Ein Kapitel aus dem Kalten Krieg
In Berlin wird morgen eine Ausstellung zur politischen Verfolgung in der alten BRD eröffnet. Programmatisch heißt sie »Erinnerungsarbeit gegen den Trend«
Wer als Kommunist den deutschen Faschismus überlebt hatte, dem konnte es passieren, unter Adenauer wieder ins Gefängnis geworfen zu werden. 1956 wurde die KPD vom Bundesverfassungsgericht verboten, doch ihre damals noch 70000 Mitglieder waren schon im Vorfeld politisch verfolgt und KPD-nahe Organisationen verboten worden. Mit dem 1. Strafrechtsänderungsgesetz von 1951 hatte sich die Bundesregierung ein juristisch zweifelhaftes Gesetzeswerk und ein flächendeckendes System von Sonderstrafkammern zur justiziellen Verfolgung politischer Gegner der offiziellen Regierungspolitik geschaffen. Es wurden bei weitem nicht nicht nur organisierte Kommunisten für ihre grundgesetztlich garantierte freie Meinungsäußerung heimgesucht, insgesamt kam es zu schätzungsweise 250000 Ermittlungsverfahren, die zu rund 10000 Verurteilungen führten.
Unter dem Titel »Erinnerungsarbeit gegen den Trend. Hier besteht Handlungsbedarf! Die vergessenen Opfer des Kalten Krieges« dokumentiert nun in Berlin eine Ausstellung an das Gebaren der der politischen Justiz in der alten Bundesrepublik. Sie wird am 2. November vom Bremer Rechtsanwalt und Buchautor Heinrich Hannover in der ver.di Medien Galerie in der Dudenstrasse eröffnet. Mit der Ausstellung (bis 17. Dezember) soll vor allem an Einzelschicksalen die Auswirkungen der vom Antikommunismus geprägten Atmosphäre jener Jahre des Kalten Krieges dargestellt werden. Dazu wird es am 23. November eine Begleitveranstaltung mit dem Bremer Rechtsanwalt Dr. Rolf Gössner und Betroffenen der damaligen Rechtsprechung geben. Gössner ist Autor einer umfassenden Untersuchung zu diesem Thema. Die Veranstalter wurden zu der Ausstellung durch einen »vergessenen« Gewerkschaftsbeschluß von 1998 angeregt, in dem kritisch festgestellt worden war, daß »die derzeit in der Bundesrepublik Deutschland übliche Fokussierung auf die Vergangenheitsbetrachtung der DDR« den Blick verstelle, »um historisch gleichberechtigt auch die Nachkriegsentwicklung der alten BRD zu betrachten«.Am 2. November geht es in einer weiteren Begleitveranstaltung um die Rolle der Gewerkschaften im Kalten Krieg, speziell um den seinerzeit renommierten Gewerkschaftstheoretiker Viktor Agartz, der für seine Forderungen nach Sozialisierungen von seiner Partei, der SPD, abgesägt und wegen geheimdienstlich angedichteter KPD-Unterstützung vom Adenauer-Regime für ein Jahr inhaftiert wurde.
Junge Welt (1. November 2004)