Fangen wir mal von vorne an. Und vorne steht ja der sogenannte 6-Tage-Krieg. Auch wenn ich später noch weiter zurück in die Geschichte greifen werde. Teilweise basieren meine Ausführunen auf euiner mir vorliegenden Dissertation zum Thema Mandats- und Treuhandsysteme im Völkerrecht.
Teil 1
Fraglich ist zunächst, inwieweit Israel zu seinen militärischen Aktionen völkerrechtlich berechtigt war. Eine Legitimation dieser Aktionen setzt das Vorliegen eines bewaffneten Angriffs i.S.d. Art. 51 UN-Charta seitens der Arabischen Staaten (weiterhin als VAR abgekürzt) voraus. Zumindest im Falle Jordaniens liegt ein solche zweifelsfrei vor, jedoch könnte das Verhalten der Vereingten Arabischen Republik im Vorfeld des Krieges auch unter dem Begriff des „bewaffneten Angriffs“ subsumiert werden.
Am 22.05.1967 wurde der Golf von Aqaba für israelische Schiffe durch die VAR gesperrt. Dadurch waren die israelischen Handelsschiffe mit dem Ziel Asien gezwungen, über das Mittelmeer ganz Afrika zu umfahren, denn der Suez-Kanal war für israelische Schiffe ebenfalls gesperrt. Der Hafen Eilat im südlichen Negev war für Israel durch die Blockade
praktisch nutzlos. Zweifellos handelt es sich bei der Blockade des Schiffsverkehrs
eines anderen Staates um eine Verletzung der Neutralitätspflicht im Seekrieg. *1
Weiterhin wurden durch die VAR an der Nord- und Westgrenze zu Israel massive
Truppenverbände konzentriert. *2 Außerdem war der östliche Nachbar Israels,
Jordanien, mit der VAR verbündet, so dass Israel an drei Fronten bedroht war.
Ein weiteres Alarmsignal war die Aufforderung Ägyptens vom 18. Mai an die UNEF-Truppen,*3 sich vom Gaza-Streifen und der israelisch-ägyptischen Demarkationslinie
auf der Sinai-Halbinsel zurückzuziehen.*4 Am 29. Mai ließ sich Präsident Nasser von der Nationalversammlung mit Sondervollmachten ausstatten, die ihn zu militärischen Maßnahmen ermächtigten.*5 Drei Tage zuvor hatte er in einer Rede vor einer Delegation der Internationalen Union der arabischen Arbeiter in Kairo folgendes erklärt:
„Wir werden unsere Rechte auf den Golf von Akaba nicht preisgeben. Der Kampf mit Israel wird ein totaler Kampf sein. Die Schlacht wird nicht auf Syrien oder die VAR beschränkt bleiben. Unser grundlegendes Ziel in dieser Schlacht wird die Zerstörung Israels sein.“*6
Das ein Schlag der Arabischen Staaten, zumindest aber der VAR, gegen Israel
unmittelbar bevorstand musste man also realistischerweise annehmen. Gegenüber Israel sind schon im Vorfeld verschiedene feindselige Akte, nämlich die Blockade des Golfs von Akaba, die Truppenkonzentrationen an den Grenzen und die Sozusagen-Kriegserklärung Nassers, begangen worden, dass man vom Vorliegen einer „armed attack“ im weiteren Sinne sprechen kann. *7
*1 vgl. Scheuner, Neutralitätsrechte und –pflichten im Seekrieg, Wörterbuch des Völkerrechts, Bd. II, 2. Aufl., Berlin 1961.
*2 Gerson, Trustee-Occupant: The Legal Status of Israel in the West Bank,
HILJ, 1973 (14), S. 18
*3 UN-Blauhelme an der israelisch-ägyptischen Grenze.
*4 Archiv der Gegenwart, 1967/13217
*5 Archiv der Gegenwart 1967/13221
*6 Archiv der Gegenwart 1967/13220
*7 vgl. Rostow, Proceedings of the ASOIL 64.