AW: Schöne deutsche Gedichte
Auszug aus Heines Himmelfahrt
Auch klirrt es wie ein Schlüsselbund,
Und aus einem Gitterfenster am Tor
Sankt Peters Antlitz schaut hervor.
Er spricht: »Es kommen die Vagabunde,
Zigeuner, Polacken und Lumpenhunde,
Die Tagediebe, die Hottentotten -
Sie kommen einzeln und in Rotten,
Und wollen in den Himmel hinein
Und Engel werden und selig sein.
Holla! Holla! Für Galgengesichter
Von eurer Art, für solches Gelichter
Sind nicht erbaut die himmlischen Hallen -
Ihr seid dem leidigen Satan verfallen.
Fort, fort von hier! und trollt euch schnelle
Zum schwarzen Pfuhle der ewigen Hölle.«
AW: Schöne deutsche Gedichte
Matthias Claudius, Abendlied eines Bauersmanns
Das schöne große Tag-Gestirne
Vollendet seinen Lauf;
Komm wisch den Schweiß mir von der Stirne,
Lieb Weib, und denn tisch auf!
Kannst hier nur auf der Erde decken,
Hier unterm Apfelbaum;
Da pflegt es abends gut zu schmecken,
Und ist am besten Raum.
Und rufe flugs die kleinen Gäste,
Denn hör, mich hungert’s sehr;
Bring auch den kleinen aus dem Neste
Wenn er nicht schläft, mit her.
Dem König bringt man viel zu Tische;
Er, wie die Rede geht,
Hat alle Tage Fleisch und Fische
Und Panzen und Pastet;
Und ist ein eigner Mann erlesen,
Von andrer Arbeit frei,
Der ordert ihm sein Tafelwesen
Und präsidiert dabei.
Gott lass ihm alles wohl gedeihen!
Er hat auch viel zu tun,
Und muss sich Tag und Nacht kasteien,
Dass wir in Frieden ruhn.
Und haben wir nicht Herrenfutter;
So haben wir doch Brot,
Und schöne, frische, reine Butter,
Und Milch, was denn für Not?
Das ist genug für Bauersleute,
Wir danken Gott dafür,
Und halten offne Tafel heute
Vor allen Sternen hier.
Es präsidiert bei unserm Mahle
Der Mond, so silberrein!
Und kuckt von oben in die Schale
Und tut den Segen 'nein.
Nun Kinder esset, esst mit Freuden,
Und Gott gesegn es euch!
Sieh, Mond! ich bin wohl zu beneiden,
Bin glücklich und bin reich!
AW: Schöne deutsche Gedichte
Christian Morgenstern
Draußen im weiten Krieg
ist blieben mein armer Schatz,
draußen im fremden Land,
da liegt er kalt und blass.
Lag ich doch bei ihm im Grab
in der fremden Erd!
Was tu ich hier allein
am einsamen Herd?
Stiller Mond,der in mein Fenster scheint,
hat schon jemand so
um seinen Schatz geweint?
AW: Schöne deutsche Gedichte
Hans Baumann, Der helle Tag, Lied Nr.42
Tapferes Baltenland, deine leuchtenden Felder schweigen,
stumm ist der heiße Sand, über den sich die Birken neigen.
Doch wir wissen die Feuer noch, die weit über Kurland verlohten,
sie schlagen in unseren Herzen hoch und fordern dies Land für die Toten.
Tapferes Baltenland, deine Wälder im Sturme singen,
wenn an den weißen Strand die brausenden Wellen springen.
Doch wir wissen die Feuer noch ...
Tapferes Baltenland, Rigas Türme zum Himmel ragen,
Herrgott, heb deine Hand, daß sie bald unsre Feuer tragen.
Denn wir wissen die Feuer noch ...
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Zitat:
Zitat von
Hulasebdender
Theobald Tiger
Rechts sind Bäume, links sind Bäume,
und dazwischen Zwischenräume.
In der Mitte fließt ein Bach!
Ach!
Nein, kein Bach, es ist ein Graben,
der die Recht- und Linken trennt.
Weiße Tauben, schwarze Raben.
Zitternd das Establishment... >ß´)
(Johann Wolfgang von Kroethe)
AW: Schöne deutsche Gedichte
Die Winde des Herrn von Prunzelschütz
1. Das war der Herr von Prunzelschütz
Der saß auf seinem Rittersitz
mit Mannen und Gesinde
in mitten seiner Winde.
2. Die strichen, wo er ging und stand,
vom Hosenleder übers Land
und tönten wie Gewitter.
So konnte es der Ritter !
3. Zu Augsburg einst, auf demTurnier,
bestieg er umgekehrt sein Tier,
den Kopf zum Pferdeschwanze,
und stürmte ohne Lanze.
4. Doch kurz vor dem Zusammenprall
-ein Donnerschlag - ein dumpfer Fall
Herr Prunz mit einem Furze
den Gegner bracht zum Sturze.
5. Da brach der Jubel von der Schanz.
Herr Prunzelschütz erhielt der Kranz.
Der Kaiser grüßte lachendund
und rief: „Epochemachend !“
6. Ein Jahr darauf Herr Prunzelschütz
saß froh auf seinem Rittersitz
mit Mannen und Gesinde
inmitten seiner Winde. |
7. Da kam ein Bote kreidebleich,
und meldete: „Der Feind im Reich !
Das Heer läuft um sein Leben.
Wir müssen uns ergeben.“
8. Flugs ritt Herr Prunzelschütz heran,
lupft seinen Harnisch hinten an
und lässt aus der Retorte
der Winde schlimmster Sorte.
9. Das dröhnte, donnerte und pfiff,
so dass der Feind die Flucht ergriff.
Da schrie das Volk und wollte,
dass er regieren sollte.
10. Herr Prunz indessen todesmatt,
sprach: „Gott, der uns geholfen hat,
der möge mich bewahren.“
Und ließ noch einen fahren.
11. Der letzte war’s, der schwach entfloh.
Drauf schloss für immer den Popo
Herr Prunz, der frumbe Ritter,
und alle fanden’s bitter.
12. Er ward begraben und verdarb.
Die Burg zerfiel. Doch wo er starb,
steht heute eine Linde.
Da raunen noch die Winde. |
Fritz Grasshoff
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Gertrud von den Brincken - Meine Heimat könnt ihr nicht zerstören
Meine Heimat könnt ihr nicht zerstören,
meine Heimat findet ihr nicht auf;
nicht die Birken, die nur mir gehören
an des Wiesenbaches Schlängellauf.
Nicht den Feldweg zwischen Roggenhalmen,
zwischen Himmels- und Kornblumenblau;
nicht der Kaddickfeuer braunes Qualmen
überm Brachland im Oktobergrau.
Nicht das langgezogne Lied der Flößer,
das im Dunkel immer weiter währt ...
Immer tiefer wird und immer größer
jede Liebe, die von Leid sich nährt.
Meine Heimat könnt ihr nicht entreißen,
denn sie wuchs so ganz in mich hinein,
sang und segnete mit ihrer weißen
Winterschwermut meine Seele ein.
Heimat ist nicht Hülle und Gewandung,
die man wechselt, die ein Wind zerstört --
Heimat ist ein Schicksal, -- Grund und Landung,
was uns tiefst und ohne Tod gehört. |
AW: Schöne deutsche Gedichte
Zitat:
Zitat von
Ansuz
Gertrud von den Brincken - Meine Heimat könnt ihr nicht zerstören
Meine Heimat könnt ihr nicht zerstören,
meine Heimat findet ihr nicht auf;
nicht die Birken, die nur mir gehören
an des Wiesenbaches Schlängellauf.
Nicht den Feldweg zwischen Roggenhalmen,
zwischen Himmels- und Kornblumenblau;
nicht der Kaddickfeuer braunes Qualmen
überm Brachland im Oktobergrau.
Nicht das langgezogne Lied der Flößer,
das im Dunkel immer weiter währt ...
Immer tiefer wird und immer größer
jede Liebe, die von Leid sich nährt.
Meine Heimat könnt ihr nicht entreißen,
denn sie wuchs so ganz in mich hinein,
sang und segnete mit ihrer weißen
Winterschwermut meine Seele ein.
Heimat ist nicht Hülle und Gewandung,
die man wechselt, die ein Wind zerstört --
Heimat ist ein Schicksal, -- Grund und Landung,
was uns tiefst und ohne Tod gehört. |
Sehr schönes Gedicht. Grün geht leider gerade nicht.
AW: Schöne deutsche Gedichte
Nachträglicher Abschied ...
Auf einmal und ganz unvermittelt
bleibt man stehn.
Und horcht.
Da war etwas.
Etwas ist vergangen.
(Wir sehen uns bald,
wir werden reden,
wir werden auch zusammen essen gehn.)
Es wäre Zeit gewesen,
zu hören und zu sehn.
Ich wusste, ungenau,
und hatte viel zu tun.
Elisabeth Borchers
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Gertrud von den Brincken, Herrentod 1919
Acht Knechte trieben ihren Herrn zum Sterben.
Glanzlos am Galgenberg verglomm ein Stern.
Und Schnee fiel gläsern über Schnee gleich Scherben.
Die trunknen Knechte johlten um den Herrn.
Straff schritt er in zerschlißner Sträflingsjacke,
unwandelbaren Hochmut im Gesicht.
Die Schultern trugen schwere Eisenhacke,
und seine Augen unverhülltes Licht.
Wozu die Hacke? -- -- -- Um mein Grab zu graben.
Wozu das Leuchten, Mord-umbrüllter Mann?
-- -- -- Es ist ein Dank, -- ich will ihn bei mir haben,
damit ich, -- wenn's so weit ist, -- lächeln kann ...
Mir ist von Wolken über meinem Parke
seit Kindheitsfrühen sehr viel Glück geschehn ...
Und sprich: wozu, trotz Fluch und Tod, der starke
Hochmut in dir? -- -- -- Zum Wiederauferstehn! |