Rohstoffe, Trockenheit und Emissionshandel treiben den Strompreis
Berlin - Der Strompreis erhitzt derzeit die Gemüter. Nachdem die Notierungen am Terminmarkt der Leipziger Strombörse (EEX) seit Anfang des Jahres um mehr als ein Drittel auf rund 45 Euro pro Megawattstunde gestiegen sind, sehen sich die Stromkonzerne als "Preistreiber" an den Pranger gestellt. Sie weisen die Kritik mit dem Hinweis zurück, dass wegen der Trockenheit in Südeuropa und der hohen Rohstoffpreise die Strompreise auch an allen übrigen europäischen Handelsplätzen kräftig zugelegt hätten.
Neu am Markt sind in diesem Jahr die CO2-(Kohlendioxyd)- Emissionszertifikate.
Deren Börsenwert hat sich seit Beginn des Handels im März fast verdreifacht. Industrieunternehmen, die CO2 ausstossen,
müssen für jede Tonne ein Zertifikat vorlegen - oder eine Strafe zahlen. Der Überprüfungstermin Anfang nächsten Jahres rückt allmählich näher, was die Nachfrage tendenziell treibt.
"Wegen der hohen Gaspreise gehen Energieerzeuger wieder dazu über, Kohle zu verfeuern, müssen dafür aber Zertifikate kaufen", sagt Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW). Solange die Hochenergiepreise anhielten, sei nicht mit deutlich sinkenden Strompreisen zu rechnen.
Der Preis für die Zertifikate ist von rund 10 Euro im März auf jetzt mehr als 28 Euro gestiegen - was sich nach Einschätzung der Branche auch auf den Strompreis auswirkt.
Der Leiter der Deutschen Emissionshandelsstelle beim Umweltbundesamt, Hans-Jürgen Nantke, begrüsst die Entwicklung. "Wenn der Preis hoch ist, sind die Zertifikate offensichtlich knapp. Für das Ziel, über eine Verknappung Klimaschutz zu betreiben, ist das gut", sagt Nantke. Unternehmen würden so veranlasst, in Energie sparende Zukunftstechniken zu investieren. Fraglich sei aber, ob der gegenwärtige Zertifikatspreis realistisch sei, da nur sehr kleine Mengen gehandelt würden.
Der Verband der Industriellen Energie- und Kraftwirtschaft (VIK) macht sowohl für die Zertifikats- als auch für Strompreise die grossen deutschen Stromerzeuger verantwortlich.
"Vier Anbieter kontrollieren 80 Prozent der Stromerzeugung, so dass sich ein enges Oligopol automatisch einstellt", sagt VIK-Sprecher Roland Schmied. Nur 12 Prozent des Stroms würden an der Börse gehandelt, deren Preis bestimme aber den Gesamtmarkt.
Die vier grossen Stromversorger hielten auch mehr als 70 Prozent der CO2-Emissions-Zertifikate. Nur ein kleiner Teil werde gehandelt. "Da ist ein Systemfehler drin, der dringend beseitigt werden muss", sagte Schmied. Der hohe Strompreis sei von der Rohstoffseite nicht gerechtfertigt, weil in Deutschland
nicht einmal 11 Prozent des Stroms aus Öl und Gas gewonnen würde.
Die Stromwirtschaft weist den Preistreiber-Vorwurf zurück. An den Strombörsen in Frankreich und den Niederlanden seien die Preise viel stärker gestiegen als in Leipzig, sagt der Hauptgeschäftsführer des Verbandes der Elektrizitätswirtschaft (VDEW), Eberhard Meller. Die rot-grüne Bundesregierung sei ausserdem dafür verantwortlich, dass sich der Staatsanteil an der Stromrechnung eines deutschen Durchschnittshaushalts über verschiedene Sonderbelastungen wie die Ökosteuer von 25 auf 40 Prozent erhöht habe.
Nach Mellers Worten spiegelt sich auch der rasante Anstieg der Preise für CO2-Emissionszertifikate zum Teil im Strompreis wider. Die Strombörse in Leipzig wirke wie ein Seismograph. "Für uns ist das ein Beweis, dass der Wettbewerb funktioniert", sagte Meller. Auf die Endverbraucher wirke sich der Anstieg der Börsenpreise nicht unmittelbar aus, da die Strompreise für Tarifkunden schon Ende vorigen Jahres vereinbart worden seien.
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