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DEUTSCH-POLNISCHE BEZIEHUNGEN
Nazi-Vergleich empört Union
Von Severin Weiland
Das Titelbild ist deftig. Polens größtes Nachrichtenmagazin "Wprost" zeigt in einer Fotomontage die Vertriebenen-Vorsitzende Erika Steinbach in schwarzer Nazi-Uniform - auf Gerhard Schröder reitend. Das Bild ist der Auswuchs eines Streits über das geplante Zentrum gegen Vertreibungen. Die Union fordert: Der Kanzler muss eingreifen.
Berlin - Die Vorsitzende des Bundes der Vertriebenen zeigt ihr strahlendes Lächeln, der Kanzler, auf dem sie sitzt, blickt ein wenig verkniffen. Doch während Gerhard Schröder in trautem Zivil zu sehen ist, trägt Erika Steinbach eine schwarze Uniform, am rechten Ärmel prangt sichtbar die Binde mit dem Hakenkreuz. Darunter steht: "Das deutsche trojanische Pferd". Links daneben: "Die Deutschen sind den Polen eine Billion Dollar für den Zweiten Weltkrieg schuldig."
So sieht und liest man es auf dem Titelbild von Polens größtem Wochenmagazin "Wprost" ("Direkt"). Die Montage stellt den vorläufigen medialen Höhepunkt in einer emotional geführten Debatte dar, den Steinbach mit ihrem Vorschlag ausgelöst hatte, ein Zentrum gegen Vertreibungen einzurichten. Nachdem das Bild am Donnerstag in mehreren deutschen Zeitungen veröffentlicht worden war, reagierte der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, Hartmut Koschyk, umgehend.
Das Titelbild offenbare "den Tiefpunkt der völlig aus dem Ruder gelaufenen Diskussion in Polen über das geplante Zentrum gegen Vertreibungen in Berlin". Diese Entgleisung sei auch darauf zurückzuführen, dass die politischen und gesellschaftlichen Eliten Polens kaum einen mäßigenden Einfluss auf die Emotionalisierung und mangelnde Sachlichkeit der innenpolnischen Debatte nehmen. Es sei nun "höchste Zeit, dass Bundeskanzler Schröder in diese Debatte eingreift und der polnischen Seite verdeutlicht, dass ein Weitertreiben dieser polnischen Stillosigkeit den deutsch-polnischen Beziehungen schweren Schaden zufügt".
Kabinett ist über Zentrum gespalten
Seit Monaten wird über das Zentrum gestritten - quer durch die politischen Lager. Steinbachs Stiftungs-Konzept, das nicht nur die Vertreibung der Deutschen, sondern auch der Europäer mit einschließt, findet unter anderem die Unterstützung von Bundesinnenminister Otto Schily, des ehemaligen SPD-Bundesgeschäftsführers Peter Glotz und des Publizisten Ralph Giordano. Dagegen plädiert der SPD-Bundestagsabgeordnete Markus Meckel mit Unterstützung anderer Prominenter, unter anderem Bundestagspräsident Wolfgang Thierse, ein Gegenkonzept für ein "Europäisches Zentrum gegen Vertreibungen". Dieses solle seinen Standort eben nicht, wie von der CDU-Bundestagsabgeordneten Steinbach gefordert, in Berlin haben.
In den vergangenen Wochen war der Riss auch quer durchs Kabinett gegangen. Bundeskanzler und Bundesaußenminister Joschka Fischer erklärten, dass sie das Zentrum nicht in Berlin und nicht unter der Schirmherrschaft des Vertriebenen-Bundes beziehungsweise der Stiftung befürworteten. Kurz darauf nahm Schily öffentlich für Steinbachs Konzept Partei, allerdings in zurückhaltender Form. Man könne nicht über Vertreibungen reden, ohne die Vertriebenen einzubeziehen, mahnte der SPD-Minister. Der Standort Berlin sei für ihn zwar "kein Dogma", er wolle aber auch nicht von vornherein ausschließen, dass die Hauptstadt der geeignete Platz wäre.
Ängste und Sorgen in Polen
In Polen wird die Debatte mit großer Aufmerksamkeit verfolgt. Dass sich der Bund der Vertriebenen unter Steinbach verändert hat, wie etwa der Holocaust-Überlebende Giordano glaubt, wird hier von vielen angezweifelt. Allgegenwärtig ist bei vielen Polen das Misstrauen gegenüber dem Vertriebenenbund. Groß die Sorge, unter dem Deckmantel eines Zentrums könnten alte Gebietsforderungen wieder erhoben werden, würden sich am Ende die Deutschen kollektiv und nachträglich zu Opfern des Zweiten Weltkrieges stilisieren, gerieten am Ende womöglich die Vertreibungen der Polen durch die Sowjets im früheren Ostpolen in den Hintergrund. Steinbach, die um diese Ängste weiß, hatte erst diese Woche bei einem Besuch in Warschau vorgeschlagen, die Vertreibungen von Polen und anderen Völkern an einem zentralen Ort zu präsentieren und Hitler und Stalin als Verursacher der gewaltsamen Völkerverschiebungen zu benennen.
Der Argwohn vieler Polen sitzt tief. "Man hat manchmal den Eindruck, dass Frau Steinbach die Außenpolitik Deutschlands macht", sagt Piotr Cywinski, der Büroleiter von "Wprost" in Berlin gegenüber SPIEGEL ONLINE. Seine Landsleute fragten ihn immer wieder: "Was ist eigentlich wieder los mit den Deutschen." Es gebe eine "riesige Aufgabe", die deutsch-polnischen Beziehungen zu verbessern, und das betreffe nicht nur das Kapitel des Zweiten Weltkrieges, so Cywinski: "Solche Aktivitäten wie die von Frau Steinbach ruinieren aber die mühsame Arbeit vieler Politiker, die sich um Verständigung bemühen". Mit der Forderung nach einem Zentrum gegen Vertreibungen, glaubt der Deutschland-Kenner, habe Frau Steinbach "die alten Dämonen wieder wach gerüttelt - und zwar in Deutschland und in Polen."
Steinbach selbst wollte sich am Donnerstag zur Fotomontage in der "Wprost" nicht öffentlich äußern. Zu SPIEGEL ONLINE sagte sie, während ihres Besuchs am Dienstag in Warschau - wo sie an einer Podiumsdebatte über das Zentrum teilnahm - habe sie leider feststellen müssen, "wie aufgeheizt das politische Klima beim Thema Zentrum gegen Vertreibungen ist". Trotz der Aufwallungen auf allen Seiten glaube sie, dass das Gespräch weitergehen müsse. Die Wucht der Auseinandersetzung mache deutlich, dass in Polen und auch in Deutschland eine Diskussion über den Sinn und Zweck des Zentrums notwendig sei. "Vielleicht", so Steinbach, "trägt die jetzige Debatte dazu bei, dass man sich auch in Polen offener mit der eigenen Vergangenheit auseinander setzt."