Niemand ..weiß, auf welchen Wegen das Gold: nach Frankreich geschafft wird: Mit dem Flugzeug, mit dem Schiff oder — wie manche vermuten — mit U-Booten. Bekannt ist nur, daß seit Beginn dieses Jahres im Schnitt jede Woche 10 Tonnen Gold aus New York abgeschickt werden — mit der Bestimmungsadresse Bank von Frankreich.
Der Wert des größten Goldschatzes der Welt, der in den Gewölben der New York Fedtral Reserve Bank in der Nähe der Wall Street aufbewahrt wird, hat sich durch diese Lieferungen sek Januar um etwa 350 Millionen Dollar vermindert. Während die Zentralbanken der meisten europäischen Länder sich damit begnügen, das durch Umtausch von Dollar erworbene Gold einfach in die für sie reservierten Tresorräume der New Yorker Reservebank schaffen zu lassen (Deutschland etwa hält den größten Teil seines Goldbestands in Amerika), besteht die Pariser Notenbank auf Anweisung von. Finanzroinister Michel Debre auf Auslieferung der Goldbarren. De Gaulle erscheint es unerträglich, daß Frankreichs Gold „dem Zugriff einer fremden Macht preisgegeben" sein könnte.
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Wenn die USA alle diese „Schecks" tatsächlich einlösen müßten (was praktisch nahezu ausgeschlossen ist), wären sie nicht zahlungsfähig: Die Goldreserven der USA sind nur noch halb so groß wie ihre Dollaraußenstände.
...nimmt Washington heute die Herausforderung sehr ernst. Immerhin hat de Gaulle erreicht, daß die amerikanischen Goldreserven auf ihren niedrigsten Stand seit 28 Jahren gesunken sind.
Paris begann mit seiner Tauschakten. „Gold stattDollar" wenige Tage nach de Gaulies Ankündigung im Februar 1965. Zunächst ging man dazu über, neu zufließende Dollar sofort in Gold umzuwechseln. Später wurde dann der Goldanteil an den Währungsreserven erhöht. Ende 1964 hatte Frankreich nur 73 Prozent seiner gesamten Währungsreserven in Gold angelegt, im Sommer dieses Jahres dagegen bereits 86 Prozent. Die hohen Überschüsse in der französischen Zahlungsbilanz (1965 rund 3,6 Milliarden Mark) ließen den Goldschatz rasch wachsen. Allein im vergangenen Jahr tauschte Frankreich in New York 874 Millionen Dollar in Gold um — und war damit für mehr als die Hälfte des gesamten Goldverlustes der USA verantwortlich.
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Frankreich hält seinen europäischen Partnern vor, daß sie durch ihr Stillhalten gegenüber dem Dollar den „Ausverkauf" ihrer Schlüsselindustrien an die Amerikaner überhaupt erst ermöglichen. „Allein die Bundesrepublik wäre in der Lage, etwa 1,5 Milliarden Dollar in Gold umzuwechseln — wenn die Deutschen das getan hätten, dann würde uns heute noch Bull und Euch noch die DEA gehören", lautet ein Argument in Paris. Ohne Zweifel müßten bei einer harten Politik der europäischen Notenbanken gegenüber dem Dollar die amerikanischen Investitionen drastisch gekürzt werden.
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Der frühere französische Finanzminister Giscard d'Estaing, der wie die meisten Experten seines Landes de Gaultes Währungspolitik unerstützt, hat denn auch erklärt, auf die Dauer könne nur eine gemeinsame europäische Währung die Gleichberechtigung mit dem Dollar erreichen. In der Tat wäre ein EWG-Taler bereits heute die härteste Währung der Welt: abgesichert durch Gold und Devisen im Wert von 22 Milliarden Dollar. Nur bleibt, die Frage: Ist dem General im Elysee der Preis für einen Sieg über den Dollar nicht zu hoch, wenn er dafür seinen „souveränen Franc" opfern und ihn in einer supranationalen Währung aufgehen lassen müßte?