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Thema: Evolution

  1. #281
    SchwanzusLongusGermanicus Benutzerbild von ABAS
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    Standard AW: Evolution

    Grundlagenwissen:

    Die Evolution der Kooperation (Auszug / Beitrag gekuerzt)

    Definition des Problems

    Alle Situationen, in denen sich 2 Spieler (Partner oder Gegenspieler) für oder gegen Kooperation entscheiden können, lassen sich in eine der folgenden 3 Kategorien einordnen:

    Nullsummenspiele: Die Gewinne (Vorteile) des einen Spieler sind immer die Verluste (Nachteile) des anderen Spielers. Deshalb besteht keinerlei Veranlassung für eine Kooperation.(das Beispiel Falke und Taube ist ursprünglich ein Nullsummenspiel, das durch willkürliche Sanktionen in ein scheinbares Gefangenendilemma umgewandelt wurde, ein scheinbarer Kooperationsgewinn der Tauben kommt aber nur durch das Vorhandensein von Falken zustande).

    Kooperation: bringt für keinen der Spieler Nachteile, sondern immer nur Vorteile. Deshalb besteht keine Veranlassung, nicht zu kooperieren.

    Gefangenendilemma: Kooperation bringt für beide Spieler Vorteile. Wenn ein Spieler aber versucht, zu kooperieren und der andere lehnt ab (defektiert), so hat ersterer Nachteile, weil er ausgebeutet werden kann. Diese Situation ist die übliche, die immer wieder im Leben eintritt. Ob in dieser Situation eine Kooperation zustande kommt oder nicht, hängt vom Verhältnis der möglichen Gewinne und Verluste jedes einzelnen Spielers ab. Das sog. Gefangenendilemma besteht nur, wenn die Gewinne und Verluste jedes Spielers unabhängig von denen des anderen und in beliebigen Maßstäben gemessen in der Reihenfolge T>R>P>S liegen und wenn T+S<2R gilt. Dabei ist T - der Gewinn, der erzielt wird, wenn der Spieler den anderen ausbeutet R - der Gewinn, den der Spieler bei gelungener Kooperation erzielt P - der Gewinn, den der Spieler hat, wenn beide Spieler Kooperation ablehnen (defektieren) S - der Gewinn, den der Spieler noch hat, wenn er Kooperation versucht, aber ausgebeutet wird Axelrod untersucht im Einzelnen, unter welchen Umständen im Gefangenendilemma Kooperationen zustande kommen, wenn Absprachen, Versprechungen und Drohungen egoistischer Spieler entweder nicht mit Hilfe einer übergeordneten Instanz durchgesetzt werden können oder bereits in den Gewinnfestsetzungen berücksichtigt sind.

    Wesentlich für die Wahl der aussichtsreichsten Spielstrategien oder Entscheidungsregeln ist dabei, ob die Spieler nur einmal zusammentreffen oder immer wieder Gelegenheit zur Kooperation haben. Zukünftige Gewinnerwartungen werden dabei von mal zu mal durch einen Diskontparameter 0<w<1 abgewertet, der die Wichtigkeit der Zukunft widerspiegelt. Die erzielbaren Gewinne werden dadurch von mal zu mal um den Faktor w kleiner bewertet.

    Aus den Untersuchungen ergeben sich Regeln für die Auswahl aussichtsreicher Strategien in Abhängigkeit von den vorliegenden Parametern oder auch Empfehlungen für die Vorgabe geeigneter Parameter, wenn man spontane Kooperation begünstigen oder verhindern will.

    Theoreme und Auswahlregeln für Strategien

    Axelrod veranstaltete Computerturniere mit zahlreichen, voneinander unabhängigen, von verschiedenen Experten der Spieltheorie ausgearbeiteten Spielprogrammen, die sich jeweils bemühten, aussichtsreiche Spielstrategien zum Einsatz zu bringen. Es spielten in den Turnieren jeweils 2 Strategien eine größere Anzahl von Runden gegeneinander und erzielten aufsummierte Gewinne. Aus der Analyse dieser Turniere ergaben sich Theoreme, die anschließend auch theoretisch bewiesen werden und auf andere Probleme angewandt werden konnten.

    Evolution der Kooperationsstrategien

    Unter der Voraussetzung, dass jeweils die Strategien mit den niedrigsten Gesamtgewinnen aus den weiteren Wettbewerben ausscheiden, beobachtet man eine zeitliche Entwicklung der Strategietypen. In Übereinstimmung mit den Theoremen scheiden zunächst die böswilligen wie IMMERD und ähnliche aus, die immer wieder versuchen, die anderen Partner auszubeuten und selten Kooperation anbieten.

    Alle freundlichen Strategien, die im ersten Zug Kooperation anbieten, erzielen zunächst gute Gewinne und sind in der Lage, in die böswilligen einzudringen, was umgekehrt nicht der Fall ist. Am Ende bleibt das freundliche Programm TITFORTAT übrig, das zwar nicht gegen alle böswilligen einzeln gute Gewinne bringt, am Ende aber übrig bleibt, weil die böswilligsten frühzeitig von den übrigen ausgemerzt werden.

    Als generelle Schlußfolgerung bleibt übrig, dass Kooperation sich selbstorganisatorisch entwickelt, wenn die Bedingungen des iterierten Gefangenendilemmas vorliegen und das Gewicht der Zukunft der Kooperation hinreichend groß ist.

    Selbst wenn am Anfang die Strategie des IMMERD vorherrscht, entwickelt sich die Strategie des TITFORTAT und verdrängt IMMERD, vorausgesetzt, es sind auch zu Beginn wenigstens einige freundliche Strategien überhaupt vorhanden. Wie bei jeder echten Evolution ist diese Entwicklung irreversibel. Der Erfolg von TITFORTAT beruht darauf, daß es leicht durchschaubar ist und Kooperation hervorlockt, nicht darauf das es andere Strategien besiegt. Selbst kann es im Grunde nur dadurch besiegt werden, dass der Gegenspieler in einem Zuge einen so vernichtenden Schlag ausführt, dass die Kooperation durch Kampfunfähigkeit, Bankrott oder Tod abrupt endet.

    Anwendungsbeispiele

    Vorausgesetzt es liegen die Bedingungen des Gefangenendilemmas vor, so entwickelt sich Kooperation auf allen Gebieten, wo sich die Partner gegenseitig kennenlernen und langfristig kooperieren können, unabhängig davon, ob die zeitliche Kopplung durch Voraussicht oder genetisch, rational oder emotional erfolgt. Selbst Feinde können kooperieren, ohne ihre prinzipielle Feindschaft aufzugeben. Axelrod untersuchte folgende Beispiele:

    * Kooperation der sich im Stellungskampf des ersten Weltkriegs feindlich längere Zeit gegenüberliegenden Fronteinheiten zur Verminderung der gegenseitigen Verluste

    * Internationale Beziehungen wie Rüstungsbeschränkungen und gegenseitige Kernwaffenbedrohung der Weltmächte

    * Die Kooperationsbereitschaft der amerikanischen Abgeordneten ist bei höheren Chancen ihrer Wiederwahl größer.

    * Symbiosen von Bakterien, Pilzen Algen, Insekten und Pflanzen.

    * Bildung von Familienverbänden und Rudeln bei den höheren Tieren

    * Horden und Herdenbildung der Primaten

    * Bildung der Stammesverbände der Hominiden

    Vorschläge zur Förderung von Kooperation

    * Sei nicht neidisch – Kooperation lohnt sich auch, wenn die Partner unterschiedlich hohe Gewinne erzielen

    * Defektiere nicht als erster

    * Erwidere sowohl Kooperation als auch Defektion

    * Sei nicht zu raffiniert, damit der Partner deine Taktik erkennen kann

    * Erhöhe das Gewicht der Zukunft, kooperiere nicht mit zu vielen, damit die Anzahl der Kooperationen mit jedem einzelnen Partner sich erhöht.

    * Durch Sanktionen können die Parameter T, R, P und S in ein solches Verhältnis gebracht werden, dass sich Kooperationen besser entwickeln können

    * Verbreite die Erkenntnisse über die zu bevorzugenden Strategien

    * Erinnere Verhaltensweisen des Kooperationspartners aus der Vergangenheit

    Sozialstruktur der Kooperation

    Etikettierung durch die Annahme äußerlicher Merkmale innerhalb einer Gruppe wird die Kooperation zwischen Mitgliedern der eigenen Gruppe erleichtert und zwischen Mitgliedern unterschiedlicher Gruppen erschwert. Kleinere Gruppen werden dadurch gegenüber größeren Gruppen benachteiligt. Das gleiche gilt für in der sozialen Hierarchie niedriger eingeordnete Gruppen.

    Reputation ist der Versuch, dem Gegenspieler im Voraus das Verfolgen einer bestimmten Strategie zu vermitteln. Wegen vieler möglicher Arten darauf zu reagieren ist der Erfolg meist nur gering.

    Regierungen
    können durch Sanktionen die Kooperationsbereitschaft der Regierten erhöhen.

    Territoriale und Nachbarschaftsbeziehungen führen dazu, dass sich Strategien in einzelnen Bereichen schnell ausbreiten und bereichsweise unterschiedlich stabilisieren, ohne dass die grundlegenden Theoreme sich verändern.

    Schlußfolgerungen für die Gestaltung sozialer Beziehungen

    In einem Nachwort untersuchen die deutschen Übersetzer des Buches in einer strategischen Analyse problematischer Situationen die Frage, ob die aus zweiseitigen Kooperationen abgeleiteten Theoreme als Spezialfälle einer mehrseitigen Kooperation betrachtet werden können. Es gelingt ihnen zu nachzuweisen, dass die Grundaussagen der Theoreme auch für eine mehrseitige Kooperation gültig bleiben, wenn die Grundbegriffe und Grundparameter dem mehrseitigen Problem angemessen neu definiert werden.

    Demzufolge fördern folgende Bedingungen in problematischen Situationen, die dem Gefangenendilemma entsprechen, die selbstorganisatorische Kooperation:

    * die Verfügbarkeit freundlicher Strategien ähnlich wie TITFORTAT

    * Hohe Diskontparameter w (hohe Stabilitätserwartungen, hohes Gewicht der Zukunft)

    * Niedrige Anreize zur Ausbeutung anderer T-P

    * Hohe Konflikt- (R-S) und niedrige Kooperationskosten (T-R)

    * Verhandlungs- und Koordinationsbereitschaft

    Die TITFORTAT analoge Strategie für mehrere Spieler lautet dann:

    Kooperation im ersten Zug, in den weiteren Zügen Kooperation, wenn alle im vorangegangen Zug kooperiert haben, sobald jedoch wenigstens einer defektiert hat, im nächsten Zug ebenfals Defektion. Diese Strategie verfügt über einen kollektiven Sanktionsmechanismus, der bewirkt, dass bei Verhandlungs- und Koordinationsbereitschaft ihr Umkippen in die für alle ungünstigere Strategie IMMERD durch einen unkooperativen Partner verhindert werden kann. Diese Strategie ist im gleichen Sinne kollektiv stabil wie im zweiseitigen Problem. Entscheidend ist das Gewicht der Zukunft w. Ist w zu klein, so wird IMMERD die kollektiv stabile Strategie.

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  2. #282
    FREIGEIST Benutzerbild von Ingeborg
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    Standard AW: Evolution


  3. #283
    SchwanzusLongusGermanicus Benutzerbild von ABAS
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    Standard AW: Evolution

    Dossiers als gratis PDF Downloads:
    Axelrod-Simulation

    Wenn wir alle Egoisten sind – wie Biologie und Ökonomie behaupten – wie kommt dann soziale Kooperation in die Welt?

    Kann Kooperation vielleicht ohne vorgegebene Instanzen wie Moral und Gesetz von selbst entstehen – in einem quasi evolutionären Prozess?

    Wie aber wäre das möglich – schließlich erscheint selbstsüchtiges Verhalten doch immer gewinnbringender als Kooperation?

    Der Sozialwissenschaftler Robert Axelrod hat diese Fragen mit Hilfe des Gefangenendilemmas und eines Computerturnier erforscht. Dieser
    populärwissenschaftliche Beitrag fasst Axelrods Ergebnisse zusammen, stellt einige
    zentrale Strategien vor und zeigt, wie sie programmiertechnisch umgesetzt werden.

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    Evolution, Koevolution, Kooperation, Netzwerke

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    Evolution von Kooperation und Altruismus

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    [Links nur für registrierte Nutzer]
    Die Wirkung innovationsorientierter Kooperationsnetzwerke auf den Innovationserfolg
    Eine empirische Untersuchung auf Basis des Competence-Based View und des Relational View


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    Zur Evolution sozialer Netzwerke - theoretische Implikationen einer akteursbasierten Methode

    Link zum PDF download

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