Erich währt am längsten
Torsten Harmsen
Kürzlich hat Spiegel online einen Wettbewerb veranstaltet. Es ging um die schlimmsten "Nervsprech"-Floskeln, also Dinge wie Tschüssikowski, Schankedön, herzlichen Glühstrumpf, Stück mal'n rück!, alles Klärchen, Schlepptop, an und Pfirsich, fit im Schritt - und so weiter. Manche Menschen sind wahre Nervsprech-Maschinen. Und man glaubt es kaum: Fünfzehn Jahre nach der Einheit las man auch wieder mal den Satz: Da bleibt uns nichts Walter Ulbricht. Moment mal, seit wann ist denn das neu? Ulbricht ist seit fast 32 Jahren tot. Aber wenn man schon glaubt, diesen DDR-Nervsprech-Sack aufmachen zu müssen, dann sollte man das auch richtig tun. Nur die Harten komm' in' Garten! Schließlich gibt es aus jener Zeit viele schöne Sprüche, wie etwa: Walter schützt vor Torheit nicht. Stoph bleibt Stoph. Erich währt am längsten.
Alles schreit nach einer Bewahrung dieser wertvollen Epoche deutscher Sprachgeschichte. Etwa mit folgendem DDR-Alltagsmonolog:
"Neulich musste ick mal'n Tach lang nich rabotten jehn. Bin ick mit meine Rennpappe von Oberschweineöde nach Hohenschöngrünkohl jegurkt, mir die Arbeiterschließfächer angucken. Flitzt mir da so'n Radfahrer vor'n Kühler. Hab'n ursten Schreck jekriegt. Hat janz schön jesplittert. Naja, ick hätte ooch lieber 'n richtjet Auto. Aber da musste warten, biste schwarz wirst. Wie sacht man so schön: Einzahl heißt Wartburg, Mehrzahl Warte-Bürger! So isset ebend: Theorie ist Marx, Praxis Murx. Der Drahtesel war völlig im Eimer. Is ja bloß Trompetenblech. Wer Mifa fährt, fährt nie vakehrt, weil Mifa überhaupt nich fährt! Der Radler war sauer. Hätt' ma beinah uffgerissen wie'n Westpaket.
Ick bin dann janz schnell inne Stadt jefahrn, wollte mich im Neu-Deli eindecken, aber ick hatte nich jenuch Alu-Chips dabei. Bin ick wieder nach Hause, von een Saftladen zum nächsten. Hatten nur Kuba-Appelsinen, Muckefuck und Malfa-Kraftma-Brot. Jaja, alle vier Wochen mal vakraftma ditt Brot. Ick würde ooch lieber in Interschock einkaufen jehn, aber ick habe keine blauen Fliesen. Und frag' mich jaa nich: Forum geht's? Forum-Schecks hab ick ooch nich.
Mein Neffe kommt übrigens jetz zur Asche. Ins Land der drei Meere: Sandmeer, Waldmeer, nix mehr. Dabei war der gerade dabei, den Ehekredit abzukindern. Is urst sauer und sieht schon jetzt aus wie eener von die Freunde, mit Radkästen über'n Ohren. Hat'n ursten Zappen. Nun muss er auch mit der Mumpelspritze rumrennen. Zu essen jib's da nur Tote Oma, zu trinken Hängolin-Tee. Und wenn's zum Tag der Bereifung denn mal 'n Broiler jibt, dann nur mit Plörre aus dem RGW-Saucen-Verbundnetz. Willst'n Pils? Wat, schmeckt nich? Na, ick weeß: Bautz'ner Biere - trinkst eins, pullst viere! Hätt' ooch gern een andret. - Nadu, naja, na Radeberger! - Nix für unjut! Prostata!
Neulich hat mich mein Chef anjepflaumt. So'n Bonze von der Einheizpartei, total rotlichtbestrahlt. Weil ick rumjebummelt hätte. Dit jib's in keinem Russenfilm! Er hat jebrüllt: Wir sind hier nicht auf der Fritz Heckert! Naja, ick sach immer: Lieber mit der Sekretärin Brust an Brust, als mit dem Parteisekretär Schulter an Schulter! Wissen ist Macht, nischt wissen macht nix. Spare mit jedem Gramm Material und jeder Mark - koste es, was es wolle! Der Letzte macht's Licht aus.
Ich glaube, mein Chef ist beim Konsum. Nich wat du denkst. Nich bei Kauft-ohne-nachzudenken-schnell-unsern-Mist. Nee: bei der Firma, bei Horch & Guck. Jenau weeß ick det nich, man steckt ja nich drin. Aber wenn de nich aufpasst, dürfste am Ende noch jesiebte Luft atmen. Kannste een druff lassen. Musste ebend lernen, die Klappe nich so uffzureißen."