Historische Entscheidung: Bundestag stimmt der EU-Verfassung zu
Mit überwältigender Mehrheit hat der Bundestag dem Verfassungsvertrag der Europäischen Union zugestimmt. Für die EU-Verfassung votierten in namentlicher Abstimmung 569 Abgeordnete. Dagegen stimmten 23 Parlamentarier und zwei enthielten sich.
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Zuvor hatte Bundeskanzler Gerhard Schröder von den Abgeordneten des Bundestages ein klares Bekenntnis zur EU-Verfassung verlangt. "Wer mehr Demokratie will in Europa, muss für diese Verfassung stimmen", sagte Schröder in einer Regierungserklärung. Durch die Verfassung werde die Europäische Union entscheidungsfähiger und bleibe zugleich politisch führbar.
Mit Blick auf Bedenken gegen die Verfassung im Bundestag sprach Schröder von einer historischen Entscheidung für Europa. Sie erfülle nicht alle Hoffnungen und banne nicht alle Ängste. "Aber: Der Verfassungstext ist ein sehr guter und fairer Kompromiss." Durch die Verfassung werde die Europäische Union demokratischer und auch bürgernäher.
Fischer: Mehr Rechte für die Bürger
Wer Frieden wolle, müsse Ja sagen zu einem erweiterten Europa und zur EU-Verfassung, sagte Außenminister Joschka Fischer vor der Abstimmung. Die Verfassung bedeute mehr Demokratie und Solidarität in Europa. Mehr Rechte führten auch zu mehr Verantwortung der Bürger, sagte Fischer.
SPD-Partei- und Fraktionschef Franz Müntefering nannte die EU-Verfassung einen "Kompass" für das Zusammenleben der europäischen Völker. Eine Verfassung zu beschließen heiße, "Grundwerte zu benennen und sich Regeln zu geben", sagte Müntefering.
Zustimmung auch von Union
Auch CDU-Chefin Angela Merkel würdigte die EU-Verfassung als "historischen Schritt". "Europa als Friedens- und Wertegemeinschaft zu stärken - dazu gibt es für uns keine Alternative", sagte sie. Auch die zuvor angekündigten Gegenstimmen aus der Union stellten das Bekenntnis von CDU und CSU zur Verfassung nicht in Frage.
Merkel und Stoiber auch mit Kritik
Aus Sicht von CSU-Chef Edmund Stoiber ist die Verfassung ein gewaltiger Fortschritt auf dem Weg zur europäischen Einigung. "Dazu gibt es keine Alternative", sagte er. Der Verfassungsvertrag entspreche zwar nicht in allen Punkten den Vorstellungen der Union, doch sei die "historische Dimension" unbestritten.
Merkel und Stoiber übten auch Kritik: Sie bemängelten den fehlenden Gottesbezug in der Verfassung. Dieser hätte zu einer besseren Erkennbarkeit der Identität Europas beigetragen, sagte Merkel. Denn klar sei: Ohne eine Bestimmung der geschichtlichen Wurzeln werde der interkulturelle Dialog schwieriger. Zugleich machten sowohl Merkel als auch Stoiber ihre Skepsis gegenüber einem Beitritt der Türkei zur EU deutlich und warnten vor einer Überforderung der Aufnahmefähigkeit der Union.
Votum des Bundesrats am 27. Mai
Das Votum des Bundestags ist der erste Teil der Ratifizierung, die mit der Zustimmung des Bundesrats am 27. Mai abgeschlossen werden soll. Auch dort wird mit der erforderlichen Zwei-Drittel-Mehrheit gerechnet.
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