Deutscher Bundestag - Wissenschaftliche Dienste (Auszug)
Die völkerrechtliche Definition von Krieg - Sachstand - (PDF-Dossier)
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1. Die völkerrechtliche Definition von „Krieg“ Der völkerrechtliche Begriff „Krieg“ im klassischen Sinne ist maßgeblich durch zwei Merkmale gekennzeichnet: Zum einen muss ein bewaffneter Kampf1 zwischen Staaten oder Staatengruppen
stattfinden; 2 zum anderen bedarf es des Eintrittes des Kriegszustandes in Form einer
Kriegserklärung oder durch das Stellen eines
Ultimatums. 3 Andere Autoren verzichten auf letzteres Merkmal und definieren Krieg als
„Gewaltmaßnahmen unter Abbruch der diplomatischen Beziehungen“.4 Über diese beiden Merkmale hinaus zieht ein Teil der Völkerrechtslehre weitere
subjektive und
objektive Definitionsmerkmale heran. Als subjektives Merkmal steht insbesondere der
Kriegsführungswille (sog. „animus belligerandi“) im Vordergrund, der von mindestens
einer Konfliktpartei entweder
ausdrücklich erklärt oder
implizit durch die Art und das Ausmaß der Feindseligkeiten deutlich werden muss.5 Als zusätzliche objektive Merkmale kommen Art und Ausmaß des Waffeneinsatzes in Betracht.6 Im Hinblick auf den Eintritt in den Kriegszustand hat sich die Staatenpraxis spätestens seit den beiden Weltkriegen entscheidend geändert.
So deklarierten einige Staaten militärische Aktionen nicht mehr als Kriege, um das
Kriegsverbot des Briand-KelloggPaktes von 1928 zu umgehen.7 Auch waren nur wenige angreifende Staaten seit dem 2. Weltkrieg dazu bereit, ihren Verstoß gegen das in Art. 2 Nr. 4 VN-Charta niedergelegte Gewaltverbot durch eine Kriegserklärung offenkundig zu machen.
8 Der förmliche Eintritt in den Krieg ist damit selten geworden.9 Seit dem 2. Weltkrieg wird der Kriegsbegriff von den Staaten in Völkerrechtsabkommen 10 und von der Völkerrechtsliteratur seltener verwendet. Stattdessen sprechen sie von
„internationalen bewaffneten Konflikten“ und
„nicht-internationalen bewaffneten Konflikten“.
Das überwiegende Schrifttum sieht „Krieg“ heute als
Unterfall des „internationalen bewaffneten Konfliktes“ an 11 oder geht sogar davon aus, dass der Kriegsbegriff durch den neuen Begriff abgelöst worden ist.12 Meng hebt hingegen die jeweils eigenständigen rechtlichen Bedeutungen der beiden Begriffe hervor.
13 Der Sammelbegriff
„internationaler bewaffneter Konflikt“ umfasst sämtliche Erscheinungsformen zwischenstaatlicher Anwendung von Waffengewalt.14 Im Unterschied zum klassischen Kriegsbegriff ist also nicht mehr erforderlich, dass die Konfliktparteien ihre Kriegsführungsabsicht kundtun.15 Ein Autor regt jedoch an, für das Vorliegen eines „bewaffneten Konfliktes“ eine bestimmte Intensität der Feindseligkeiten vorauszusetzen, um ihn damit von Kleinstkonflikten, sog. „Zwischenfällen“, zu unterscheiden.
16 Die „nicht-internationalen bewaffneten Konflikte“ (auch „interne bewaffnete Konflikte“ genannt) unterscheiden sich von den „internationalen bewaffneten Konflikten“ dadurch, dass bei ihnen eine der Konfliktparteien oder beide Konfliktparteien keine Völkerrechtssubjekte sind. Beispiele hierfür sind Bürgerkriege und Auseinandersetzungen mit nationalen Befreiungsbewegungen.17
https://www.bundestag.de/resource/bl...7-pdf-data.pdf