Ein verlorener Kampf
Sie sind die offiziellen Herrscher der Unterwelt. Deutschlands mächtigste Paten haben ihre Städte fest im Griff
von Britta Stuff
Um 19 Uhr geht alles ganz schnell. Die Beamten des Sondereinsatzkommandos drücken den Kopf fest auf den Straßenbelag, Handschellen klicken. Mahmoud Al-Zein, der "Präsident" und "Pate von Berlin", ist gefaßt. Eigentlich ein Grund zum Aufatmen. Und auch die Statistik schafft ein Gefühl der Sicherheit. Bevor der Bericht "Bundeslagebild Organisierte Kriminalität 2004" veröffentlich wird, will diesmal Innenminister Otto Schily die Zahlen sehen. Er wird wohl von einem erfolgreichen Kampf gegen die organisierte Kriminalität (OK) sprechen, denn die offiziellen Zahlen werden gesunken sein. Mal wieder. Dabei sagt diese Statistik wenig aus. Denn hier werden nur Verurteilungen vor Gericht ausgewertet. Und vor Gericht kommen nur die wenigsten Paten.
Paten zu knacken bedeutet nicht nur politischen Ärger, sondern langfristige und teure Ermittlungen. Und das bedeutet Geduld und Geld. Viel Geld. Angesichts der Kürzungen bei Polizei und Staatsanwaltschaft fehlt das. Immer weniger Beamte ermitteln überhaupt noch gegen OK-Köpfe, teilweise herrscht völlige Unkenntnis über die neuen strategischen Bündnisse im kriminellen Milieu.
Dabei haben sich die Paten und ihre Clans in Deutschland längst eingenistet und operieren immer dreister. Es sind nicht nur die deutschen Banden wie die Hells Angels, die sich derzeit in Norddeutschland ausbreiten, sondern auch immer mehr Banden und kriminelle Clans aus Osteuropa. Ihr Netz ist flächendeckend und wird von außen gespeist. Ihre neue Qualität ist, daß sie über enge Kontakte zur politischen Elite in ihren Heimatländern verfügen, wie zum Beispiel russische Gruppen oder die kriminellen Clans aus dem Balkan. Und die dortige Justiz - abhängig von der politischen Führung - hält ihre Hände schützend über die Kriminellen.
Organisierte Kriminalität kann nicht bekämpft werden, sagen übereinstimmend alle damit befaßten deutschen Ermittler, ob bei der Polizei oder dem Zoll. Und so bleibt nach den vielen kleinen Scheinsiegen in der letzten Zeit ein bitterer Nachgeschmack. Nicht nur neue Paten kommen nach, sondern auch die alten Paten werden weiterhin Paten bleiben.
Artikel erschienen am 8. Mai 2005
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Die Bürger können beruhigt sein: demnächst wird Schily verkünden, daß es in Deutschland keine OK gibt.