Zunächst der Versuch einer Antwort auf Deine Eingangsfrage, was daran so schlimm ist. Die öffentliche Hand in Deutschland hat momentan etwa 1.300.000.000.000 Euro Schulden. Für diese sind Zinsen zu zahlen. Wirtschaftswachstum, daß häufig mit einer moderaten Inflation gekoppelt ist, hat dabei die Eigenschaft, daß über Steuern und Abgaben mehr Geld in die öffentliche Hand gerät, wordurch sich die Zinsen und der aktuelle Haushalt zahlen lassen - und gleichzeitig die Last der Schulden zu entwerten (durch moderate Inflation). Solange also die Wirtschaft gedeiht und vor allem der Staat an Geld kommt, sind Schulden zwar eine Last, führen aber nicht direkt ins Desaster. Wächst die Wirtschaft allerdings nicht oder schrumpft sie gar, kommt die Schuldenlast wie eine Springflut über uns. Erschwerend kommt hinzu, daß in Zeiten einer Rezession tendenziell mehr Bürger ohne Arbeit sind, die Kosten dafür muß die öffentliche Hand durch Sozialsysteme ebenfalls tragen.Dazu eine naive Frage: Gehen wir mal von einer Stagnation oder einem sehr geringem Sinken aus. Was ist daran eigentlich so schlimm? Das bedeutet ja zunächst nur, dass in diesem Land in diesem Jahr in etwa die gleiche Menge produziert wird, wie im letzten. Nun gibt es hierzulande ja eigentlich eine recht ansehliche Menge an Reichtum. Ein Halten des Niveaus wäre somit doch ausreichend - sollte man meinen. Offensichtlich aber nicht. Woran liegts?
Ergo: Stillstand ist Rückschritt.
Weiter ist eine gewisse Kapitalvermehrung in der Tat natürlich(Kapitalvermehrung als etwas unnatürliches und satanisches anzusehen war übrigens einer der Grund für massive Judenverfolgungen im Mittelalter nach der gedanklichen und völlig absurden Formel "Zinsen = Kinder, Zinseszinsen = Kindeskinder" => Juden sind also Zauberer, die mit Geld Sex treiben). Und zwar aufgrund der Tatsache, daß es zwei verschiedene Dinge sind, einen Betrag x schon jetzt zu haben oder erst in einem Jahr. Ersteres ist besser, da man das Geld jetzt schon ausgeben kann. Also ist der Betrag x heute mehr wert als in einem Jahr (Deflation einmal ausgenommen).
Viele Leute, denen Kapital generell suspekt ist (und den Eindruck habe ich bei Dir), verweisen gerne darauf, daß exponentielles Wachstum in der Natur nur in bestimmten, kurzen Zeiträumen möglich ist und sich später linearisiert, daß insofern ein fester Zinssatz und jährliches prozentuales Wirtschaftswachstum "unnatürlich" und der Pferdefuß des "Kapitalismus" sei. Das ist teilweise richtig, allerdings nur dann, wenn man nicht berücksichtigt, daß jedes Kapital dem Risiko unterliegt, massiv entwertet zu werden, wobei dieses Risiko durch einseitige Kapitalkonzentrationen natürlich steigt. In einem Land wie der Bundesrepublik, wo es allein private Sparvermögen in Höhe von deutlich über 1.000.000.000.000 Euro gibt, kann ich diese Konzentrationen allerdings keineswegs erkennen. Da zudem jährlich relativ bleibende Wertschöpfung stattfindet (z.B. Straßen- und Häuserbau; diese sind ja nächstes Jahr meist auch noch da), halte ich das System für zumindest noch eine ganze Weile stabil.
Gruß
John