Als Bodo Ramelow sich Zeit für ein Gespräch mit der Jüdischen Allgemeinen nimmt, kommt er gerade aus einem christlichen Gottesdienst. Der 58-Jährige ist als praktizierender Protestant in seiner eher dem Atheismus zugewandten Partei ein Exot. Der frühere Gewerkschaftssekretär hält den Religionsfeinden in der Linken die jüdischen Wurzeln der Arbeiterbewegung entgegen: »Ich finde es sehr seltsam, dass manch einer bei uns vergisst, wie viel jüdischer Anteil, aus der gesamten jüdischen Philosophie und Theologie, zum Beispiel im Marxismus steckt.«
Heftig kritisierte Ramelow seine Genossen auch, als bei einer von der Linken mitorganisierten Gaza-Kundgebung in Essen in diesem Sommer antisemitische Parolen skandiert wurden. Als Linke habe man die Pflicht, »als Konsequenz aus der Vernichtung und den Konzentrationslagern«, dafür zu sorgen, dass Juden in Deutschland nie wieder in Angst leben müssen.
»Jenseits von parteipolitischer Logik und Wahlkampfhickhack gibt es eine hohe Verantwortung«, sagt Ramelow mit Blick auf den Brandanschlag auf die Erfurter Synagoge 2000
und die aus Thüringen stammende Terrororganisation »NSU«. Als die NPD vor Moscheen demonstrieren wollte, habe sich die Linke Seite an Seite mit der Jüdischen Landesgemeinde, den christlichen Kirchen und allen damals im Landtag vertretenen Parteien schützend vor die bedrohten Gebäude gestellt. Mit der amtierenden Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht (CDU) arbeitete Ramelow als Oppositionsführer zusammen, um einen Lehrstuhl für Jüdische Theologie einzurichten. Daraus ging letztendlich das Potsdamer Abraham Geiger Kolleg (AGK) hervor, das Lieberknecht und er gerne nach Thüringen geholt hätten. 2013 verlieh ihm das AGK die Abraham-Geiger-Plakette.