[Links nur für registrierte Nutzer]Kriegsschuldfrage mit hohem ideologischem Stellenwert
Dieser BVerfG-Beschluß hat eine lange Vorgeschichte. Udo Walendy, am Berliner Otto-Suhr-Institut diplomierter Politologe, NPD-Aktivist, vom Grass-Jahrgang 1927, und somit 1944/45 noch im Fronteinsatz, meinte seine Reichsverteidigung als westdeutscher Publizist unblutig fortsetzen zu müssen und veröffentlichte 1964 seine kaum mehrheitsfähigen Ansichten über die Kriegsschuld von 1939 unter dem Titel „Wahrheit für Deutschland“. 1976 erreichte die Zitatensammlung eine dritte Auflage.
Da erst fühlte sich die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften alarmiert. 1979 entschied diese Zensurstelle, das Buch auf den Index zu setzen, da es mit seiner Hauptthese, der Zweite Weltkrieg sei dem Deutschen Reich von seinen Feinden aufgezwungen worden, geeignet erscheine, pubertäre Leser „sozialethisch zu verwirren“. Walendy beschritt dagegen den steinigen Rechtsweg. Vor dem Verwaltungsgericht verlor er, vor dem Oberverwaltungsgericht obsiegte er, weil die Bundesprüfstelle nicht einmal ein Sachverständigengutachten eingeholt und quasi nach Gutherrenmanier indiziert hatte. Das Bundesverwaltungsgericht ließ den Kläger 1987 dann wieder auf Los zurückgehen, da die Berliner Juristen den Zensoren zubilligten, auch ohne fachlich-historischen Rat verbieten zu dürfen. Denn die Unrichtigkeit der Grundthese sei doch wohl „allgemeinkundig“ und folglich gar nicht „beweisbedürftig“.
Für Walendy blieb danach nur noch die Verfassungsbeschwerde, die eine Verletzung seines Grundrechts rügte, als Wissenschaftler frei forschen zu dürfen (Artikel 5, Absätze I und III des Grundgesetzes). Der seiner Beschwerde schließlich stattgebende und die Verfügung der Bundesprüfstelle aufhebende BVerfG-Beschluß, veröffentlicht im 90. Band (1994) der Karlsruher Entscheidungssammlung, ist ein Glanzstück juristischer Argumentationskunst, couragierten Richtertums, ein gewichtiger Beitrag zum Schutz der Freiheit von Wissenschaft und Forschung – und trotzdem verschwand er sang- und klanglos in der Schweigespirale.
[Links nur für registrierte Nutzer]Erst seit 1995 wieder frei erhältlich, behielten die BRD-Behörden Walendys Buch einundzwanzig Jahre auf dem Index. Und das, obwohl selbst das [Links nur für registrierte Nutzer], vertreten durch die [Links nur für registrierte Nutzer], amtlich eingestehen mußte, daß kein anderes Geschichtswerk so akribisch mit Einzeldetails umgeht, wie Walendys Buch:[Links nur für registrierte Nutzer]
Die einzelnen Darstellungen sind mit Zitaten und Quellen reichlich versehen. Sie lassen sich nicht ohne weiteres als falsch entlarven. In vielen Teilen dürften diese Details sogar richtig sein [...] Selbst wenn ein Jugendlicher ein zweites Geschichtsbuch hinzuziehen würde, würde dieses Buch vermutlich kaum helfen. Denn so akribisch, wie Walendy in seinem Werk mit Einzeldetails umgeht, ist kein anderes Geschichtsbuch angelegt. Deshalb würde im Zweifelsfall ein anderes Buch seine Thesen nicht widerlegen, sondern ihnen nur widersprechen.