Österreichische Historiker-Arbeitsgemeinschaft für Kärnten und Steiermark (Hg.), Völkermord der Tito-Partisanen 1944-1948, 2. Auflage, Oswald Hartmann Verlag, Sersheim 1993, 361 S.; S. Jendryschik, Zgoda. Eine Station auf dem schlesischen Leidensweg, Verlag für ganzheitliche Forschung, Viöl 1997, 184 S.;
Erst seit John Sack in seinem Buch Auge um Auge (Kabel, Hamburg 1996) die Morde an der deutschen Zivilbevölkerung in Ost- und Südosteuropa zu einem internationalen Thema machte, scheinen auch die Leiden der Deutschen in der Welt Gehör zu finden. Natürlich war John Sack nicht der erste, der sich dem Thema widmete. Er hatte nur den Vorteil, ein bisher nicht ausgegrenzter nichtdeutscher Jude zu sein, und derartigen Mitmenschen hört man bekanntlich zu.
Das erste hier besprochene Buch über den Völkermord an den Deutschen im Gebiet des ehemaligen Jugoslawien, das 1993 bereits in zweiter Auflage erschien, füllt eine große Lücke aus, denn selbst im deutschsprachigen Raum wurde diesem Teil der Ausmordung von Menschen deutscher Zunge nach dem Zweiten Weltkrieg kaum Aufmerksamkeit geschenkt. Durch die Vorherrschaft der bundesdeutschen Perspektive konzentrierte man sich auf die Vorgänge in Ostdeutschland und dem Sudetenland. Um so erfreulicher ist es, daß die in direkter Nachbarschaft zum Ort des Geschehens tätige Österreichische Historiker-Arbeitsgemeinschaft eine derart umfassende Zusammenstellung der Vorgänge zuwege brachte. Nach einer allgemeinen Darstellung über die Geschichte und Hintergründe der Entrechtung, Enteignung, Vertreibung und Ermordung der Deutschen in Jugoslawien wird jede Region des ehemaligen Jugoslawien, in dem es zu Ausschreitungen kam, quasi Stadt für Stadt und Dorf für Dorf abgehandelt. Die Vorgänge werden dabei derart detailliert geschildert, daß es einem unter die Haut geht und man stellenweise geneigt ist, dem Schrecken einfach dadurch auszuweichen, indem man das Buch zumacht und weglegt.
Das Buch basiert neben zahlreichen Zeugenberichten auch auf Veröffentlichungen in der Presse, die ausführlich wiedergegeben werden, und greift auch auf Literatur zurück, die bereits vor Jahren zum gleichen Thema publiziert wurde. Die Bibliographie erwähnt im wesentlichen vier derartige Werke, die bezeichnenderweise alle in Österreich verlegt wurden, zwei davon nur im Selbstverlag.
Das zweite hier besprochene Buch von Sepp Jendryschik widmet sich ausschließlich einem der 1255 vom Bundesarchiv in Koblenz festgestellten Konzentrations- und Vernichtungslager in Polen und Ostdeutschland, deren massenmordende Realität von John Sack ins Bewußtsein der Weltöffentlichkeit gerückt wurde. Allein in dem hier behandelten Lager nahe der Stadt Zgoda, einem Ort in der Region Kattowitz nahe der schlesisch-polnischen Grenze, durch das nach polnischen Quellen etwa 35.000 Deutschen geschleust wurden, soll es insgesamt etwa 7.000 bis 8.000 Tote gegeben haben, die in Massengräbern verscharrt wurden. Bisher gelang es lediglich, zu etwa 1.600 Fällen Todesurkunden zu beschaffen, doch wird davon ausgegangen, daß sich die Zahl noch erhöhen wird. Nach einer von John Sack zitierten geheimen Studie des Bundesarchives sollen von den etwa 200.000 Deutschen, die diese Vernichtungslager durchliefen im Schnitt zwischen 20-50% nicht überlebt haben, was eine Opferzahl von 40.000 bis 100.000 ergibt.
Deutsches Kind in einem jugoslawischen Lager
Jendryschiks Buch enthält ebenfalls eine Einleitung, die allerdings weniger sauber gegliedert ist und insbesondere dadurch auffällt, daß sie immer wieder von Passagen unterbrochen wird, die vom Verleger stammen und den historischen Rahmen dieser Morde an der deutschen Zivilbevölkerung erläutern. Es wäre dem Lesefluß sicher besser bekommen, wenn sich Verleger und Autor auf einen gemeinsamen Text geeinigt hätten. Daran anschließend folgen sachliche Hinweise des Autors über die Beweislage sowie ein 56-seitiger Abschnitt mit Zeugenberichten über die damaligen Greuel, die der Rezensent zugegebenermaßen nur angelesen hat, da er auf seine nächtliche Ruhe nur ungern verzichtet. Die letzten 60 Seiten des Buches sind eine Aneinanderreihung von Stellungnahmen, Briefen und Dokumenten zum Thema Massenmord an und Vertreibung der Deutschen allgemein. Dies mag dokumentarisch interessant sein, ist allerdings nicht nach dem Geschmack des Rezensenten, der einen systematisch gegliederten, zusammenfassenden Überblick mit Erläuterungen und Referenzen zu den entsprechenden Dokumenten und eine anschließende Wertung bevorzugt hätte.
Rudolph Marker
Quelle: Vierteljahreshefte für freie Geschichtsforschung 1(4) (1997), S. 275-285.
Bilder:Szenen des Völkermords der Tito-Partisanen an den Jugoslawiendeutschen. Foto 1: Jakob Bohn; Foto 2-4: DSZ-Verlag