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Deutschland und Frankreich wollen mit einer überraschenden Friedensinitiative den eskalierenden Krieg im Osten der Ukraine stoppen. Der französische Staatspräsident François Hollande kündigte in Paris eine Blitzreise mit Bundeskanzlerin Angela Merkel nach Kiew noch am selben Tag und nach Moskau morgen an, um einen auf «der territorialen Integrität der Ukraine basierenden» Vorschlag zu präsentieren. «Es wird nicht gesagt werden (können), dass Frankreich und Deutschland nicht alles versucht und getan haben, um den Frieden zu erhalten», sagte Hollande. In Kiew sprach der ukrainische Präsident Petro Poroschenko beim Empfang von US-Aussenminister John Kerry von einem «sehr kritischen Moment in unserer Geschichte». Kerry sekundierte der deutsch-französischen Friedensinitiative mit der Versicherung:«Unsere Wahl ist Diplomatie.» Er ging nicht auf Überlegungen in Washington ein, in einer Abkehr von der bisherigen Linie Waffen an die Ukraine zu liefern. Poroschenko hatte zuvor mehrfach erklärt, dass er fest damit rechne. Die Ukraine brauche die Waffen, um den Vormarsch der prorussischen Rebellen seit Jahresbeginn zurückzuschlagen.
Neuer Friedensplan?
Paris und Berlin haben deutlich gemacht, dass sie in diesem von Washington ins Spiel gebrachten Kurswechsel die Gefahr einer gefährlichen Verschlechterung des Verhältnisses zwischen Nato und Russland sehen. Der Nato-Oberbefehlshaber in Europa, US-General Philip Breedlove, stimmte dem in einem AP-Interview zu:Waffenlieferungen der USAoder jeder anderen westlichen Nation könnten eine «schärfere Reaktion Russlands auslösen». Alles, was in dem Konflikt versucht werde, müsse auf eine politische Lösung zielen, sagte er der Nachrichtenagentur in Brüssel.
Aus westlichen Diplomatenkreisen verlautete, bei der deutsch-französischen Initiative handele es sich um die Überarbeitung eines neunseitigen russischen Friedensplans, den Präsident Wladimir Putin Berlin und Paris geschickt habe. Merkel und Hollande hätten die strittigsten Punkte daraus gestrichen und das Dokument ukrainischen und europäischen Forderungen angepasst. Für diese Version, die mehr Autonomie für ostukrainische Regionen und einen besonderen Schutz von Sprache und Kultur vorsehe, wollten sie in Kiew und Moskau werben.
Putins Berater Juri Uschakow sagte in Moskau, Russland sei zu einem «konstruktiven Gespräch» zur Stabilisierung der Lage und zur Herstellung eines Dialogs zwischen ukrainischer Regierung und den Rebellen bereit. Der Kreml erwarte, dass Merkel und Hollande Putins Vorschläge berücksichtigt hätten.
Erste Reise seit Beginn der Kämpfe
Die Friedensmission mit Hollande ist Merkels erste Reise nach Moskau seit Beginn der Kämpfe in der Ukraine vor einem Jahr. Regierungssprecher Steffen Seibert sagte in Berlin, die Kanzlerin und Hollande reagierten mit ihrer Initiative auf die Eskalation der Gewalt in den vergangenen Tagen. Aus Pariser Regierungskreisen verlautete, Hollande und Merkel hätten die Reise am Mittwochabend beschlossen und Washington vor der öffentlichen Bekanntgabe nicht konsultiert.
Von Jahresbeginn an ist eine im September vereinbarte, aber nie konsequent eingehaltene Waffenruhe von schweren Kämpfen pulverisiert worden. Die prorussischen Rebellen erzielten bei Offensiven Geländegewinne, Kiew und Nato führen das auch auf russische Unterstützung in Form von Waffenlieferungen und Kämpfern zurück. Moskau dementiert das.
Die Bemühungen zur Lösung der Ukraine-Krise werden auch die dreitägige Münchener Sicherheitskonferenz prägen, die morgen beginnt. Der scheidende US-Verteidigungsminister Chuck Hagel und Vizepräsident Joe Biden werden dort von Nato-Beratungen in Brüssel kommend erwartet, ebenso Kerry. Treffen mit Poroschenko sind in München geplant. Kerry wird dort auch seinen russischen Amtskollegen Sergej Lawrow treffen. (pst/AFP/AP)