+ Auf Thema antworten
Seite 49 von 268 ErsteErste ... 39 45 46 47 48 49 50 51 52 53 59 99 149 ... LetzteLetzte
Zeige Ergebnis 481 bis 490 von 2674

Thema: Der Erste Weltkrieg

  1. #481
    Preuße aus Vernunft Benutzerbild von Stechlin
    Registriert seit
    16.03.2006
    Ort
    Mark Brandenburg
    Beiträge
    27.351

    Standard AW: Der Erste Weltkrieg

    Zitat Zitat von Guilelmus Beitrag anzeigen
    Die deutsche Flottenrüstung wurde betrieben, um Großbritannien herauszufordern, nicht umgekehrt. Großbritannien hat sich nicht in innerdeutsche Angelegenheiten eingemischt, im Gegenteil außenpolitisch versuchte man drei mal eine Annnäherung an das Deutsche Reich, welches u.a. mit beleidigenden Reden abgelehnt wurde.
    Das ist doch einfach nicht wahr! Die Flotte wurde notwendig, um deutsche Handelswege in Übersee zu sichern, und nicht, um England herauszufordern.

    Wie wäre es, wenn Du mal auf die Argumente der anderen hier eingehen würdest, bzw. selbige entsprechend widerlegst?

    Zitat Zitat von NITUP Beitrag anzeigen
    Was hat denn das Flottenprogramm Wilhelms mit dem Ersten Weltkrieg zu tun? Bekanntlich lag die Flotte während des gesamten Krieges tatenlos in ihren Häfen.

    Das deutsche Kaiserreich hatte jedes Recht, schon aufgrund seiner Kolonien und damit zur Sicherung der Handelswege mit den Seemächten Frankreich und England im Besonderen gleichzuziehen. Was dem einen Recht ist, muss dem anderen doch wohl billig sein. Folgt man Deiner Argumentation, dann war die Seekriegsflotte des Britischen Imperiums doch wohl eine ständige Kriegsdrohung gewesen. Oder irre ich mich etwa?

    Es gab eine Reihe von Vorfällen, die einen Ausbau der deutschen Flotte mehr als notwendig machten, allerdings nicht, um in irgendwelche Eroberungskriege zu ziehen. Da wäre als erstes der Streit mit London um den Englisch-Kongolesischen Vertrag von 1894, durch den die berechtigten deutschen Interessen vermittels des Bruchs des englisch-deutschen Vertrages seitens England gefährdet wurden. Als ein Jahr später Japan im japanisch-chinesischen Krieg den Sieg davontrug, bot sich unsere kaiserliche Majestät als Schlichter für die Gebietsverhandlungen an -als Schlichter, nicht als Eroberer. Zwar erlag Wilhelm hier dem Irrtum, die Engländer könnten Shanghai in Besitz nehmen, so dass Wilhelm die offenkundige Unterlegenheit auf See schnellstmöglich ausgleichen wollte, um in solchen Fragen auch international an Gewicht zu gewinnen. Was war daran verwerflich?

    1897 brach die sogenannte Transvaal-Krise aus. Die Kapkolonie unter Führung von Cecil Rhodes drohte damit, seinen nördlichen Nachbarn aufgrund der dortigen und immensen Goldvorkommen zu annektieren. Jedoch stellten die deutschen Siedler fast ein Fünftel der Bevölkerung und das deutsche Reich hatte große Summen dort investiert, so dass es im berechtigten Interesse des Reiches lag, die Situation vor Ort stabil zu halten. 1894 finanzierte das Deutsche Reich eine Eisenbahnlinie, welche den Binnenstaat Transvaal und Delagoa Bay (portugiesisch) miteinander verband. London zog in Erwägung, Delagoa Bay zu anektieren, was zu Spannungen zwischen London und Berlin führte, denn England beabsichtigte mit der Anektierung, diese Eisenbahnlinie unter seine Kontrolle zu bringen und lehnte jede Einigung, die Berlin anbot, ab. Das Reich bestand auf die Unabhängigkeit Transvaals und in England zog man sogar einen Krieg in Betracht, um dies zu verhindern (Vgl. Clark, Christopher, Kaiser Wilhelm II. Die Herrschaft des letzten deutschen Kaisers. München 2000. 178 f.). Auch diese Krise, die nicht Deutschland vom Zaune brach, bestärkte Wilhelm in seinem Bestreben, des Reiches Präsenz auf den Weltmeeren berechtigterweise zu stärken, jedoch nicht, ich will es wiederholen, um Kriege vom Zaun zu brechen, sondern selbige zu verhindern.

    Auch ist es mitnichten so, dass seine Majestät der Kaiser eine große Flotte schwerer Schlachtschiffe ins Auge fasste, sondern seine Vorstellung von einer starken Flotte bestand aus einer Reihe schneller und moderner Kreuzer, die es ihm ermöglicht hätten, flexibel Truppenkontigente beweglich einsetzen zu können. Jedoch gelang es Admiral Tirpitz, sich mit seiner Vorstellung einer aus schweren Schlachtkreuzern bestehenden Flotte durchzusetzen, und der sogenannte Tirpitz-Plan kam zur Anwendung. Doch war es mitnichten die Absicht unseres Kaisers gewesen, England mit seinem Flottenprogramm zu provozieren oder gar zu einem Krieg herauszufordern. Ganz im Gegenteil hoffte unser Kaiser am Ende sogar, dass sich England dem Dreibund Deutschland-Österreich-Italien irgendwann anschlösse. Wilhelms Mutter Victoria Adelaide Mary Louisa schrieb ihrer Mutter, der englischen Königin Victoria im Jahre 1898: "Ich weiß mit Sicherheit, dass Wilhelm sehr viel an einer Annäherung an England liegt und dass er von ganzem Herzen hofft, dass England in irgendeiner Form entgegen kommen und ihn auf halbem Wege treffen würde." (Ebd. 186).

    1901 starb Wilhelms Großmutter, Königin Victoria, und der Kaiser reiste zur Beerdigung nach England. Anlässlich seiner Abreise aus England hielt er eine vielgeachtete Rede im Malborough House, in der er noch einmal betonte und ganz offen und mit seinem üblichen Pathos erklärte, dass es sein Ziel sei, ein Bündnis mit England einzugehen: "Mit einem solchen Bündnis könnte sich in Europa nicht einmal eine Maus mehr ohne unsere Einwilligung regen." (Ebd. 186).
    Es ist unglaublich. Hier werden nicht einmal die elementarsten Grundsätze einer historischen Kontroverse beachtet. Wie wäre es, es mal mit eigenen Argumenten zu versuchen, die sich auf die Aussagen der anderen Opponenten beziehen? Nichts dergleichen. Nur Gewäsch und fremde Quellen, die man mal soeben im Internet gefunden hat. Lest Ihr eigentlich noch Bücher? Macht Ihr eigentlich mal den Versuch, Euch selbst eine Meinung zu bilden, indem man sich mit dem Thema selbstständig auseinandersetzt?

    Es ist einfach nur erbärmlich, wie hier diskutiert wird. Das macht echt keinen Spaß.
    "Wir sind nicht in die Welt gekommen, um glücklich zu sein,
    sondern um unsere Pflicht zu tun."

    Otto von Bismarck. Schmied des Deutschen Reiches

  2. #482
    Lügenpressegegner Benutzerbild von Quo vadis
    Registriert seit
    19.04.2006
    Beiträge
    46.253

    Standard AW: Der Erste Weltkrieg

    Zitat Zitat von Alfred Beitrag anzeigen
    Nein....die gleiche Zeit meint auch die anderen Angebote....siehe die Angebote des Herrn Chamberlain der Zeit von 1898 - 1903. Und ja, das bezeichnet man als die gleiche Zeit.
    Eine Differenz von gut 9 Jahren ist definitiv nicht die gleiche Zeit. In der Zeitschiene ist die Ablehnung des deutschen Angebotes durch die Briten von 1909 deutlich näher am Kriegsausbruch. Was ist bei einer Vergewaltigung wohl relevanter, wenn sich die Frau frühs anzieht, oder wenn der Vergewaltiger abends nur noch 5 Schritte hinter ihr ist? Was wohl?
    "Um zu lernen, wer über dich herrscht, finde einfach heraus, wen du nicht kritisieren darfst."Voltaire (1694-1778

  3. #483
    Lügenpressegegner Benutzerbild von Quo vadis
    Registriert seit
    19.04.2006
    Beiträge
    46.253

    Standard AW: Der Erste Weltkrieg

    Zitat Zitat von Sprecher Beitrag anzeigen
    Du meinst der Fehler des Reiches damals war sich nicht devot genug verhalten zu haben? Das Reich hätte damals schon seine eigenen Interessen gegenüber denen feindlich gesonner Mächte hintanstellen sollen wie die BRD dies heute tut?
    Genau darauf läufts raus. Ganz genau darauf.
    "Um zu lernen, wer über dich herrscht, finde einfach heraus, wen du nicht kritisieren darfst."Voltaire (1694-1778

  4. #484
    endlich zuhause Benutzerbild von Sprecher
    Registriert seit
    16.12.2007
    Ort
    Rückseite Pluto
    Beiträge
    50.456

    Standard AW: Der Erste Weltkrieg

    Zitat Zitat von Alfred Beitrag anzeigen
    Meine Seite ist Deutschland, und die lasse ich mir nicht von Totalversagern deines Schlages nehmen. Meine Art ist die Stärke Preußens und des Reiches, gegeben durch eine klare Analyse der damaligen Politik. Deine Stärke kenne ich nicht.
    Und du wirfst anderen hier Beleidigung vor? :hihi:
    Für die anderen:
    Da ich selber gebürtiger Niedersachse bin weiß ich daß hier leider mindestens 5% der Jahrgänge 60-90 englische Väter haben. Insofern wundert euch nicht über das anglophile und antideutsche Geschwalle von Alfred, es dürfte ziemlich klar sein woher es kommt.

  5. #485
    Mitglied Benutzerbild von Suppenkasper
    Registriert seit
    10.06.2010
    Ort
    https://t.me/pump_upp
    Beiträge
    7.047

    Standard AW: Der Erste Weltkrieg

    Auch wenn NITUP die fröhlich sprudelnden Internetquellen nicht zu unrecht geißelt, möchte ich gerne - vor allem im Zusammenhang mit seinem eigenen sehr durchdachten, und insbesondere was die person des Kaisers anbelangt überaus fairen Eingangsbeitrag - diesen interessanten Artikel einstellen, auf dem ich jüngst gestoßen bin

    [Links nur für registrierte Nutzer][tt_news]=134624&tx_ttnews[backPid]=2851&cHash=15739d8d91

    Ersatunlich, dergleichen zu finden, aber nicht unmöglich, selbst in der bleiernen Zeit des frühen 21ten Jahrhunderts.

    Die Diskussion um Großbritanniens Motive mag, für diejenigen, welche sich nicht den ganzen Text zu Gemüte führen wollen, durch diesen Auszug angeregt werden:

    "Wirtschaft


    "Als Ausfuhrland erreichte Deutschland 1880 den vierten Platz hinter Großbritannien, Frankreich und den Vereinigten Staaten von Amerika. Nach 1890 nahm der wirtschaftliche Aufstieg ein beinahe stürmisches Tempo an. Deutschland überflügelte Frankreich und näherte sich von der Jahrhundertwende an in immer schnelleren Schritten England, erreichte es sogar auf einigen Produktionsgebieten,...Deutschland war bei Ausbruch des Ersten Weltkrieges der größte Eisen- und Stahlproduzent Europas [nur das Wirtschaftswachstum der USA hielt Schritt] und stand in der Kohleproduktion an zweiter Stelle. Neben der Schwerindustrie begründeten insbesondere die Chemische, Optische und die ElektroIndustrie [in diesen Industriezweigen hatte Deutschland praktisch eine Welt-Monopolstellung] die wirtschaftliche Weltgeltung Deutschlands. An dem sich von 1890 bis 1910 wertmäßig auf 150 Milliarden Mark verdoppelnden Welthandel war Großbritannien mit 20, Deutschland mit 16, die Vereinigten Staaten mit 14 und Frankreich mit 11 Milliarden beteiligt…"

    Und auch dies ist lesenswert

    Die Flotte - zu stark und zu schwach


    Nun war bereits vor seiner Zeit, nämlich seit 1850 etwa, nach der englischen die deutsche Handelsflotte die zweitgrößte der Welt, die HAPAG der Welt größte Reederei überhaupt.

    Unter Wilhelm I. war die Kriegsflotte nach Niederwerfung Frankreichs 1871 schon einmal die zweitstärkste nach der englischen gewesen, sackte dann aber auf den vierten Rang (nach England, Frankreich, Rußland), bis Wilhelm II. 1897 Tirpitz zum Staatssekretär des Reichsmarineamtes berief, der über ein wohlbegründetes Konzept verfügte, auf gesetzlicher Grundlage durch Reichstag und Bundesrat die Flotte so stark machen wollte, daß ein Angriff auf sie selbst für die größte Seemacht ein Risiko sei, sie dadurch abschreckend und friedenserhaltend wirke und die Bündnisfähigkeit Deutschlands erhöhe. Darum sei eine Schlachtflotte für die Nord. und Ostsee, nicht aber eine Kreuzerflotte für Übersee (die der Kaiser anfangs favorisierte) zu bauen. Technisch drückte sich der defensive Charakter der dann von Tirpitz gebauten deutschen Schlachtflotte darin aus, daß Panzerung und Sinksicherheit (die passive Standkraft) stets Vorrang vor Reichweite, Geschwindigkeit und Bewaffnung (aktive Schlagkraft) hatten. Eine offensive Kreuzerflotte mit umgekehrter Gewichtung hätte bei den damaligen kohlebefeuerten Schiffen ein System von Stützpunkten erfordert, deren Erwerb im Frieden ständige Konflikte mit Kriegsgefahr provoziert hätten und im Kriegsfall, wie Tsingtau zeigen sollte, nicht zu halten wären, zumal gegen England, für das ungestörte Verbindungen zum Empire lebenswichtig waren und das auf deren Gefährdung höchst empfindlich, wahrscheinlich mit einem Präventivschlag wie gegen die dänische Flotte vor Kopenhagen (1807), reagiert hätte.


    Schiffe mit Ölfeuerung standen um die Jahrhundertwende noch nicht zur Debatte. Diese hätten zu weiträumigen Operationen gegen gegnerische Seeverbindungen in See betankt werden können, was im Zweiten Weltkrieg ja bei Über- und Unterwasserstreitkräften durchgeführt wurde. Großbritannien, das vor dem Ersten Weltkrieg teilweise zur Ölfeuerung überging, hätte dazu den besseren Zugang zu Ölquellen gehabt. Deutschland, das genügend Kohle, aber so gut wie keine Erdölquellen hatte, hielt noch an der Kohlefeuerung, auch wegen der Schutzwirkung gefüllter seitlicher Kohlenbunker, fest. Immerhin sind vor dem Ersten Weltkrieg nicht nur die Kessel der neuesten Schlachtschiffe teilweise schon für Ölfeuerung konstruiert worden, man plante bereits den Einbau großer Marsch-Dieselmotoren, wofür Deutschland zwar einen technologischen Vorsprung besaß, die jedoch bis 1914 konstruktiv noch nicht ausgereift waren. Das brachte bei dem enormen Ölbedarf großer Schiffe Nachschubprobleme mit sich. Man konnte in Friedenszeiten gewisse Vorräte anlegen, bei längerer Dauer und bei den hohen Erfordernissen eines Krieges wäre ungestörter Zugang zu Ölförderstätten erforderlich gewesen. Die waren damals nur auf dem Balkan (Rumänien) zu haben; ein Engagement Deutschlands in Richtung auf dieses politische Wespennest hätte den Krieg aber mit großer Wahrscheinlichkeit auch ohne Sarajewo ausgelöst. Wie schnell man da an den Rand eines Krieges gelangen kann, zeigt der deutsche Vorstoß in Richtung auf die Ölfelder von Mesopotamien mit dem Bau der Bagdad-Bahn, durch den sich Briten und Franzosen, die dieselben Ambitionen hatten, erheblich gestört fühlten. Zum Glück fanden sich geschickte Diplomaten auf beiden Seiten, die eine Lösung zur Kriegsvermeidung fanden: die letzten 150 km sollen von den Briten gebaut werden.


    Eine andere Alternative als Schlacht- oder Kreuzerflotte sah man in Deutschland nicht, es sei denn, man verzichte als Exportnation und Weltmacht auf eine maritime Sicherung, was den empörten Widerstand gerade der seit 1848 politisch fortschrittlichen bürgerlich-liberalen Kreise, die sich nun teilweise zur mächtigen Großindustrie gemausert hatten, hervorgerufen hätte. Darüber hätten sich nur ultra-konservative Kreise gefreut, die meinten, der Alte Fritz habe auch keine Marine gehabt und doch seine Kriege gewonnen. Man übersah dabei, daß es keine Garantien dafür gibt, einen Alten Fritz an der Spitze zu haben, und daß es selbst diesem nur ganz, ganz knapp gelungen war, mit letzter Kraft über die Runden zu kommen.

    Daß die Briten im Weltkrieg ihren Gegner aushebeln konnten, indem sie in ihrer dafür bestens geeigneten geopolitischen Lage gar nicht angriffen, sondern eine für die deutsche Schlachtflotte kaum erreichbare Fernblockade errichteten und diese mit ihren schönen Schiffen in den Häfen auch moralisch verrosten ließen (Skagerrak war mehr ein Versehen britischerseits und kostete einen bitter hohen Preis), steht auf einem anderen Blatt. Daß die von Tirpitz konzipierte und vom Kaiser schließlich - trotz in Ansätzen besserer Einsicht - verantwortete Schlachtflotte zu stark war, um die Briten nicht zu provozieren, zu schwach, um sie abzuschrecken, und zu defensiv, um sie zum Frieden zu zwingen, ist nicht ohne Tragik.

    Und zum Abschluss dieses ins Stammbuch

    Rüstungswettlauf der Kontinentalmächte


    Natürlich hätten die für Flotte, Hafenbau, Stützpunkt Ostasien (Tsingtau) aufgewendeten Gelder auch dem Heer zugute kommen können. Denn auch auf dem Gebiet der Heerestruppen fand - was oft übersehen wird - ein Rüstungswettlauf statt, bei dem sich Deutschland im Verhältnis zu Frankreich und Rußland deutlich zurückhielt. Von 1902-1913 war der Rüstungshaushalt (Heer und Flotte) des Deutschen Reiches niedriger als der von Frankreich und England, 1913 entfielen pro Kopf der Bevölkerung in Frankreich 33,5 Mark auf Rüstungsausgaben, in England 32,9, in Deutschland 31,3 Mark. Um 1893 hatte Frankreich ein Heer von 550000 Mann, das sind 1,43% der Bevölkerung von 38,5 Mill., im Frieden unter Waffen, die Kriegsstärke betrug 4,053 Mill. Mann. Das mit Frankreich durch ein Militärabkommen verbündete Rußland verfügte zur gleichen Zeit im Frieden über ein Heer von 894000 Mann bei 126,35 Mill. Einwohnern (0,71%) und im Falle des Krieges 4,56 Mill. Soldaten. Deutschland hatte bei rund 50 Mill. Einwohnern im Frieden 584000 Soldaten (1,17%), im Kriege 4,3 Mill. Die österreichisch-ungarische Armee umfaßte bei einer Bevölkerung von 41,4 Mill. im Frieden 342000 (0.83%), im Kriege 1,61 Mill. Mann. In einem Kriege der beiden Koalitionen hätten also 8,5 Mill. Russen und Franzosen 5,9 Mill. der Mittelmächte gegenübergestanden (England und Italien als unsichere Partner sind hier nicht berücksichtigt).

    1914 entsprach die Friedensstärke der französischen Armee 2% der Bevölkerung, in Deutschland 1,15%. Dieses führte 1893 versuchsweise und 1905 endgültig statt der allenthalben üblichen dreijährigen Dienstpflicht für Fußtruppen die zweijährige ein, was sich qualitativ durchaus bewährte. Allerdings hatten in Deutschland bei Kriegsausbruch von 10 Millionen Wehrpflichtigen im Alter von 21 bis 46 Jahren über 5 Millionen "nicht gedient", waren also nicht ausgebildet. Ein merkwürdiges Verhalten, wenn man einen Krieg gegen eine übermächtige Zweifrontenkoalition anzetteln will!

    Nach einer 1912 vom deutschen Reichstag beschlossenen Heeresvermehrung sollte die Friedensstärke des deutschen Heeres - bei einer Einwohnerzahl von 67 Millionen - 800000 Mann betragen (1,15%, was bis 1914 nicht erreicht wurde), Österreich-Ungarn hatte 480000 Mann, Rußland bei Kriegsbeginn 1,4 Mill. und Frankreich 800000 Mann unter Waffen.

    Trotz der Drohung eines Zweifrontenkrieges hat Deutschland vor 1914 seine Volkskraft militärisch nicht voll ausgeschöpft und seine Bevölkerung am wenigsten mit Rüstungsausgaben belastet. Nebenbei belastete auch am wenigsten Schuldendienst die deutschen Etats, und Deutschland gab als einziges der größeren Länder 3% des Haushalts für soziale Zwecke (Zuschuß zu Sozialversicherungen) aus.

    Von welcher Qualität die deutschen Streitkräfte 1914 insgesamt - Armee und Marine - waren, zeigte der Verlauf des Ersten Weltkrieges. Führung, Ausbildung, Ausrüstung und Waffentechnik, nicht zuletzt ihre Kampfmoral waren derart, daß die wirtschaftliche und militärische Kraft von nach und nach fast 50 Nationen 4 Jahre brauchte, um die verbündeten Armeen Deutschlands, Österreich-Ungarns, Bulgariens und des Osmanischen Reiches (diese Verbündeten mußten von Deutschland materiell und personell noch gestützt werden) vor allem durch Aushungerung und Blockade in die Knie zu zwingen.



    Das Deutsche Reich - de facto eine Weltmacht


    Aus all dem dürfte hervorgehen, daß das Deutsche Reich 1914 nicht einen Krieg anzuzetteln brauchte, um nach der Weltmacht zu greifen, weil es längst eine Weltmacht war und zu den mächtigsten Staaten der Erde gehörte (nicht zu vergleichen mit dem Status der heutigen Bundesrepublik Deutschland, die hinter England, Frankreich und Japan nur einen mittleren Rang einnimmt, von den Supermächten USA und Rußland ganz abgesehen). Warum sollte der Kaiser diese Stellung aufs Spiel setzen und einen Krieg "anzetteln"? Wohin wollte man expandieren, wollte man das Reich im Osten erweitern oder/auch im Westen? Am Beispiel Österreich hatte man doch die Probleme eines Vielvölkerstaats vor Augen. Die Loyalität der Polen in der Provinz Posen und die der Elsaß-Lothringer im Westen zu erhalten war schon mühsam genug. Es ging 1914 darum, den errungenen Status zu bewahren und mit allen Kräften, schließlich auch mit den Waffen zu verteidigen.

    Wie immer man das politische Verhalten der deutschen Spitzenpolitiker einschließlich des Kaisers und des Generalstabs vor dem Ersten Weltkrieg beurteilen mag, welche Fehler sie im einzelnen auch immer gemacht haben mögen, ihre Politik war im Grundzug defensiv und konnte nicht anders sein, weil sie nichts zu gewinnen und alles zu verlieren hatten.


    Ich zitiere so ausführlich, da der Autor genau das schreibt, was ich auch gerne adäquat ausdrücken würde, er bekommt es nur weitaus besser hin. Man muss auch dem Überlegenen Achtung zollen.

  6. #486
    GESPERRT
    Registriert seit
    03.12.2004
    Beiträge
    30.440

    Standard AW: Der Erste Weltkrieg

    Zitat Zitat von Quo vadis Beitrag anzeigen
    Eine Differenz von gut 9 Jahren ist definitiv nicht die gleiche Zeit. In der Zeitschiene ist die Ablehnung des deutschen Angebotes durch die Briten von 1909 deutlich näher am Kriegsausbruch. Was ist bei einer Vergewaltigung wohl relevanter, wenn sich die Frau frühs anzieht, oder wenn der Vergewaltiger abends nur noch 5 Schritte hinter ihr ist? Was wohl?
    Das ist die bekannte Tour der Staatsschreiberlinge. Wenn sie, wie üblich, mit ihrer Ausgangsposition gescheitert sind, werden aus irgendwelchen Ecken neue Papierwische in die Debatte geworfen, im Vertrauen darauf, daß sich niemand die Mühe macht, den Käse zu überprüfen, und sich die Debatte auf ein neues Feld verlagert, auf dem das Scheitern der Systempropagandisten in Vergessenheit gerät.

  7. #487
    GESPERRT
    Registriert seit
    05.11.2006
    Ort
    Winsen / Luhe
    Beiträge
    40.694

    Standard AW: Der Erste Weltkrieg

    Zitat Zitat von Brutus Beitrag anzeigen
    Beide WKs waren Einkreisunsgkriege wie aus dem Lehrbuch. Vergleichbar, wenn eine Bande ausländischer Messerstecher über einen Deutschen herfällt, um ihn abzuziehen.

    Es mag durchaus sein, daß der Deutsche bei seiner Selbstverteidigung Fehler gemacht hat, das ändert aber nicht das Geringste daran, daß die ausländischen Angreifer ganz klar die Aggressoren sind.
    Deine Hauptargumente dazu wurden widerlegt...und auf die Kriegstreiberei eines Conrad von Hötzendorfs gehst du überhaupt nicht ein. Ebenso werden die Schritte die zur Auskreisung des Reiches, aufgrund der nicht eben besonders fähigen Diplomatie der "Künstler" in der Wilhelmstraße, führten, nirgendwo erwähnt.

    Dies nun den andren Mächten in die Schuhe zu schieben ist mehr als lächerlich. Wenn man nicht in der Lage ist solche klaren Fakten zu erkennen, dann sollte man eben nicht mit Beleidigungen kommen, sondern eine solche Diskussion meiden.

  8. #488
    GESPERRT
    Registriert seit
    05.11.2006
    Ort
    Winsen / Luhe
    Beiträge
    40.694

    Standard AW: Der Erste Weltkrieg

    Zitat Zitat von Brutus Beitrag anzeigen
    Das ist die bekannte Tour der Staatschreiberlinge. .../cut...
    Staatsschreiberlinge...WOW. Das ist also deine Diskussionsgrundlage. Nicht schlecht...

  9. #489
    Preuße aus Vernunft Benutzerbild von Stechlin
    Registriert seit
    16.03.2006
    Ort
    Mark Brandenburg
    Beiträge
    27.351

    Standard AW: Der Erste Weltkrieg

    Zitat Zitat von Geronimo Beitrag anzeigen
    Stimmt genau! Und genau deshalb legt man sich auch nicht mit allen gleichzeitig an! Das wurde als Arroganz und Größenwahn hier bezeichnet. Und diese Bezeichnung trifft es. Wie wäre denn die Geschichte verlaufen, wären entweder Rußland oder GB deutsche Verbündete oder Neutrale gewesen?
    Genau, Frankreich wäre ein weiteres mal vernichtend geschlagen worden.
    Man könnte ja sagen...Dumm gelaufen. Oder besser, wegen Dummheit genauso gelaufen!
    Wer hat sich denn hier mit wem angelegt? Das deutsche Reich mit dem Rest der Welt? Diese Behauptung ist doch abenteuerlich und dient doch letztendlich nur dem oktroyierten Geschichtsbild, das seit Versailles einzig dem Zwecke Nahrung gibt, die "Sieger" von ehedem im segensreichen Schein der unbefleckten Unschuld erstrahlen zu lassen.

    Dass das Deutsche Kaiserreich Fehler gemacht hat, dass Wilhelm die außenpolitischen Intentionen der Triple-Entente fundamental unterschätzt hat, ist noch lange kein Beweis dafür, dass er daselbst diesen Krieg herbeigeführt und herbeigesehnt hat. Weder das Flottenprogramm noch der immer wieder bemühte "Blankoscheck" an Österreich-Ungarn sind dafür Indiz, und schon gar nicht Beweis.

    Ich kann Dir die Biographie von Clark über Wilhelm II. nur wärmstens ans Herz legen. Man sollte allerdings auch den Mut besitzen, bisher gewonnene Überzeugungen auf den Prüfstand zu stellen. Bis ich selbst dieses Buch las, habe ich auch der These, Wilhelm sei an allem Schuld gewesen, zugestimmt.
    "Wir sind nicht in die Welt gekommen, um glücklich zu sein,
    sondern um unsere Pflicht zu tun."

    Otto von Bismarck. Schmied des Deutschen Reiches

  10. #490
    Lügenpressegegner Benutzerbild von Quo vadis
    Registriert seit
    19.04.2006
    Beiträge
    46.253

    Standard AW: Der Erste Weltkrieg

    Zitat Zitat von Alfred Beitrag anzeigen
    Meine Seite ist Deutschland, und die lasse ich mir nicht von Totalversagern deines Schlages nehmen. Meine Art ist die Stärke Preußens und des Reiches, gegeben durch eine klare Analyse der damaligen Politik. Deine Stärke kenne ich nicht.
    Klar, du führst einen 1831 verstorbenen Mann als Monstranz vor dir her, in totalverweigernder Kenntnisnahme, dass sich bis 1914 in der Zwischenzeit die Erde weitergedreht hat, es einschneidende wirtschaftliche Erfindungen gab, politische Umbrüche, allein 1848 und 1871 in Dtl., heftige britsiche Kolonialpolitik im Empire usw. Ich halte deiner Art der "Argumentation" für absolut unseriös und der Thematik für unwürdig. Böse deutsche Fratze auf der einen Seite und kein einziges Wort über britische Imperialpolitik auf der anderen Seite.
    "Um zu lernen, wer über dich herrscht, finde einfach heraus, wen du nicht kritisieren darfst."Voltaire (1694-1778

+ Auf Thema antworten

Aktive Benutzer

Aktive Benutzer

Aktive Benutzer in diesem Thema: 1 (Registrierte Benutzer: 0, Gäste: 1)

Ähnliche Themen

  1. Für Deutschland endet erst 2010 der Erste Weltkrieg.
    Von Alfred im Forum Geschichte / Hintergründe
    Antworten: 6
    Letzter Beitrag: 06.12.2009, 22:17
  2. Vor 90 Jahren brach der erste Weltkrieg aus.
    Von Roter Prolet im Forum Geschichte / Hintergründe
    Antworten: 14
    Letzter Beitrag: 01.08.2004, 12:38

Nutzer die den Thread gelesen haben : 43

Du hast keine Berechtigung, um die Liste der Namen zu sehen.

Forumregeln

  • Neue Themen erstellen: Nein
  • Themen beantworten: Nein
  • Anhänge hochladen: Nein
  • Beiträge bearbeiten: Nein
  •  
nach oben