Ein Schweizerbürger konnte in Brüssel mit führenden Persönlichkeiten des EU-Parlaments, des EU-Ministerrats und der EU-Kommission als Mitglied einer Schweizer Parlamentarier-Delegation ausführliche Gespräche führen. Auch über aktuelle Finanzplatz-Probleme wurde dabei diskutiert. Aus Schweizer Sicht stand die Frage im Vordergrund: Kann sich ein unabhängiger, erfolgreicher Finanzplatz Schweiz inmitten der Europäischen Union behaupten?
Verhandlungsführung ausgelagert
Natürlich wird eine solche Frage nicht direkt gestellt. Aber sie steht immer im Hintergrund. Brüsseler Gesprächspartner reagieren auf Finanzplatzfragen begütigend: Das seien Sekundärprobleme – gute Beziehungen mit der Schweiz seien Brüssel so wichtig, dass man zu diesem «kleineren Problem» schon Lösungen finden werde, die beide Seiten zu befriedigen vermöchten.
Bald wird klar: Die Freundlichkeiten, mit denen die Schweizer bezüglich Finanzplatz-Fragen abgefertigt werden, beruhen auf einer ganz bestimmten Verhandlungsmethode. Brüssel bezeichnet diese Probleme als zweitrangig und äussert dazu lauter Nettigkeiten, weil die EU diese brisanten Fragen an eine andere Ebene «ausgelagert» hat. Nicht EU-Gremien setzen die Schweiz unter Druck. Die Druckausübung, von Brüssel massiv gefördert, erfolgt via OECD und G20, wo die EU über genügend Gewicht zu verfügen glaubt, ihre Interessen gegen die Schweiz durchzusetzen – zumal sie mit den USA am gleichen Strick zieht.
G20 und OECD können Druck gegen die Schweiz weit wirksamer und skrupelloser entfalten als Brüssel selbst. Weil OECD und G20 reine Interessenverbände, reine Machtgebilde sind, die unbehindert von parlamentarischen und andern Mitgliedschafts-Strukturen ihre Macht gegen kleinere Staaten voll ausspielen können. Da verhandeln nicht gleichgewichtige Partner – da setzen die Grossen ihre Macht skrupellos durch.
Brüssel baut vordergründig eine Kulisse der Freundlichkeiten gegen die Schweiz auf. Hinter dieser Kulisse instruiert sie ihre Unterhändler in G20 und OECD, wie die Schweiz als noch immer reiches Land so in den Schwitzkasten genommen werden kann, dass ein Hauptteil ihres Reichtums Brüssel zufällt. Es geht nur um Geld. Es wird ein Raubzug geplant auf in der Schweiz erarbeitetes und angelegtes Geld.
Maastricht-Kriterien
Brüssel will ans Geld der Schweizer, weil die Finanznot in fast allen Ländern der EU mit Händen zu greifen ist. Mehrere EU-Ostländer, vor zwei Jahren noch vollmundig als «Wachstumsmärkte» gepriesen, taumeln dem Staatsbankrott entgegen. Irland musste als faktischer Pleitier den Widerstand gegen den EU-Zentralismus aufgeben. Sieben weitere Länder vermögen ihrer exorbitanten Neuverschuldung wegen die sog. Maastricht-Kriterien nicht mehr zu erfüllen – darunter Frankreich und Deutschland, zwei EU-Grossmächte. Italiens Verschuldung sprengt ohnehin alle Grenzen. Grossbritannien, nicht in die Währungsunion eingebunden, scheint es etwas besser zu gehen; England ächzt aber ebenfalls unter seinen Schulden. So ist es ein gemeinsames Ziel, das gegenwärtig alle Regierungen aller EU-Grossmächte eint: Es muss mehr Geld her! Die Staatseinnahmen müssen massiv vergrössert werden. Jede erreichbare Finanzquelle muss aufgebrochen werden. Auch die Schweiz!
Steuerwettbewerb
Wo sich – wie gegenwärtig in der EU – Hochsteuerpolitik durchsetzt, wird die Absage an jeglichen Steuerwettbewerb zum prioritären Ziel. Denn Steuerwettbewerb begünstigt den Steuerzahler. Wo Steuerwettbewerb herrscht, existiert für den Steuerzahler noch Freiheit: Er kann sich dort niederlassen, er kann dort wirtschaftlich tätig werden, wo die Besteuerung noch tragbar ist. Diese Freiheit des Steuerzahlers zwingt alle Staaten zu gewisser Zurückhaltung, wollen sie ihre besten Steuerzahler nicht verlieren.
Schliessen sich indessen geldgierige Regierungen zu einem Besteuerungs-Kartell zusammen, welches gemeinsam Hochsteuerpolitik bis zum Exzess anstrebt, dann hat die Ausmerzung des Steuerwettbewerbs oberste Priorität – auf dass alle Leistungsträger zu reinen Ausbeutungs-Objekten degradiert werden können Solch masslose Ausbeutungs-Politik ist in der EU, angetrieben von ihren zutiefst verschuldeten Grossmächten, heute das alles dominierende Ziel. Die Schweiz ist dabei ein Fremdkörper, weil die Schweiz noch immer vergleichsweise günstige Steuerbedingungen für Unternehmen anbietet. Deshalb ist sie in den vergangenen Jahren zum bevorzugten Standort für Hauptsitze und Tochtersitze von Weltkonzernen geworden. Pro memoria: In der Schweiz liessen sich in den letzten rund zehn Jahren mehr amerikanische Grosskonzerne nieder als in Deutschland, Frankreich und Italien zusammengezählt. Diese Tatsache ist es, die Brüssel zum Wirtschaftskrieg gegen die Schweiz veranlasst.
Wirtschaftskrieg
Zumal die Schweiz auch für EU-Wirtschaftskonzerne äusserst attraktiv ist und bleibt; sie bleibt also der schmerzhafte freiheitliche Stachel im Fleisch der EU. Gelänge der EU dessen Entfernung nicht, dann bliebe die ganz Europa anvisierende EU-Hochsteuerpolitik Stückwerk. Das ist das Motiv, das hinter all den harschen Angriffen seitens OECD und G20 auf die Schweiz steht.
Die EU hat ihren Kampf um Ausmerzung allen Steuerwettbewerbs in Europa einfach an OECD und G20 delegiert. Die EU-Exponenten begegnen Schweizer Fragestellern entsprechend höflich und freundlich. Brüssel verniedlicht alle bestehenden Probleme, weil die EU weiss, dass OECD und G20 die EU-Interessen gegen die Schweiz mit um so mehr Härte durchsetzen.
Dringend nötig wäre, dass die Schweiz ihre Verhandlungsstrategie endlich auf dieses Doppelspiel der EU ausrichten würde. Bisher scheint es von Bern noch nicht durchschaut worden zu sein...?(