Ich war ja selbst mal ein Linker, in meiner Jugend.
Aber ich habe schnell gemerkt, daß die Welt komplexer ist, daß sie dynamisch ist, ein sich stetig veränderndes System. Alles ist im Fluss. Es gibt eine Dialektik der Geschehnisse, die wie Stoß und Gegenstoß ein ewiges Ungleichgewicht als Motor aller Entwicklung ermöglicht.
Daher sind die Heilsversprechen der Linken abzulehnen, wenn sie auch mit ihrer Kritik an Verhältnissen ein notwendiger Bestandteil der Veränderung sind.
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"Groß ist die Wahrheit, und sie behält den Sieg" (3. Esra)
Es fragt sich, ob man den "Abtrünnigen" in der Art der Schröders, Brodes, Fischers und wie sie alle heißen mögen, überhaupt eine Träne nachweinen oder viele Zeilen widmen sollten. Was immer bei den Genossen im Argen liegen mag, bringt intelligente Menschen dazu, sich zurück zu ziehen oder innerhalb der Linken anders zu positionieren. Eine schlechte rote Ideologie gegen eine möglicherweise noch schlechtere gelbe oder braune Ideologie zu tauschen halte ich für keine sinnvolle oder ehrliche Reaktion auf Missstände innerhalb der Linken.
Strafverschärfend kommt für mich hinzu, dass der Druck der Linken sowohl in ihrer harten, autoritären Ostblock-Variante als auch in der westlichen, demokratischen Soft-Variante viel dazu beigetragen hat, das bürgerlich-kapitalistische System vor sich selbst zu schützen. Seit dem Zusammenbruch des Faschismus 1945 hat der Wind, den die Linken da machten, das bürgerliche System eher auf einem vernünftigen Kurs gehalten und sogar voran getrieben denn in den Abgrund.
Jetzt schwindet die Linke und mit ihr der Druck, der das bürgerliche System stabilisierte. Und die Freunde des bürgerlichen Systems feiern - den Anfang ihres Endes
Ich habe auch wenig im Sinn mit eindimensionalen, holistischen Konzepten in der Art von all umfassendem "Sozialismus" oder einem naiven Fortschrittsglauben. Andererseits hat ein komplexes und sich wandelndes mannigfaltiges System nur einen Sinn, wenn es da materiell und geistig aufwärts geht. Als ewiges "auf-der-Stelle-treten" ist die Welt ein schlechter Witz, wo man gleich den Stecker ziehen kann. Deswegen definiere ich mich nach wie vor als "links".
Als diese drei geistigen Strömungen in der BRD ungefähr gleich stark und in einem - wenn auch konfliktreichen - Gleichgewicht waren, ging es den Menschen hier am besten. Das war so die Zeit von den 1960ern bis in die 80er oder 90er Jahre. Je mehr sich aber eine "politische Mitte" breit machte und sowohl die Konservativen wie die Linken und nicht zu vergessen die Bürgerrechts-Liberalen rausmobbte, desto mehr ging es bergab. Wenn ein Herr Schröder da die "neue Mitte" propagiert, eine Frau Merkel kräht "wo wir stehen ist die Mitte" und von Westerwelle das Echo kommt "Merkels Mitte ist mir zu links", dann sind das im Grunde drei Grabreden auf ein ehemals erfolgreiches System.
Betrachten wir die letzten 150 Jahre oder auch nur die letzten 10 Jahre.
Hat sich da nicht unglaublich viel verändert, in Richtung Fortschritt?
Wer mit offenen Augen durch die Welt geht, sieht, daß wir keine Ideologien benötigen, um die Welt zu ändern und in Richtung einer Anpassung auszurichten, sondern, daß sie sich selbst ändert, Tag für Tag, durch individuelles Handeln und unvorhersehbare Ereignsse.
Kräfte entstehen, Kräfte vergehen, sie bilden Potenziale, die sich aufschaukeln und wieder kollabieren.
In diesem Sinne muss man sich frei machen von allen Träumereien und Verheissungen sondern sich auf diese Kräfte einstellen und sie realistisch betrachten. Wissenschaftliche Analyse dieser Kräfte steht vor der aktionistischen Veränderung. Denn Veränderung im Sinne von Anpassung kann nur schrittweise vor sich gehen und muss mit der Wirklichkeit in Einklang stehen. Das ist es, was die linken Weltträumer lernen müssen.
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"Groß ist die Wahrheit, und sie behält den Sieg" (3. Esra)
Ein Beispiel für die Fähigkeit der Menschen, die Grundaussage "die Welt ist Scheiße" auch gegen die eigene Erfahrung anzuerkennen. Aus dem Monatsbericht des Allensbacher Instituts heute in der FAZ:
...Dabei sind allerdings gravierende Unterschiede zwischen dem Stereotyp und dem "Nahbild", dem Urteil über den Chef des eigenen Unternehmens, festzustellen. Nur 27 Prozent bescheinigen Managern, 34 Prozent Unternehmern pauschal hohe Kompetenz, aber 62 Prozent der in der Privatwirtschaft Tätigen dem Leiter des eigenen Unternehmens. 25 Prozent attestieren Managern, 40 Prozent Unternehmern Verantwortungsbewusstsein, 65 Prozent dem Leiter des eigenen Unternehmens.
Man sieht also, wie die linke Alles-ist-Scheiße-Propaganda wirkt. Es ist ja auch ein seit Jahrzehnten feststellbares Phänomen, dass in allen Umfragen die persönliche wirtschaftliche Situation günstiger gesehen wird als die allgemeine.
Die Alles-Scheiße-Propaganda kommt nicht von links, sondern von rechts. Vermuselung, Umvolkung, und solcher Mist.
Mir gehts gut. Ich halte ab und an mal ein Schwätzchen mit dem türkischen Nachbarn links, mit dem hessischen Nachbarn rechts und dem italienischen Nachbarn gegenüber. Mit den eingeborenen Nachbarn komme ich auch gut aus, was will ich mehr.
„Die Windflügel sind Sakralbauten für ein neues Glaubensbekenntnis.“ (Hans-Werner Sinn)
Eine Weltanschauung, die die Natur des Menschen missachtet, muss notwendigerweise Katastrophen produzieren. Da mögen die Intentionen noch so gut erscheinen, es kann nur ins Unglück führen.
Dein Linkssein ist ja in einem gewissen Sinne rational. Du steckst - zumindest subjektiv - in einer suboptimalen Situation. (Kurzfristig mag es psychisch entlastend wirken, dem "System" die Schuld daran zu geben, aber langfristig drehst Du Dich damit im Kreis und endest vielleicht wie pV.)
Damit bist Du aber auch nicht besser als die, die aus ihrer persönlichen Situation die entgegengesetzten Schlüsse ziehen. Was mich an Linken so unglaublich ankotzt, ist der Platz ganz oben auf dem moralischen hohen Ross, auf den sie Anspruch zu haben glauben.
Dabei dient ihre Ideologie, wie es sich für eine Ideologie eben gehört, auch nur der Aufmotzung ihrer persönlichen Interessen. Da sind gewisse ÖD-Parasiten, die von den "sozialen Problemen" leben, die sie so vollmundig beklagen, aber bestenfalls verwalten und nicht wirklich lösen. Da sind Gescheiterte, die nicht flexibel sein wollen und meinen, die Gesellschaft möge sich extra für sie ändern und sie "dort abholen, wo sie stehen", wie es heute so schön heißt. Da sind die Demagogen, die auf dieser Basis eine politische Karriere aufbauen usw. Linke sind eben auch nur egoistische Vorteilsmaximierer, so wie alle anderen Menschen auch.
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