"Laßt uns Freunde sein, laßt uns offen sein!"
So lautet die Intention des Auftrittes des russischen Präsidenten vor dem Nato-Rußland-Rat, der im Rahmen des Nato-Gipfels in Bukarest heute tagte.
Die Worte Putins waren bewußt diplomatisch-zurückhaltend gewählt, und der Kommentar der Weltpresse unisono stellte "keine Konfrontation" fest.
Die Beziehungen zwischen der Nato -insbesondere der USA- und Rußland waren in letzter Zeit auf einen spür- und hörbaren Tiefpunkt angelangt, dessen Gravitationszentren die Themen Nato-Ost-Erweiterung, Raketenabwehrschirm, Kossovosezession und ABM-Vertrag bilden.
All diese Themen waren heute in Bukarest Gegenstand der Debatte. Dabei ließ Putin keinen Zweifel daran, daß er fest entschlossen ist, die Beziehungen zum Westen wieder auf einen freunschaftliches Niveau zu heben. Die aktuellen Probleme seien für ihn noch kein Ausdruck eines neuen Kalten Krieges:
"Weder Europa noch Amerika oder Russland haben irgendein Interesse, zur Vergangenheit zurückzukehren.", sagte Wladimir W. Putin heute zu den Journalisten. Selbst George W. Bush betonte:
"Rußland ist nicht mehr unser Feind." Die Halbwertzeit solcher "Bushismen" sind allerdings bekannt, womit diese Aussage die Schwelle zur Glaubwürdigkeit nur schwer wird überschreiten können. Aber sei es, wie es sei, die Journalisten hatten etwas für ihre Notizblöcke, und die "Stimmung" war heiter bis überschwänglich.
Friede, Freude, Eierkuchen.
Wirklich? Wladimir Putins Rede wich inhaltlich nicht einen Jota von der auf der Münchener Sicherheitskonferenz 2007 gehaltenen ab -was angesichts der erleichterten Kommentare verwunderlich wirkt, denn schon damals machte Putin die gleichen Angebote wie heute in Bukarest.
Nato-Ost-Erweiterung: Das erste mediale Mißverständnis! Präsident Bush forderte eine rasche Aufnahme der postsowjetischen Staaten Georgien und Ukraine in den MAP genannten Aktionsplan zur Mitgliedschaft in der Nato -eine finale Vorstufe zur Vollmitgliedschaft. Die europäischen Staaten hielten dem entgegen, daß dies lediglich verfrüht sei. Damit ist demzufolge eine zukünftige Mitgliedschaft der beiden Ländern keinesfalls ausgeschlossen worden.
Der kategorische Imperativ Putins lautete:
"Das Entstehen eines mächtigen Militärblocks an unseren Grenzen würde in Russland als direkte Bedrohung der Sicherheit unseres Landes betrachtet werden."
Die russischen Sorgen wurden also lediglich vertagt, aber keinesfalls ausgeräumt, was nur ein Verzicht der Nato auf die genannten Länder hätte bedeuten können.
Raketenabwehrschirm: Die Meldungen der letzten Tage ließen die Hoffnung aufkommen, daß auch hier eine Einigung in Sicht sei. Doch wie sollte diese Einigung aussehen? Das Angebot der USA an Rußland einer ständigen Präsenz russischer Beobachter der Förderalen Streitkräfte in den beiden Standorten des Abwehrsystems wurde von Polen sogleich wieder eingeschränkt. Der polnischen Zeitung "Dziennik" sagte der polnische Verteidigungsminster Bogdan Klich:
"Wir können uns eine ständige russische Präsenz nicht vorstellen." Und selbst ein solches Zugeständnis würde den Kreml noch lange nicht seiner Sorgen entledigen, da Putin heute in Bukarest die offizielle Bestimmung dieses Abwehrsystems generell in Frage stellte:
"Niemand kann ernsthaft glauben, dass der Iran sich trauen würde, die Vereinigten Staaten zu attackieren." Der zweite kategorische Imperativ Putins lautete also, daß sich Rußland auch von diesem Nato-Vorhaben in seiner Sicherheit bedroht fühlt. Da helfen auch keine russischen Beobachter vor Ort darüber hinweg, daß nur ein gänzlicher Verzicht auf dieses System den Streit beilegen könnte.
Das Treffen Bushs mit Putin morgen in Sotschi wird wenig substanzielles bringen, und eine Beilegung des Streits scheint nicht in Sicht zu sein.
In der Frage um den
Kosovo-Status gab es ebensowenig eine Einigung, weil auch hier nur ein Rücknahme der völkerrechtswidrigen Anerkennung des Falschen Staates den Streit beilegen könnte. Bushs Ankündigung, Waffen in das Kosovo zu liefern, ist wie Öl, das ins Feuer gegossen wurde.
ABM-Vertrag: Ungeachtet dessen, daß die vorgenannten Fragen keine Beantwortung erwarten lassen, zeigte sich Putin nach wie vor Verhandlungsbereit, in den ABM-Vertrag wieder einzusteigen. Doch auch hier mahnte Putin:
"Wir sind bereit, in den KSE-Vertrag zurückzukehren, erwarten aber ein Entgegenkommen der NATO." Es ist aber keinesfalls zu erwarten, daß vor allem die baltischen Länder als auch Polen diesem Vertragswerk zustimmen werden. Die, wie Putin betonte, "Dämonisierung" Rußlands durch einige Nato-Staaten spricht nicht für eine rasche Einigung in dieser Frage.
Fazit: Rußland ist nach wie vor an einer guten Partnerschaft zum Westen interessiert, und ließ erkennen, daß die Türen immer noch offen stehen. Inwiefern der zu ende gegangene Gipfel ein Anlaß zur Zufriedenheit sein kann, weiß wohl nur die versammelte Journaille. Putins Auftritt heute in Bukarest war sicherlich von leisen Tönen begleitet, und die Bereitschaft zur Zusammenarbeit stand sicherlich im Vordergrund. Inhaltlich jedoch stehen Putins heutige Worte in der Kontinuität seiner Münchener Rede auf der Nato-Sicherheitskonferenz 2007. Es hat sich also nichts geändert. Die "gute Presse" scheint also der Schadensbegrenzung zu dienen, denn der Nato-Gipfel war alles andere als ein Erfolgt. Putin wollte nur kein Spielverderber sein und es seinem Nachfolger nicht allzu schwer machen. Und nicht nur Dimitri Anatoljewitsch bekam heute die Marschrichtung vorgegeben. Aber er wird es wahrscheinlich als einziger vernommen haben.
Außer Spesen also nichts gewesen.
Quellen:
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