frontscheibe.
    Er kann den wunderbaren Mond und sein Spiel mit dem
    mattglänzenden Schneemeer nicht sehen.
    Nie mehr...
    Lieber Advokatus...bitte nicht bössein...deine sachen haben mich halt
    inspiriert...
    Euer Murr
    recht so..
    Advocatus Diaboli

  7. #7
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    Standard AW: Kurzgeschichten

    Hornvogels Erben

    Schwer klatscht der schwere Regen mir ins Gesicht.
    Mit wildem Stakkato trommeln die Tropfen eine
    unheimliche Melodie auf meinen ausladenen, lindgrünen,
    Poncho. Gottseidank habe ich eine gute Ausrüstung
    dabei.
    Von riesigen Farnen perlen kleine Rinnsale,
    die sich sturzbachartig vereinen und ihre klare, warme
    Fracht über mir ausschütten.
    Dunkelgrün und unheimlich liegt der, noch immer
    felsig bemooste, stark ansteigende Dschungelpfad
    vor mir.
    Die Stimmen des Waldes sind verstummt, so als wenn
    jede Kreatur sich in ihr wasserfestes Versteck zurückgezogen
    hätte, um das Tropengewitter zu überstehen.
    Aufmerksam steige ich, vorsichtig jeden Tritt sichernd,
    über Luftwurzeln gleitend, meinem Ziel entgegen.
    „Wenn ich dieses Tempo halten kann, und meine Berechnungen
    stimmen, muss hinter diesem Hügel das alte, längst
    verlassene Dorf der Iban liegen und ich kann es in einer
    Stunde erreichen“. Das hatte ich mir gesagt, als ich vor
    Stunden diesen alten Pfad betreten hatte. Viele Hügel
    hatte ich seitdem gequert und dann noch das Gewitter.

    Ein gleissender Blitz, gefolgt von infernalem Donner,
    reisst mich aus meinen Gedanken. „Verlaufen!“
    Diese Feststellung wiegt schwer, allein im Regenwald
    Borneos. „Also Biwak!“, denke ich grimmig und klettere
    entschlossen weiter. Vor mir tut sich ein Felsdurchlass auf,
    durch den der Weg führt. Als ich mich, nachdem ich den Rucksack
    abgenommen habe, gerade durch die Felsspalte schieben will
    und nach einem Halt suche, sehe ich sie. Kaum wahrnehmbar,
    im Grün des Blattwerks, oberhalb des Rattanstrangs nach
    dem ich greifen wollte. Ich erstarre in der Bewegung. Da
    lauert sie, schön, grün, nicht lang aber mit kräftigem Leib
    und breitem Kopf. Fünf Stunden, sagt man, bei guter Kondition,
    kann man ihren Biss, ohne Antiserum, überleben.
    Zeitlupenjartig ziehe ich die, schon ausgestreckte Hand zurück.
    Gleitend bewege ich mich einige Schritte zurück. “Geschafft“.
    Meine rechte Hand greift blitzschnell das langgeschnallte,
    lange Buschmesser. Mit seinem Ebenholzgriff liegt es
    schwer und kühl in meiner Hand. Ein kraftvoller
    Schlag, der scharfen, blitzenden Schneide, ich löse einen
    Rattanstrang . Schmal, gerade, spitz. Ein über-
    langer Pfeil. Lautlos verschwindet das Messer in der
    Scheide. Kurz wiege ich den Pfeil in der Hand, dann schiesst er,
    von starkem Arm geworfen, direkt auf das Reptil zu und
    durchbohrt es am Kopf. Ein letztes Winden, aus.
    Sorgsam lege ich die leblose Schlange mit dem Pfeil, neben dem Pfad ab.
    Dann nehme ich den Durchlass wieder in Augenschein.
    „Keine unliebsamen Überraschungen mehr“, murmele ich.
    Nach genauer Inspektion nicke ich zufrieden, werfe meinen
    Rucksack durch die Felsspalte auf die andere Seite des Weges
    und schlüpfe hinterher.
    Der Regen hat aufgehört und Sonne flimmert durch das dichte,
    grüne Blattwerk. Dampfend liegt der Pfad nun vor mir.
    „Wie lange ist hier wohl niemand mehr gegangen?“
    Die Intensität der Sonne hat nachgelassen. Ein Blick auf die schwere,
    leuchtzeigerbewehrte, Uhr gibt mir das Signal. „Ich muss ein
    Biwak bauen!“, durchzuckt es mich. Nach einigen Schritten habe
    ich den Gipfel des Hügels erreicht.
    Vor mir liegt ein weites, nur von niedrigem Bewuchs ge-
    kröntes Plateau.
    Verfallene Bambushütten, auf Stelzen, umringen einen kleinen
    Platz. „Das ist es“, jubelt es in mir.
    Vorsichtig nähere ich mich den alten, schlingpflanzenbewaldeten,
    Hütten. Ich bin allein. Hier hatte ein Iban Stamm, vor langer Zeit,
    sein Dorf.
    Die Iban, die vor hundert Jahren gefürchteten Kopfjäger Borneos.
    Hier haben sie ihre Rituale abgehalten und Siege gefeiert.
    Am Rande des Platzes, weit genug entfernt von den alten Hütten,
    will ich mein Lager aufschlagen. „Man weiss nicht, was sich in den
    alten Bauten verbirgt“, denke ich fast beschwingt.
    Aus kräftigem Rattan und Bambusstangen baue ich schnell ein
    hochbeiniges Schlafgestell, ähnlich einem Tisch mit überlangen
    Beinen. Das ist der wirksamste Schutz gegen Schlangen und
    andere giftigen Erdbewohner. An einem Gestell darüber befestige
    ich mein Moskitonetz, lege den Schlafsack aus und baue mit dem
    Rest des Bambus ein schräg darüberlaufendes Halbdach, dass ich dann
    mit Laub eindecke. „Regenschutz“. Schnell flackert ein lustiges Feuer
    und sein Qualm vertreibt die Plagegeister, nimmersatte Moskitos.
    Die Dämmerung hat eingesetzt. Eine Gruppe Flughunde, über-
    grosse Fledermäuse, strebt dem nächtlichen Beutezug zu.
    Nachdem ich mich ausgiebig, am mitgebrachten Proviant, gestärkt habe,
    schlüpfe ich müde aber glücklich in den Schlafsack und schliesse das
    Moskitonetz. Schnell hat mich der Schlaf übermannt.
    Plötzlich, ich weiss nicht wie lange ich geschlafen habe, werde ich wach.
    Feuer brennen, Trommeln dröhnen, Gestalten huschen an mir
    vorbei. Kleine drahtige Menschen, Frauen, Kinder und am Waldrand
    nähert sich eine Gruppe Krieger, wild bemalt, ausgerüstet mit Schild,
    Schwert und dem langen gefürchteten Blasrohr.
    Rituell, tänzelnd, fast schleichend wie Katzen, furchteinflössend wild.
    Die Gongs und Trommeln werden lauter, die Tänze heftiger.
    Andachtsvoll erwarten die Dorfbewohner das heimkehrende Heer.
    An langen Stangen tragen sie etwas angebunden, das jeweils zwei Krieger tragen.
    Menschen!
    Wilde Kämpfer schauen angsteinflössend sich in der Runde der
    Dorfbewohner um. Diese jubeln. Krieger brüllen Befehle, unterstreichen das
    mit heftigem Fussaufstampfen. Keiner wagt zu widersprechen.
    Mannestum in seiner archaischen Form. Die Kriegsbeute wird in
    der Mitte des Platzes abgestellt. Dann beginnt der Tanz des Horn-
    vogels. Die Tapferen werden geehrt, Gefallene betrauert.
    Der Hornvogel hat für sie eine besondere Bedeutung. Er ist
    Mittler zwischen Himmel und Erde, zwischen Leben und Jenseits.
    Der ranghöchste Krieger beginnt den Tanz. Seine Kopffedern schwingen
    im Takt seiner Füsse. Er symbolisiert den Hornvogel. Schleichend, fast
    ballettartig sind seine Bewegungen und dann dieser Schrei. Der
    Schrei des Hornvogels.
    Nach und nach tanzen alle Krieger, bis die Trommeln sich ins
    Unermessliche steigern. Dann Ruhe.
    Die Krieger, die die Beute gemacht haben, gehen auf die Gefangenen
    zu. Sie tragen eine Holzschale und lange Messer.
    Ein kurzer Schlag, der Kopf trennt sich vom Rumpf. In der mitgebrachten
    Schale wird das Blut der Armen aufgefangen. Die Trommeln heben wieder an.
    Die Kämpfer führen die Schale zum Mund und trinken. Nach ihrer animistischen Weltordnung geht nun die Kraft des Getöteten in sie über.
    Urplötzlich zieht Nebel auf. Ruhe.
    Verwirrt reibe ich mir die Augen. Die Morgendämmerung bricht an.
    Leicht bewegt der Wind die Zweige. ich schäle mich aus dem Schlafsack,
    blinzele in die Morgensonne, die die letzten Nebelschwaden schluckt.
    Ich bin doch sonst so realistisch. Kopfschüttelt steuere ich auf die Mitte des
    Platzes zu, auf dem doch noch soeben diese seltsame Erscheinung war.
    Jetzt brauche ich einen starken Kaffee. Brennholz muss her. Da fällt mein Blick
    auf einen dunklen Fleck im Sand. Ich knie nieder, meine Hand berührt
    den Fleck, feucht, klebrig.
    Erstarrt zucke ich zurück. An den Fingern klebt etwas, das ich zerreibe.
    Die Finger färben sich rot.
    Advocatus Diaboli

  8. #8
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    Standard AW: Kurzgeschichten

    Titanic

    Dumpf liegt das Dock im schweren, graugelben Morgennebel.
    Nur Schiffssirenen unterbrechen das trostlose Bild, fernwehbehaftet,
    mit ihrem Konzert in Moll.
    Die Natur hat alles wieder erobert. Grüne Schlinggewächse umgarnen
    die filigranen Gittermasten der Portalkrane. Braunrostend döst der Stahl
    dem Abbruch entgegen.
    John hat den Kragen seiner schweren Jacke hochgeschlagen. Die Mütze
    ist tief in die Stirn gezogen.
    Sein wettergegerbtes, von Narben und Furchen gezeichnetes Gesicht, bleich.
    Die stahlblauen Augen haben ihren Glanz verloren und blicken tot in die Ferne.
    Er wirkt wie ein Teil des Ganzen. Vergessen.

    Bunte Bilder ziehen an ihm vorbei. Was war das für ein Leben hier.
    Tosende Dampfhämmer, das dröhnende Konzert der schweren Niethämmer.
    Die Werft hatte ihr Eigenleben, wie ein gewaltiges Tier. Auch verschlang
    sie Menschenleben. Viele tödliche Unfälle hatte es gegeben. Die Vorarbeiter,
    in schwarzen Anzügen, schritten wie Könige durch die Massen. Herren
    über Wohl und Weh. Mit einem Fingerzeig konnten sie einstellen und entlassen.
    Tausende hatten Broterwerb. Hart war der Job und gefährlich.
    Tonnenschwere Schiffsteile hingen an den riesigen Kränen.
    Fast schwerelos schwebten diese braunen Giganten an den für sie vorgesehenen Platz.
    Wurden mit glühenden Nieten, von tausenden Niethämmern, zusammengefügt.
    Diese grossen, majestätischen Schiffe wurde hier gebaut. Die grössten ihrer Zeit.
    Titanisch gross. Ja, eines war die „Titanic.“

    Sein Sohn James hatte auch hier gearbeitet. Die Augen werden feucht, glitzern
    Wie stolz er auf seinen Jungen war. Jeden Morgen schlossen sie sich dem Heer
    der Docker an, den Essentopf in der Hand. James war gerade siebzehn Jahre alt.
    Ein guter Arbeiter. Er hatte eigene Ideen und wurde von seinem Vorarbeiter Mc Holm gefördert. Sicher hätte er es zum Vorarbeiter geschafft. Ein Zucken umspielt seinen Mund und
    in die Augen kehrt etwas Glanz zurück. Hoch aufgeschossen, mit seinen blonden Haaren unter der Kappe und immer das Lachen eines Lausbuben im Gesicht. Der alte Mann seufzt
    und seine Gestalt strafft sich leicht. Mary, seine Frau war damals schon krank. Die Arztkosten
    konnten sie gemeinsam aufbringen. Aber es wurde nicht besser. Die vielen Kinder, die feuchte Wohnung. Der Glanz aus seinen Augen war verschwunden.
    An jenem Tag im September wurde James zu Mc Holm gerufen. „James, mein Junge, du bist dabei“, das waren seine Worte. Voller Freude war er gekommen. „Dad ich bin ausgewählt worden in der Begleitcrew das Schiff, die Titanic, auf der Jungfernfahrt nach New York zu begleiten“ Die blauen Augen unter der Lockenstirn strahlten so viel Lebensfreude und Hoffnung aus.
    Dann der Abschied. Er brachte ihn an die Gangway. Das war ein Hallo. So viel Stolz und Zuversicht in den Gesichtern.
    Das riesige Schiff lag wie ein Dinosaurier am Pier. Die Schornsteine spieen schwarzen Rauch.
    Wie Himmelsleitern lagen die Gangways an seinem Bauch. Reporter tauchten alles in Blitzlichtgewitter. Blaskapellen spielten.
    Er konnte sich nicht recht freuen. War es eine Ahnung?
    „Dad, mach doch nicht so ein finsteres Gesicht. Bis bald. Wenn nicht, dann in
    einem anderen Leben.“ Das waren seine letzten Worte. Er lachte wie immer, schob die Mütze in den Nacken und ging die Gangway hinauf, ohne sich noch einmal umzusehen.
    Advocatus Diaboli

  9. #9
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    Standard AW: Kurzgeschichten

    Hallo
    ...ob ich wohll nochn bisschen stänkern darf
    Euer Murr

  10. #10
    Mitglied Benutzerbild von Murr
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    Standard AW: Kurzgeschichten

    Hallo
    ...

    Gartenarbeit
    Ich liebe die Gartenarbeit nicht!
    Wenn ich einen Garten hätte, in dem alles nach meinem Willen geschähe. So ohne säen, hacken und jäten und andere arbeiten die den Körper zu unnatürlichen Verrenkungen zwingen, dann könnten wir noch mal drüber reden.
    Aber ich liebe Blumen aller Art. Nicht auf dem Beete; wo sie doch auf ihren Abschnitt warten. Sie sollen wachsen wie es sie wollen, krumm und schief!?
    Vielleicht.
    So!

    Euer Murr

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