Vor einem Monat hatte ich in einem Berliner Science-Fiction-Klub einen recht interessanten Vortrag über "geopolitische" Science Fiction der Zeit vor 1945. Das Weltbild dieser Art Literatur, die in Deutschland recht populär war, ist recht einfach: Die Welt ist ein Ort des Ringens von Völkern, Rassen und Kontinente umfassenden Machtblöcken. So war schon damals die "gelbe Gefahr" - Japan, China - Thema. Das Individuum, seine Heimat und sein Volk sind voll und ganz in die Welt integriert - jede Art von Abschottung oder auch nur Entfernt-sein hat sich erledigt. Die "gelbe Gefahr" ist nicht 10 000 km von Deutschland entfernt, sondern sozusagen vor der Haustür. Der Held muss hinaus ziehen, um sie abzuwehren und den Schlitzaugen das Fürchten zu lehren.
George Orwell hat dann 1948 in "1984" diese geopolitischen Diskurse auf die Spitze getrieben. Die Welt ist in die Superstaaten Ozeanien, Eurasien und Ostasien aufgeteilt, die ewig im Krieg miteinander liegen.
Das Entscheidende an diesen Diskursen ist, dass die Welt als Welt, als global und von Pol zu Pol entdeckt, erforscht, erobert, beherrscht gedacht wird, aber nicht als Einheit!
Die komplett erfasste Welt ist ein Ort des ewigen Kampfes und der nicht enden wollenden und immer brutaler werdenden Kriege. Die Menschheit lebt in der "One World" so uneins und zerstritten wie vielleicht noch nie in ihrer Geschichte.
Gab es auch eine Antwort - ehrlicher - Konservativer auf diese Zustände? Oder sind die damals alle auf den Wahn vom Weltreich reingefallen?
Die Antwort der Linken hat Erich Kästner in "Konferenz der Tiere" formuliert: eine "One World" braucht eine einzige Regierung.
Fast überflüssig zu sagen, dass Parolen wie "'Volk ohne Raum" und die verhängnisvollen Bestrebungen des deutschen Imperialismus Ausfluss dieser Diskurse sind. Mit der Folge, dass sich 1945 das Volk in noch weniger Raum zusammendrängen musste.
Heute erzählen uns unsere Eliten gar, dass wir Raum ohne Volk sind. Deswegen Zuwanderung und blah blah blah.
Ich halte die Diskurse der Globalisierung, wie sie seit dem Zusammenbruch des Ostblock-Sozialismus an Fahrt gewonnen haben, nur für den Aufguss der geopolitischen Diskurse aus der Zeit vor 1945. Siehe "Kampf der Kulturen" bei Huntingdon, wo die Welt wie bei Orwell in einander befehdende kontinentale Blöcke eingeteilt wird. Die Globalisierer verteidigen den Territorialstaat mit Zähnen und Klauen und sind die erbittertsten Gegner jeder Art von Weltordnung. Zugleich ist ihr Territorialstaat - BRD, EU ... - mitsamt all seinen Untertanen voll und ganz in die "globale Wirtschaft" und die "globale Konkurrenz" geworfen. Provinznotabeln schwärmen davon, wie toll China ist und der deutsche Michel und die Michaela sollen sich immerzu an den Indern messen lassen.
Selbstverständlich ist der ganze Wahn alternativlos - aber das hat vermutlich auch A. H. von seiner Politik gesagt. Der Herr mit dem Bärtchen verfolgte schließlich auch globale Visionen ... :rolleyes: und seine heutigen Epigonen werden bei dem Vergleich wohl zetern, aber ihre Diskurse sind ebenso krank wie seine. Werden sie ebenso kranke Folgen haben?
Möglich, denn die Globalisierung negiert so ziemlich alles, was das Leben materiell und geistig lebenswert macht:
- Sozialstaat? Gibt es in Indien auch nicht
- Nationalstaat im Sinne von "jedem Volk sein Staat". Wir brauchen Migration, wir brauchen Zuwanderung egal ob in Tibet oder Deutschland.
- eine Weltordnung, globale Mindeststandards? Wir brauchen die freie, ungehemmte Konkurrenz, um den billigsten Anbieter heraus zu finden
- eine geeinte Menschheit? Wird es aus zwei Gründen nicht geben:
a. im Zeichen der Globalisierung kämpfen alle gegeneinander ums Überleben. Für Einigkeit ist da kein Platz
b. die Globalisierer verstehen sich als Teil einer so hoch über allen anderen schwebenden Elite, dass sie sich mit den anderen Menschen in keiner Weise gemein machen wollen. Der olle Fritz, selbst ein adliges A******* beschimpfte die Menschen als "Kanaillen" - das war noch ehrliche und verständliche Wut. Die Globalisierer beschimpfen ihre Mitmenschen nicht. Wäre ja auch so absurd als ob man das Brikett beschimpfen würde, das als nächstes in den Ofen wandert.
Identitätsstiftende Entitäten, egal ob partikular oder allgemein, wiee "Volk", "Nation", "Kultur", "Menschheit" werden in der Globalisierung ausgelöscht. Es sind dann immer Kürzel, um die es geht: BRD, EU, WTO, NATO ... Kunstgebilde halt ... einen Sinn macht das Ganze nicht. Die Negation einer Weltordnung bedeutet nicht die Bewahrung überkommener Völker und Kulturen, die "One Word" ist die Absage an eine technokratisch verstandene modernistische Weltordnung. Den diesbezüglichen technokratischen Zukunftsvisionen der klassischen SF folgte der Cyperpunkt als faschistoide Verherrlichung des individuellen Überlebenskampfes in einer kranken Welt.