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Thema: evtl. verwendbares Lapide-Fragment

  1. #1
    stummer
    Gast

    Standard evtl. verwendbares Lapide-Fragment


    Hallo –


    als Außenstehender habe ich hier an möglichst unaufdringlicher Stelle* etwas gepostet – vielleicht kann es jemand ein wenig gebrauchen.
    [*heute, 21.03.2007, hierher verschoben]

    Folgende im Anschluß an den Lapide-Beitrag gepostete Auszüge aus der digitalen Bibliothek sind sehr lang.
    Sollte das als störend empfunden werden, so werde ich diese wieder löschen.


    Bisherige Artikelzitate zu:

    Ka´ba (Islamlexikon)
    Freitag (Islamlexikon)
    Sonntag (RGG)
    Passa (BHH)
    Kreuzzüge (Islamlexikon)
    Kreuzzüge (RGG-Artikel)
    Kreuzzüge (Fischer Weltgeschichte)
    Erster Kreuzzug (Jedin)
    Zweiter Kreuzzug (Jedin)
    Dritter Kreuzzug (Jedin)
    Vierter Kreuzzug (Jedin)
    Paulus - ein Zitat von Schalom Ben-Chorim
    Buber (Erzählungen der Chassidim: Rabbi von Lublin: Beschämung)
    Jerusalem (Wörterbuch Archäologie)
    Konstantinopel (RGG)



    Gerade habe ich folgendes Büchlein vor mir liegen ...
    Pinchas Lapide:
    Ist das nicht Josephs Sohn? Jesus im heutigen Judentum
    Gütersloher Verlagshaus Gerd Mohn
    Gütersloher Taschenbücher Siebenstern GTB 1408
    2. Auflage 1985

    ( G..tt möchte ich - im Gegensatz zum zitierten Buchtext - nicht ausschreiben. Dabei setze ich die Zeichen .. aber unten, damit möglichst keine Irritation entsteht. Ich bin Ungläubiger und gehöre keiner Religionsgemeinschaft an.)

    Pinchas Lapide führt also ebd. S. 12 aus:

    „Brüder in zwölffacher Wahlverwandtschaft sind wir:
    Im Glauben an den Einen Vater-G..tt;*
    In der Hoffnung auf sein Heil;
    Im Unwissen über Seine göttlichen Wege;
    In der Demut vor seiner Allmacht;
    Im Wissen, daß wir ihm gehören; Er nie uns;
    In der Liebe und der Ehrfurcht vor G..tt;
    Im Zweifel über unsere wackelige Treue;
    Im Paradox, daß wir Staub und denoch G..ttes Ebenbilder sind;
    Im Bewußtsein: G..tt will uns als Partner zur Heiligung der Welt;
    Im Verdammen aller Selbstherrlichkeit, die zum Heilschauvinismus führt;
    In der Überzeugung, daß Gottesliebe ohne Nächstenliebe hinkt;
    In der Erkenntnis, daß alles Reden von G..tt ein hilfloses Stammeln unterwegs zu Ihm bleibt.

    Dem wahren Zwiegespräch, in dem keiner recht hat, keiner siegt noch den anderen bekehrt, aber beide voneinander lernen, ist dieses Buch gewidmet.“


    (Anmerkung von mir: Den Lernanspruch bitte nicht im Sinne gönnerhafter Herablassung verstehen ... zudem subjektiv empfundene Asymmetrien schier unvermeidbar sind.)

    Die Zitate aus BHH zum "AT" bzw. "NT" habe ich entfernt, da sie miserabel formatiert und zu lang waren. Außerdem existieren hier ja schon Hinweise auf Kanonbildung und Bedeutung des sog. "AT" für das Christentum usw.

    Mit freundlichen Grüßen

    stummer


    Ka'ba (Islamlexikon)


    Ka'ba
    Die Ka'ba ist das bedeutendste Heiligtum der islamischen Welt. Sie hat den Beinamen »Haus Gottes«. Die Ka'ba ist der Fixpunkt, auf den hin die Muslime in aller Welt ihr Gebet verrichten und nach dem die Moscheen architektonisch ausgerichtet sind. Sie ist das Ziel von jährlich Hunderttausenden von Pilgern. Strenggenommen ist sie die einzige Wallfahrtsstätte des Islams, auch wenn es zahlreiche regionale und lokale Heilige Stätten (s. dort) gibt. Diese haben jedoch keine Bedeutung für die islamische Welt in ihrer Gesamtheit. Trotz der Tatsache, daß es im Verlauf der islamischen Religionsgeschichte Auseinandersetzungen um zahlreiche, auch zentrale Aspekte des Islams gegeben hat, kann man feststellen, daß zwischen den verschiedenen Richtungen stets Einvernehmen über die hervorragende Rolle dieses Heiligtums geherrscht hat. Man kann die Ka'ba in ihrer Bedeutung für die Muslime mit der des Tempels in Jerusalem für das antike Judentum vergleichen. Nicht-Muslimen ist die Annäherung an die Ka'ba nicht erlaubt.


    Beschreibung der Ka'ba

    Der Name des Gebäudes leitet sich von seiner Würfelform ab. Es befindet sich im Hof der großen Moschee von Mekka. Die Ka'ba hat eine Höhe von ca. elf Metern. Das Flachdach neigt sich leicht nach Nordwesten und führt zu einem Wasserspeier (mizab). Er leitet das Wasser auf zwei grüne Platten am Boden, die die Gräber von Hagar und Isma'il bezeichnen, und besprengt diese. Eine ca. zwei Meter über dem Boden liegende Tür, zu der man mit Hilfe einer transportablen Holzleiter gelangt, führt in das Innere der Ka'ba. Die vier Ecken des Gebäudes werden mit den Namen »al-Ruqn al-'iraqi« (Iraqischer Pfeiler) für die nördliche Ecke, »al-Rukn al-shami« (Syrischer Pfeiler) für die westliche Ecke, »al-Rukn al-yamani« (Yemenitischer Pfeiler) für die südliche Ecke und »al-Rukn al- aswad« (Schwarzer Pfeiler) für die östliche Ecke bezeichnet. Etwa 1,50 m über dem Boden ist in den »Schwarzen Pfeiler« der heilige schwarze Stein eingefügt. Er besteht aus einer Zementverkittung von drei größeren und mehreren kleineren, verschieden geformten, früher aus einem Stein bestehenden Stücken Basalt oder Lava, die von einem silbernen Ring von ca. 0,75 m Durchmesser umschlossen werden. Vom rituellen Küssen des schwarzen Steins durch die Pilger ist dieser blank poliert und soweit ausgehöhlt, daß der Kopf eines Menschen diese Öffnung völlig ausfüllt. Die dunkle Farbe des Steins hat zu einer Reihe von frommen Legenden Anlaß gegeben. So soll er zunächst weiß gewesen sein und nur durch die Sünden der Pilger, die er in sich aufgenommen habe, schwarz geworden sein. Nach einer anderen Version liegt die Ursache der Verfärbung in den Sünden aus der Heidenzeit.
    Der Ort zwischen dem schwarzen Stein und der Tür der Ka'ba wird »Multazam« genannt. Gelübde, die hier getan werden, sind von besonderer Bedeutung und Weihe. Ein zweiter heiliger Stein, »al-Hadjar al- as'ad« (der glückliche Stein) ist in der südlichen Ecke der Ka'ba eingelassen. Die Ka'ba ist leer bis auf drei Holzpfeiler, die das Dach stützen, und eine Holzleiter, die zu Wartungszwecken zum Dach führt. Von der Decke hängen zahlreiche goldene und silberne Lampen, die das Gebäude erhellen. Die Wände des Inneren sind von zahlreichen Inschriften bedeckt. Der Boden ist mit Marmorplatten ausgelegt. Das Dach besteht aus einer Holzkonstruktion, die der ständigen Wartung bedarf.
    An bestimmten Tagen der Wallfahrtszeit ist der Zutritt in das Innere offen. Dann bemüht sich jeder Pilger, wenigstens eines der Pflichtgebete hier zu verrichten. Ein schwarzer Überwurf aus Seide und Baumwolle (kiswa) bedeckt die Ka'ba, und ein ebenfalls schwarzer Vorhang (burqu') verdeckt die Tür. Beide sind reich mit Koranversen in Gold bestickt. In der Wallfahrtszeit werden die schwarzen durch weiße Stoffe ersetzt. Nach Abschluß der Pilgerzeit werden eine neue schwarze »Kiswa« und ein neuer schwarzer »Burqu'« angebracht. Die alte »Kiswa« wird in kleine Stücke zerschnitten, denen man Segenskräfte zuschreibt. Sie werden an die Pilger verkauft. Auch die Besen und das Wasser, die zur rituellen Reinigung der Ka'ba nach der Pilgerzeit benutzt werden, finden ebenfalls das lebhafte Interesse der Pilger. Alle Gegenstände, die mit der Ka'ba in Verbindung kommen, werden als segenspendend angesehen und sind begehrt. Seit dem 13. Jahrhundert war es das Vorrecht der ägyptischen Muslime, die »Kiswa« zu stellen. Bei politischen Spannungen zwischen Ägypten und Saudi-Arabien in der Neuzeit wurde dies Privileg jedoch durch die saudischen Behörden verweigert. Der Boden um die Ka'ba ist von bunten Marmorfliesen bedeckt. 33 kreisförmig angeordnete Stangen, an denen Lampen befestigt sind, bilden eine optische Trennung vom übrigen Teil des Hofes der großen Moschee.


    Die Ka'ba vor dem Islam

    Die Ka'ba ist ein schon aus vor-islamischer Zeit stammendes Heiligtum. In ihr wurden mehrere lokale und überregionale Gottheiten verehrt. So soll sich in ihr eine Statue des Gottes Hubal befunden haben. Doch auch die Göttinnen al-Lat, al-'Uzza und al-Manat genossen hier Verehrung. Die Wände in ihrem Inneren waren damals mit menschlichen Darstellungen versehen, die Muhammad nach der Eroberung Mekkas entfernen ließ. Um die Entstehung der Ka'ba ranken sich zahlreiche Legenden. So soll sie zu Beginn der Schöpfung erschaffen worden sein. Der schwarze Stein sei vom Engel Gabriel gebracht worden. Abraham wird mit dem Bau der Ka'ba in Verbindung gebracht.
    Angesichts der religiösen Bedeutung der Ka'ba für die Muslime ist es nicht verwunderlich, daß die politische Kontrolle und Verwaltung des Heiligtums ein beträchtliches internationales Ansehen in der islamischen Welt mit sich bringt. So wurde und wird der jeweilige Inhaber der politischen Macht, heute der König von Saudi-Arabien, in die mit der Ka'ba verbundenen Rituale einbezogen. Er ist es z.B., der die rituelle Reinigung des Heiligtums vornimmt. Eine Vernachlässigung der Pflichten gegenüber der Ka'ba oder eine Schwäche in der Kontrolle kann verheerende politische Folgen haben. Daher waren und sind die Familien oder Gruppierungen, die die politische Kontrolle ausüben, bedacht, die Ka'ba und die anderen heiligen Stätten in Mekka sorgfältig zu pflegen und für ihren Erhalt zu sorgen.

     Literatur: G. H. BOUSQUET, Les grandes pratiques rituelles de l'Islam, Paris 1954; R. BURTON, Personal Narrative of a Pilgrimage to el- Medinah and Maccah, 2 Bde., London 1857; M. GAUDEFROY-DEMOMBYNES, Le pèlerinage à la Mekke, Paris 1923; C. SNOUCK HURGRONJE, Het Mekkansche Feest, Leiden 1880; C. SNOUCK HURGRONJE, Mekka, 3 Bde., Leipzig 1888-1889; J. REISSNER, Die Besetzung der großen Moschee in Mekka 1979, in: Orient 21 (1980), 194-203; W. YOUNG, The Ka'ba, Gender, and the Rites of Pilgrimage, in: International Journal of Middle East Studies 25 (1993), 285-300.
    P. Heine

    [Lexikon des Islam: Ka'ba. Lexikon des Islam, S. 804
    (vgl. LdIslam Bd. 2, S. 425 ff.) (c) Verlag Herder
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    Nachtrag 22.03.2007: Zitate zum Thema Freitag (Islam) / Sonntag (Christentum)

    Hallo!

    Die hier wichtigen Passagen habe ich (zum schnelleren Überscrollen) in rotem Fettdruck gehalten – un diesmal nachformatiert bzw. gekürzt.


    Der Freitag ist der Versammlungstag (yaum al- djum'a) der islamischen Gemeinde.

    Im Koran wird er lediglich in 62,9-11 angesprochen:

    »O ihr, die ihr glaubt, wenn am Freitag zum Gebet gerufen wird, dann eilt zum Gedenken Gottes und laßt das Kaufgeschäft ruhen. Das ist besser für euch, so ihr Bescheid wißt. Wenn das Gebet beendet ist, dann breitet euch im Land aus und strebt nach etwas von der Huld Gottes; und gedenkt Gott viel, auf daß es euch wohl ergehe: Und wenn sie einen Handel oder eine Gelegenheit zur Zerstreuung sehen, laufen sie hin und lassen dich stehen; sprich, was bei Gott ist, ist doch besser als Zerstreuung und Handel; und Gott ist der beste Versorger.«

    Dieser Versammlungstag wurde erst nach der Hidjra in Medina eingeführt, auch wenn sich die Muslime schon in Mekka zu gemeinsamen Gebeten zusammenfanden.
    Der Freitag wurde in Medina als Versammlungstag gewählt, weil dies auch der Markttag war. Dies hatte sicherlich mit der Tatsache zu tun, daß die große jüdische Gemeinde in Medina sich an diesem Tag mit dem Notwendigen für den Sabbat versorgte.


    [Lexikon des Islam: Freitag. Lexikon des Islam, S. 488
    (vgl. LdIslam Bd. 1, S. 257) (c) Verlag Herder
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    Sonntag

    >>Sonntag. Der S., der 2. Tag der spätantiken Planetenwoche (...), wird von den Christen, der jüdischen Zählung entsprechend, »der 1. Tag der Woche« (Mt 28, 1 par) oder »der Tag des Herrn« (kyriakê hêmera, dies dominicus; ital. domenica; span. domingo; franz. dimanche) genannt (Apk 1, 10; Barn 15, 9).

    Weil Auferstehungstag Christi (...), wird er sehr bald als »status dies« ( Pliniusbrief X, 96) der Versammlungstag der Gemeinde, der Freudentag, an dem das Herrenmahl gefeiert (Apg 20, 7; Did 14, 1), stehend gebetet, nicht gefastet wird.

    Am S. werden die Liebesgaben eingesammelt (1Kor 16, 2). Auferstehungstag (russ. waßkreßénje) bleibt er im Osten.
    Im Westen gilt er auch als Schöpfungstag (Justin, Apol. 67) und Tag der Ausgießung des Hl. Geistes (Isidor von Sevilla, De eccl. off. I, 24); demgemäß tritt in den S.sliturgien die Bezeugung der Auferstehung zurück.

    Als christlicher Sabbat wird er in den ersten Jh.en nirgends verstanden, seine Feier niemals mit dem 3. (4.) Gebot des Dekalogs begründet. Jesus und die Apostel feierten zwar, jüdischer Sitte gemäß, den Sabbat; aber Jesu Protest gegen »eine gesetzlich-verdienstliche Deutung« (Mk 2, 27 f u. ö.) und die Betonung der christlichen Freiheit durch Paulus (Röm 14, 1; Gal 4, 9 f; Kol 2, 16 f.) bewirkten, daß von Heidenchristen die Sabbatheiligung ebensowenig wie die Beschneidung gefordert wurde (Apg 15, 28 f.).
    Und die Tatsache, daß der Sabbat im Osten vom Ende des 4. Jh.s an vielerorts wieder als Schöpfungstag gottesdienstlich begangen wird, beweist, daß der S. nicht an die Stelle des Sabbats getreten ist.


    ... <<

     TH. ZAHN, Gesch. des S.s, 1878 – DACL IV, 858 ff. – W. THOMAS, Der S. im frühen MA, 1929 – W. STÄHLIN u. a., Das Buch vom S., 1951 – Le dimanche et sa célébration, Luxemburg 1952 (röm.-kath. Sammelbericht) – J. A. JUNGMANN, Der Gottesdienst der Kirche, (1955) 19572 – EKL III, 996 ff.
    E. Hertzsch

    [Sonntag. Die Religion in Geschichte und Gegenwart, S. 30706
    (vgl. RGG Bd. 6, S. 140 ff.) (c) J.C.B. Mohr (Paul Siebeck)
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    BHH-Artikel zum Passa

    Passa (...), ein Jahresfest.

    1. Nach dem AT war das P. ursprünglich wohl ein bei Kleinviehnomaden beheimateter und jeweils durch den Hausvater vollzogener Ritus, der die Zeltgemeinschaft und die Herden vor dem Aufbruch in das Kulturland im Zug der jährlichen Transhumanz unter den Schutz des Lebensträgers Blut stellen und obendrein die Familie durch das gemeinsame Mahl stärken sollte. Daß dabei dem Tier kein Knochen gebrochen werden durfte, ist wohl apotropäisch zu verstehen. Nicht verzehrte Reste des Tieres wurden am Morgen verbrannt. Zum Mahl aß man ungesäuertes Beduinenbrot (Massoth) und wilde Kräuter. Die älteste Form (Ex 12,1–11) kennt noch keinen Weingenuß. Der Jahwismus übernahm schon früh diesen Ritus und historisierte ihn, indem er ihn mit dem Auszug aus Ägypten verband und als Erinnerungsfeier verstand (Ex 12,12–51). Die Kultusreform des Josia wandelte 621 die bisherige Familienfeier in einen an den Tempel gebundenen Ritus und damit in ein Wallfahrtsfest um, das durch Verschmelzung mit dem siebentägigen Massothfest zu einer dem Herbstfest analogen Festwoche ausgestaltet wurde. Dabei wurde neben dem bisher allein verwendeten Kleinvieh auch das Rind und neben dem urtümlichen Braten das Kochen des Tieres zugelassen
    (Dt 16,1–8 2Kg 23,21–23 2Ch 35,1–19).

    2. Das Judentum behielt das Wallfahrtsfest und das Schlachten der Tiere auf dem Tempelplatz bei, wobei das ursprünglich an den rechten Türpfosten und die Oberschwelle mit einem Ysopbündel gestrichene Blut am Fuß des Altars ausgegossen wurde. Sie nahm den älteren Brauch, Kleinvieh zu schlachten und es zu braten, wieder auf und bestand darauf, daß der Verzehr in der Hausgemeinschaft oder innerhalb einer Gruppe, wie sie die Jüngerschar Jesu darstellte, geschah. Das Schlachten des P.-Tieres hatte beim Frühlingsvollmond zwischen den Abenden, d.h. von dem Augenblick an, da die Sonne am Horizont aufsetzte, bis zu ihrem völligen Untergang zu geschehen. Das ausgeweidete Tier wurde als Ganzes einschließlich der ausgewaschenen und um den Kopf des Tieres gelegten Eingeweide wohl in einer Bratgrube gebraten und in Wandertracht von der Mahlgemeinschaft verzehrt. Dabei wurde das ungesäuerte Brot des Massothfestes sowie eine Art Salat aus bitteren Kräutern und ein braunes Fruchtmus gegessen und Wein getrunken, zur Zeit Jesu vier Becher, die jeweils an vorgeschriebener Stelle vom Hausvater herumgereicht wurden.

     Lit.: G. Beer: Pesachim (Gießener Mischna, '12) – RGG2 III, 911 – J. Jeremias: Die P.-Feier der Samaritaner u. ihre Bedeutung für das Verständnis der atl. P.-Überlieferung, BZAW 59 ('32) – L. Rost, ZDPV 66 ('43) 205–16 – EKL III, 74f.
    L. Rost

    3. Das nachexil. Judentum feierte (nach Dt 16,1–8) das P. in Jerusalem. – a) Während es ursprünglich auf den Auszug aus Ägypten bezogen war (1), hielten es die Remigranten zunächst als Fest der Reinigung nach dem Auszug aus Babylonien (Esr 6,19–22). Später wurde der Auszug aus Ägypten wieder zum Hauptthema (Jub 49,1–23). – b) P. war zur Zeit Jesu wie Pfingsten und Laubhütten ein Wallfahrtsfest (L 2,41–51), das wichtigste der großen jüd. Feste. Die hauptsächlichen Momente waren folgende: 1) Das P.lamm der betreffenden Familie oder ad hoc gebildeten Hausgemeinde (Jos. Bell. VI, 423) wurde am Rüsttag, 14. Nisan (etwa April), nach ca. 12 Uhr im Jerusalemer Tempel geschlachtet (Mischna Pes. V, 6), in der Stadt gebraten und daselbst wurde am Abend (nach ca. 19 Uhr) des 15. Nisan
    (Jub 49,1) die Mahlzeit gefeiert (StB IV, 54–74). 2) Es war mit dem Massoth-Fest, bei dem ungesäuerte Brote und bittere Kräuter gegessen wurden, so eng verbunden, daß beide oft ineinander verschmolzen erschienen und praktisch identifiziert wurden (Dt 16,2 ff Mt 26,2.17 p usw., Jos. Ant. XIV, 21; Mischna Pes. IX, 5). 3) Inzwischen war auch der Wein (Dt 14,26) ein wichtiges Element des P. geworden (Jub 49,6). Der Sinn der Feier blieb die Erinnerung an die Erlösung aus Ägypten und die Hoffnung auf die kommende Erlösung (Mischna Pes. X, 4ff).

    4. Das jüd. P. wird auch im NT erwähnt. – a) Vor allem kommt es in den Passionsgeschichten der synoptischen Evangelien vor (Mk 14,12–25 p), auch im vierten Evangelium an mehreren Stellen (J 213 64 131 1828 1914), sonst vereinzelt (Apg 12,1–4 206 1K 5,8 H 11,28). – b) Umstritten ist die nicht nur für die Chronologie des Lebens Jesu, sondern auch für das Verständnis der Abendmahls-Feier und der Einsetzungsworte wichtige Frage, ob Jesu letzte Mahlzeit mit seinen Jüngern ein P.mahl war (Mt 26,17–30 p). In den synoptischen Evangelien ist dies offenbar vorausgesetzt (StB II, 812–53; IV, 74ff). Bei den Vorbereitungen ist wiederholt von P. die Rede (Mt 26,2 p17 fp). Weiter geht aus verschiedenen Besonderheiten der Mahlberichte hervor, daß wir es tatsächlich mit einer P.mahlzeit zu tun haben: 1) die Mahlzeit hat in Jerusalem, nicht auf dem Ölberg stattgefunden (es war Vorschrift, das P.lamm innerhalb der Tore von Jerusalem zu essen), 2) gemäß der Sitte für das P.mahl wurde es in der Nacht gehalten, 3) es umfaßte auch Wein und schloß 4) mit einem Lobgesang ab, dem Hallel (auch diese zwei Züge sind charakteristisch für die P.feier). Besonders wichtig ist, daß zu Brot und Wein Deuteworte gesprochen werden: das erinnert an den Brauch, beim jüd. P.mahl dem P.lamm, den Bitterkräutern und dem ungesäuerten Brot Deutung zu geben (Mischna Pes. X, 5). Zu Unrecht führt man dagegen an, daß verschiedene Besonderheiten der jüd. P.mahlzeit, wie das Essen des P.lammes, die bitteren Kräuter usw., nicht erwähnt werden. Man darf nicht vergessen, daß die Evangelien keinen vollständigen Bericht bringen, vielmehr nur dasjenige erwähnen, was für die Abendmahlsfeier der christl. Gemeinde wichtig war. Die Disharmonie zwischen Synoptikern und J in diesem Punkt (das letzte Mahl in der Nacht vom 13. zum 14. Nisan, J 18,28 1914) kann hier nur angedeutet werden. Während dieser Mahlzeit sprach Jesus die Einsetzungsworte über Brot und Becher und spielte auf ein kommendes P. an, das er mit seinen Jüngern zu feiern erwartete (L 22,16).

    5. P. ist auch Breviloquenz für P.lamm (Ex 12,11 u.ö. 1K 5,7).

     Lit.:  Abendmahl u. Lit. zu 1 – StB II, 812–53; IV, 41–76 u. Reg. s.v. – T. Preiss, ThZ 4 ('48) 81–101 – A.J.B. Higgins: The Lord's supper in the NT ('52) – ThW V, 895–903 – J. Blinzler: Der Prozeß Jesu ('552) – A. Jaubert: La date de la cène ('57) – B. Gärtner: John 6 and the Jewish passover ('59) – A.W. Watts: Easter ('59) – B. Reicke: Ntl. Zeitgesch. ('64) 124f. 131–6.
    G. Sevenster


    [Handwörterbuch: Passa. Biblisch-historisches Handwörterbuch, S. 5119
    (vgl. BHH Bd. 3, S. 1396 ff.)
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    Thema Kreuzzüge (Artikel aus dem Islamlexikon der digitalen Bibliothek)


    Kreuzzüge

    Geschichtlicher Überblick

    Kaum ein historischer Vorgang hat die Beziehungen zwischen dem Morgen- und dem Abendland so nachhaltig und so andauernd geprägt wie die Kreuzzüge des Mittelalters. Die europäische Christenheit entwickelte zum ersten Mal einen deutlichen Expansionsdrang, der mit dem »Deus vult« (Gott will es) eine ideologische Basis fand. In vielen Vorstellungen dieser Zeit vermischt sich die Sehnsucht nach dem »himmlischen Jerusalem« mit dem Wunsch, das irdische Jerusalem unter europäische Kontrolle zu bringen, was 1099 auch gelang. So haben auch die ersten Unternehmungen der Kreuzfahrer, die rationaler durchgeführt wurden als der Kinderkreuzzug (1212), deutliche chiliastische Konnotationen. Diese Aktivitäten bildeten für lange Zeit den Nährboden für unabhängige messianische Volksbewegungen. Bei den von den Päpsten initiierten oder autorisierten Kreuzzügen machte sich dagegen immer stärker weltliches Machtstreben bemerkbar. Die politischen Interessen der europäischen Staaten, des Deutschen Reiches, Frankreichs oder Englands, fanden schon beim 3. Kreuzzug, der 1189 begann, offenen Ausdruck. Der 4. Kreuzzug schließlich in den ersten Jahren des 14. Jahrhunderts endete als ein für rein politische Zwecke geführter Krieg. Seine Ursache war eine Kombination aus den Handelsinteressen Venedigs, die sich mit den territorialen Wünschen deutscher und französischer Fürsten zur Eroberung und Aufteilung des oströmischen Reiches verbanden. Zugleich sind die Kreuzzüge ein Indiz für ein kulturelles und technologisches Erstarken Europas im Vergleich zur islamischen Welt.
    Der Angriff der Kreuzfahrer traf den Nahen Osten in einem kritischen Augenblick seiner Geschichte. Die Welle der arabischen Eroberungen war schon seit etlichen Jahren zum Stillstand gekommen und die Türken hatten erst begonnen, sich im Zentrum der islamischen Welt festzusetzen. Der Angriff des lateinischen Westens überraschte eine politisch gespaltene muslimische Gesellschaft, die zunächst nicht in der Lage war, sich gegen ihn zu wehren. Hier war sozusagen eine weitere christliche Front entstanden, während die Auseinandersetzungen der Muslime mit Byzanz schon Tradition hatten und die Reconquista in Spanien für das Gebiet des fruchtbaren Halbmondes zwischen Ägypten und Mesopotamien keine Bedeutung hatte. Syrien war aufgespalten zwischen rivalisierenden türkischen Emiraten; Palästina stand unter der schwächlichen Kontrolle des fatimidischen Ägypten, das sich aufgrund seiner Heterodoxie nicht der Hilfe der sunnitischen Herrscher versichern konnte. Erst seit der Mitte des 12. Jahrhunderts koordinierte sich der muslimische Widerstand. Dabei spielte das arabische Element kaum noch eine Rolle. Es waren türkische Dynastien, die den Kampf in einer kulturell arabischen Umgebung gegen die Kreuzfahrer aufnahmen. Der dadurch einsetzende Prozeß der Turkisierung wurde durch den Machtantritt des Kurden Saladin (Salah ad- Din) unterbrochen. Ihm gelang es, die Herrschaft der Sunna in Ägypten wieder durchzusetzen, und er vernichtete in der Schlacht von Hattin (1187) das lateinische Königreich von Jerusalem. Der von ihm gegründeten Dynastie der Ayyubiden folgten in Ägypten und Syrien die Mamluken, eine Krieger-Gesellschaft, der es nicht nur gelang, in der Schlacht von 'Ain Djalut (1260) den mongolischen Vorstoß zu stoppen, sondern auch die letzten Kreuzfahrerstaaten aufzulösen (1291).

    Folgen der Kreuzzüge

    Die Folgen der Kreuzzüge stellen sich sehr unterschiedlich dar. Die Kreuzfahrer gelangten in eine Kultur, die der Ihrigen in vielen Bereichen überlegen war. Das gilt nicht nur für die Medizin oder die Naturwissenschaften, sondern auch für Literatur, Tanz und Musik bis hin zu verschiedenen Kleidungsformen, Gewürzen und Dingen und Verhaltensweisen des täglichen Lebens. Diese Kenntnisse und Erfahrungen aus dem Vorderen Orient wurden durch die Kreuzfahrer nach Europa gebracht. Auch zahlreiche Pflanzen gelangten über die Vermittlung der Kreuzfahrer in den Okzident. Häufig wird auch das sich in Europa im Zusammenhang mit den Kreuzzügen durchsetzende Ideal der Ritterlichkeit als Folge des Verhaltens des erfolgreichsten Gegners der Kreuzfahrer, des Ayyubiden Saladin, beschrieben. Der Orient wurde dagegen in seinen Vorurteilen gegenüber einem dumpfen, zurückgebliebenen Europa bestätigt. Aus den arabischen Quellen zu den Kreuzzügen entnimmt man niemals den Eindruck, daß die Kreuzfahrer und die von ihnen gegründeten Kleinstaaten als echte Gefahren für den Islam angesehen wurden. Die konfliktreichen Ereignisse wurden als wenig bedeutend für die islamische Geschichte eingeschätzt. Diese Haltung hatte langfristige Folgen. Der Orient verlor auch noch den letzten Rest an Interesse für die politischen, wirtschaftlichen, geistigen und technologischen Entwicklungen in Europa. Als mit der Expedition Bonapartes 1798 wieder europäische Truppen im Orient auftauchten, war der Schock, der aus deren Überlegenheit resultierte, deshalb so beträchtlich, weil sich die Vorstellung der im Endeffekt unterlegenen Kreuzfahrer als der typischen Vertreter Europas bis zu diesem Zeitpunkt gehalten hatte. Bis heute wird die Geschichte der kolonialen Expansion der Moderne in den Nahen Osten und die post-koloniale Durchdringung der Region durch die westlichen wirtschaftlichen und politischen Kräfte von modernen arabischen Geschichtsschreibern und Politologen in einer Terminologie beschrieben, die sich noch immer Begriffen wie »Kreuzfahrer« bedient. Erst mit einer beträchtlichen Verzögerung hat die islamische Welt die historische Bedeutung der Kreuzzüge zu erfassen begonnen.

     Literatur: N. COHN, Das Ringen um das Tausendjährige Reich. Revolutionärer Messianismus im Mittelalter und sein Fortleben in den modernen totalitären Bewegungen, Bern 1961; F. GABRIELI, Die Kreuzzüge aus arabischer Sicht, Zürich 1973; S. RUNCIMAN, Geschichte der Kreuzzüge, 3 Bde., München 1957-1960.
    P. Heine

    [Lexikon des Islam: Kreuzzüge. Lexikon des Islam, S. 891
    (vgl. LdIslam Bd. 2, S. 471 ff.) (c) Verlag Herder
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    Kreuzzüge (RGG-Artikel)

    Kreuzzüge

    1.-4. Verlauf der Kreuzzüge

    5. Sinn und Ziel der Kreuzzüge

    6. Kreuzzugsdichtung: a) Frühe Kreuzdeutungen in der Dichtung des 11. Jh.s – b) Kreuzzugsthematik in den geschichtlichen und spielmännischen Epen des 11./12. Jh.s – c) Kreuzzugslyrik – d) Kreuzlieder und Sprüche der nachhöfischen Generation – e) Berichte über Kreuzfahrten – f) Kreuzzugslieder der Provençalen – g) Mittellateinische Kreuzlieder

    ...

    Kreuzzüge sind mittelalterliche Glaubenskriege vornehmlich gegen den  Islam zur Befreiung  Jerusalems (: II) und des Hl. Landes, aber auch gegen Helden (z. B. in Preußen-Livland) oder gegen Ketzer (z. B.  Albigenser), ja gegen politische »Kirchenfeinde« (z. B. die letzten Staufer).

    1. Der dem Islam eigene Gedanke des »hl. Krieges« war dem Christentum ursprünglich fremd. Heidenbekämpfung galt zwar als Kaiser- und Königspflicht; aber erst seit dem 11. Jh. richteten sich auch die kriegerischen Kräfte des Adels und Rittertums auf religiöse Ziele. Als Kampf gegen die Ungläubigen wurde die spanische Reconquista und die normannische Eroberung Siziliens motiviert. Von Cluny und anderen Reformern wurde der Adel zum Kampf für den Gottesfrieden, von Gregor VII. für die »Freiheit der Kirche« angespornt. Dieser plante 1074 bereits eine Heerfahrt zum Grabe Christi, kurz ehe der Investiturstreit (...) ausbrach. Als Urban II. den Kaiser Heinrich IV. in der Lombardei mattgesetzt, auch den französischen König Philipp I. als Ehebrecher gebannt hatte und zugleich von bedrängten Palästinapilgern und vom byzantinischen Kaiser Alexios I. um Hilfe gegen die vordringenden Seldschuken ersucht wurde, rief er 1095 auf Synoden in Piacenza und Clermont-Ferrand zur Befreiung des hl. Grabes auf. Gleichzeitig gebot er einen allgemeinen Gottesfrieden in der Christenheit, als habe nun der Papst zuhöchst über Krieg und Frieden zu entscheiden. Er fand begeisterten Widerhall, vor allem in Frankreich, auch unter den  Normannen Süditaliens; die Könige Europas blieben unbeteiligt. Volksmassen unter unmilitärischen Führern wie dem Eremiten Peter von Amiens brachen voreilig auf und kamen unterwegs um, ohne das Ziel zu erreichen. Ihr frommer Übereifer entlud sich schon in den rheinischen Städten in Juden-Pogromen. Die Ritterheere der Fürsten folgten, von einem päpstlichen Legaten begleitet, doch ohne gemeinsame Führung, ohne klare politische Ziele für das zu befreiende Hl. Land. Sie gerieten schon mit Alexios I., der die Lehnshoheit über alle vom Islam befreiten Gebiete beanspruchte, und bald auch untereinander in Konflikte. Sie gründeten unterwegs eigene Herrschaften in Edessa (...), dem Bollwerk zwischen dem mesopotamischen und dem syrisch-ägyptischen Flügel des Islam, in Antiochien (...), das nach schweren Kämpfen nur durch die List und Tatkraft des Normannen Bohemund von Tarent (Robert Guiscards Sohn) gewonnen und behauptet, aber auch von ihm beansprucht wurde, und im syrischen Tripolis (...), mit dem der ehrgeizig-fromme Graf Raimund von Toulouse sich begnügen mußte. Als nach unsäglichen Mühen und Opfern am 14.7.1099 Jerusalem erstürmt wurde, ließ Gottfried von Bouillon, als Herzog von Niederlothringen der einzige Reichsfürst unter den ersten Kreuzfahrern, sich dort demütig nicht zum König, sondern zum »Beschützer des hl. Grabes« wählen. Doch im nächsten Jahr starb er, und sein Bruder Balduin, vorher Fürst von Edessa, wurde König von Jerusalem. – So waren vier Kreuzfahrerstaaten entstanden, Kolonien des Abendlandes, vor allem der Franzosen (nach denen man im Orient alle Europäer »Franken« nannte), auch der am stärksten machtpolitisch interessierten Normannen Süditaliens und der Handelsstädte Genua, Pisa, Venedig, deren Schiffe für den Nachschub unentbehrlich waren. Ihr Orienthandel, ein reger Kulturaustausch, eine abenteuernde Macht- und Genußgier überwogen bald den frommen Kampfeifer, den die im hl. Land begründeten Ritterorden der Johanniter und Templer neu zu beleben suchten.

    2. Die Zersplitterung des Islam hatte die Erfolge des 1. Kreuzzugs erleichtert; seine Einigung von Bagdad oder von Kairo aus mußte sie gefährden, so oft auch neue Kreuzfahrerscharen, bald auch aus Süddeutschland, nachfolgten. Sie gingen zumeist erfolglos zugrunde. Die Rückeroberung Edessas von Mossul aus (1141/46) gab den Anstoß zum 2. Kreuzzug, für den vor allem Bernhard von Clairvaux leidenschaftlich warb und sowohl den französischen König Ludwig VII. wie den lange widerstrebenden Staufer Konrad III. gewann. Dessen norddeutsche Gegner zogen auf einen »Wenden-K.« gegen die heidnischen Slawen an der unteren Oder, ohne sie unterwerfen oder bekehren zu können. Erst recht schlug der von den Königen geführte 2. Kreuzzug von 1147/48 fehl. Ihre Heere wurden schon in Kleinasien großenteils vernichtet; sie selbst verfeindeten sich, der gemeinsame Kreuzzug drohte in einen Krieg der europäischen Mächte auszumünden.

    3. Trotz dieser Katastrophe wurde die abendländische Christenheit an der Kreuzzugsidee nicht irre. Sie belebte sich neu, als Jerusalem nach einer vernichtenden Niederlage der Christen in Galiläa 1187 von Sultan Saladin erobert wurde. Gegen ihn rüstete Friedrich I. Barbarossa, nach langem Konflikt mit dem Papsttum um Verständigung bemüht, zum 3. Kreuzzug, den nun erstmals der Kaiser an der Spitze der Christenheit als Reichskrieg führte. Doch im Juni 1190 ertrank er unterwegs an der Südküste Kleinasiens (s. Karte 19 F 3). Die Könige Frankreichs (Philipp II. August) und Englands (Richard Löwenherz) übernahmen die Führung. Sie eroberten 1191 die Hafenstadt Akkon (...) zurück, vertrugen sich aber nicht und richteten weiter nichts aus. Kaiser Heinrich VI. nahm das Unternehmen seines Vaters Barbarossa 1197 planvoll wieder auf; aber sein früher Tod unterbrach den Vormarsch gegen Jerusalem. Damals wurde in Akkon der Deutsche Ritterorden gegründet, der seine Aufgabe bald anderwärts an der Heidengrenze suchte, erst in Ungarn, dann in Preußen.

    4. Papst Innozenz III. wollte den Kreuzzug wieder zur Sache des Papsttums (...) statt der Kaiser und Könige machen. Der von ihm betriebene 4. Kreuzzug wurde jedoch von den Venezianern nach Byzanz abgelenkt. Nach dessen Eroberung im April 1204 wurde dort ein »Lateinisches Kaisertum« über anderen fürstlichen und venezianischen Herrschaften errichtet; 1261 erlag es dem Rückstoß des nach Nicäa ausgewichenen byzantinischen Kaisertums. Im Abendland führte die Kreuzzugserregung zu spontan- planlosen Aufbrüchen wie dem »Kinder-K.« von 1212, auf dem Tausende aus Nordfrankreich und vom Niederrhein umkamen. Sie wurde auch gegen die Ketzer in Südfrankreich (Albigenser) gelenkt, später gegen die Stedinger an der Unterweser mißbraucht. Auf dem 4. Laterankonzil 1215 wollte Innozenz III. den Kreuzzug unter kirchlicher Leitung organisieren und durch einen Kreuzzugszehnt finanzieren. Erst unter seinem Nachfolger Honorius III. brach der 5. Kreuzzug auf, diesmal nach Ägypten. Nach der mühsamen Eroberung des Hafens Damiette wurde das Kreuzheer jedoch im Nildelta vernichtet (1221). Kaiser Friedrich II. wurde dafür verantwortlich gemacht, weil er die von ihm schon bei seiner Aachener Krönung 1215 gelobte Kreuzfahrt immer wieder verzögerte, um zuvor seine Macht im Königreich Sizilien zu stärken. Als ihn deshalb  Gregor IX. 1227 bannte, brach er im nächsten Jahr trotzdem auf und konnte sich im März 1229 selbst zum König von Jerusalem krönen. Ohne Kampf, durch Verträge mit dem ägyptischen Sultan, hatte er die Pilgerstätten des Hl. Landes für die Christen zurückgewonnen, während der Felsendom in Jerusalem den Mohammedanern überlassen blieb. Auch dieser zunächst heftig geschmähte Erfolg toleranter Verständigung wurde 1244 wieder hinfällig. Seit 1239 erneut gebannt, fand Friedrich II. keinen Ausweg aus dem Kampf mit dem Papsttum, das nun gegen ihn und seine Nachkommen zum Kreuzzug aufrief. Als »Kreuzfahrer« kam Karl von Anjou 1263/66 den Päpsten gegen die letzten Staufer zu Hilfe und wurde ihr Nachfolger im Königreich Sizilien. – Nur der fromme König Ludwig IX. von Frankreich zog währenddessen noch als echter Kreuzfahrer 1246 nach Ägypten. Auch dieser 6. Kreuzzug scheiterte nach kurzem Anfangserfolg; Ludwig IX. geriet in jahrelange Gefangenschaft. Er unternahm gleichwohl 1270 einen letzten erfolglosen Kreuzzug nach Tunis, auf dem er starb. 1291 ging auch das letzte Kreuzfahrerbollwerk Akkon verloren. Seitdem spielten Kreuzzugspläne noch oft eine Rolle in der europäischen Politik, zumal seit die Türken im 14. Jh. nach Europa vordrangen. Gegen sie führte der spätere Kaiser Sigismund als König von Ungarn ein starkes Kreuzheer aus der ganzen Christenheit; es wurde 1396 bei Nikopolis an der unteren Donau geschlagen. Die Türkenkriege lösten die Kreuzzüge ab.

    5. Dauerhafte politische Erfolge hatten die Kreuzzüge also nicht. Aber danach allein sind sie nicht zu beurteilen. Soviele politische Interessen der Päpste, Herrscher, Fürsten, auch Handelsinteressen der Städte sich von früh an damit verquickten, haben doch religiöse Impulse des Ritteradels in Frankreich und anderwärts die Kreuzzugsbewegung allererst ermöglicht und stets getragen. Ihr Sinn und Ziel war, das Grab Christi und andere heilige Stätten (...) der Christenheit, der Jerusalem als ideelle Mitte der Welt galt, nicht den »Ungläubigen« zu überlassen, die man freilich wenig kannte und deren Macht und Kultur man weit unterschätzte. Der Erfolg des opferreichen 1. Kreuzzugs war zu groß und begeisternd, um ihn wieder preiszugeben, zu schwach, um ihn dauernd zu behaupten, wenn der Islam sich einte. Überdies lernte man dessen Kulturgüter schätzen, und der religiöse Fanatismus wandelte sich bisweilen in Achtung vor der Gesinnung und Haltung der Andersgläubigen. Das mochte die Kampfkraft und -lust schwächen, doch es weitete den geistigen Horizont und bereicherte das Abendland durch vielerlei Güter, Kenntnisse, geistige und künstlerische Einflüsse des Orients (zur Dichtung s. 6). Darin lag nicht das Ziel, kaum die Rechtfertigung, aber ein folgenreiches Ergebnis der Kreuzzüge. Ob es ihre Opfer aufwog, ist schwerlich zu ermessen. Die Kreuzzugsidee, so oft sie politisch mißbraucht wurde und entartete, kennzeichnet ein Zeitalter, dessen Glaube weniger nach Zweck und Nutzen fragte als nach dem Seelenheil und nach Gottes Willen und dafür kein Opfer scheute. »Gott will es« war der Kampfruf und die durch nichts zu widerlegende Überzeugung der echten Kreuzfahrer.

     Hauptquellen im Recueil des historiens des croisades, 16 Bde, Paris 1841-1906 – C. ERDMANN, Die Entstehung des Kreuzzugsgedankens (FKGG 6), 1935; Neudr. 1955 – M. VILLAY, La croisade. Essai sur la formation d'une théorie juridique (Diss. Paris), 1942 – P. ALPHANDÉRY, La Chrétienté et l'idée de croisade I, Paris 1954 – L. BOEHM, Die Kreuzzüge als historiograph. Problem (Saeculum 8, 1957, 43-81) – H. E. MAYER, Bibliogr. zur Gesch. der Kreuzzüge, 1960. – Gesamtdarstellungen: R. GROUSSET, Hist. des croisades et du royaume franc de Jérusalem, 3 Bde, Paris 1934-36 – DERS., L'épopée des croisades, ebd. 1939; dt. 1951 – A. S. ATIYA, The Crusade in the later MA, London 1938 – S. RUNCIMAN, A History of the Crusades, 3 Bde, ebd-Toronto 1951 bis 1953; dt. 1957 ff. – A History of the Crusades, ed. K. M. SETTON u. a., Philadelphia/USA 1955 ff., geplant 5 Bde – A. WAAS, Gesch. der Kreuzzüge, 2 Bde, 1956 – P. ROUSSET, Hist. des Croisades, Paris 1957.
    H. Grundmann


    6. Leitender Gesichtspunkt für die folgende Übersicht über die Kreuzzugsdichtung bleibt der bewaffnete Zug ins Hl. Land. Demnach scheidet das Pilgerlied im engeren Sinne aus. Erwähnt werden dagegen Dichtungen, die eine Kreuzfahrt gegen Ungläubige innerhalb des Abendlandes zum Thema haben, also die Züge nach Spanien und Preußen. Entscheidendes Kriterium ist die Nähe zur kirchlichen Kreuzzugsthematik im MA, bes. der Zusammenhang der ritterlichen Dichtung mit Aufruf, Predigt und Heilsgeschichte.
    a) Schon in der adoratio crucis der Karfreitagsliturgie und in der Hymne »Pange lingua gloriosi« erscheint das Kreuz als Symbol des »imperium Christi«. Die hier gegebene heilsgeschichtliche Hinweisung soll auf die »conversio morum« wirken. Von einer so vorbereiteten Belehrung aus, in der sich Heilsverkündigung und Aufruf zur Nachfolge Christi (...) in der freiwilligen Kreuznahme vereinigen, sind die Grundgedanken für das erste Pilgerlied dichterischer Prägung gegeben. Dieses Lied wird als »Ezzos Gesang« bezeichnet und trägt den Charakter eines gesungenen geistlichen Liedes, wobei dem Mittelstück als kunstvoll strukturierter Kreuzsymbolik besondere Bedeutung zukommt. Dem Gehalt dieses Liedes nähern sich gedanklich die beiden frühmittelhochdeutschen Kreuzesinterpretationen »Summa theologiae« und »des armen Hartmanns Credo«, die zur echten devotio vor Gott auffordern, zugleich aber Heilsverkündigung und Standeskritik miteinander in Beziehung setzen. Im Gedanken an die freiwillige Kreuznahme in der Nachfolge Christi und in der Erinnerung an den Tod erscheint die Selbstüberwindung als erste Forderung und als innere Rechtfertigung christlicher Existenz.
    b) Unter den Geschichtsdichtungen, die Idee und Wert der Kreuzzüge als durchlaufendes Begleitthema haben, nimmt die »Kaiserchronik« den ersten Platz ein. Die Vereinigung von Weltherrschaft und Gottesdienst im kaiserlichen Herrscherbild, vor allem in der Gestalt Karls d. Gr. als eines von Gott auserwählten Gottesstreiters, verleiht der Darstellung ihre enge Kreuzzugs-Bezogenheit. Karl erscheint als kaiserlicher Büßer und als Verteidiger des Christentums, als »gotes wîgant«, dessen devotio im Kampf gegen die Sarazenen zugleich eine erste Idealisierung des christlichen Ritters enthält. Der Gedanke des Hl. Krieges, die Erinnerung an den Opfertod Gottfrieds von Bouillon (...), die Wiederholung der aus den frühen Kreuzzugs-Bullen und -Predigten bekannt gewordenen Gedanken, die Demut der christlichen Ritter gehören thematisch zusammen und verbinden sich mit charakteristischen Legendenmotiven sowie mit der Schilderung des hl. Kreuzes, des Grabes Christi, der Heidentaufe und der Sinnesänderung der Kaisergestalten von der superbia zur devotio. In nächster Nähe zur Kaiserchronik steht das lateinische Spiel »Ludus de Antichristo«. Weitergeführt wird das Karls-Thema im deutschen »Rolandslied« des Pfaffen Konrad. (Im französischen Rolandslied fehlt eine vertiefte Kreuzzugsproblematik.) Abweichend von den sonst häufig wiederholten Kreuzzugsmotiven der Kaiserchronik erscheinen eine von Bernhards Predigten bestimmte Spiritualisierungstendenz und das Streben nach Milderung des Hasses gegen die Heiden. Dagegen wird die Gegenüberstellung heidnischer superbia und christlicher devotio durchgehalten und damit der Heidenkampf motiviert. Deutlich treten Parallelen zu Predigten Urbans II. und Bernhards hervor. Die Heilswürdigkeit des Heeres und der großen Einzelkämpfer steigert die durchlaufende propagandistisch gestaltete Kreuzzugsidee zu einem überhöhten christlichen Lohnversprechen, das aber Reue und Buße des einzelnen zur Voraussetzung hat. Im Sinne Bernhards klingt die Freude an dem in der Kreuznahme dargebrachten Opfer überall durch. Anklänge an die benediktinische Liturgie sind nicht zu überhören.
    Die sog. Spielmannsepik koordiniert in ihren Schilderungen des Heidenkampfes sehr geschickt das Abenteuerliche mit dem Heilsgeschichtlichen. Im »Oswald« verknüpft sich eine Frauenraubgeschichte mit der Eroberung des Hl. Grabes, mit Heidenbekehrung und Wunderglauben. »Orendel«, »Salman und Morolf«, »Herzog Ernst«, »König Rother« fügen dieser Grundstruktur ritterliche Werte und mönchische Ideale hinzu, so daß sich am Schluß solcher Romane häufig der freiwillige Eintritt des ritterlichen Helden in die Mönchsgemeinschaft als letzte Verwirklichung einer im Irdischen erstrebten Demut vor Gott ergibt. Die Bruchstücke des Gedichts vom »Grafen Rudolf« setzen die Kreuzzugsidee in Beziehung zu den historischen Verhältnissen im Königreich Jerusalem und zeigen neben spielmännischen Motiven eine höfische Grundhaltung, die zu einer neuen toleranten Sicht der Heidenkämpfe führt.
    c) Kreuzzugslyrik als Ausdruck persönlicher Gottverbundenheit entsteht in Deutschland bes. im Zusammenhang mit den Kreuzzügen Barbarossas und Heinrichs VI. (...) unter Einwirkung des kaiserlichen Vorbildes. Weit über die französischen und lateinischen Klage- und Aufrufslieder hinausreichend steigert sich im Anschluß an die Kreuzpredigten bei Friedrich von Hausen die ursprünglich rein weltliche Minneproblematik durch die von Bernhard mitbestimmte neue devotio zu einem Gradualismus gottgebundener Opferbereitschaft innerhalb des Ritterstandes. In Albrechts von Johannsdorf Kreuzzugsgedichten gewinnt die Kreuznahme im Abschiedslied eine starke Erlebnisnähe und eine so hohe Bewertung des triuwe-Begriffs, daß von hier aus der Schritt zur Absage an die weltliche Minne – wie bei Hartmann von Aue – nur als selbstverständliche Entwicklung unter dem Einfluß der Kreuzzugsidee erscheint. Selbst der Lohngedanke verliert seine Bedeutung soweit, daß hier von einer Vollendung des christlichen Rittertums in der Kreuznahme gesprochen werden kann. Mit der engen Beziehung auf Barbarossas Tod und der damit verbundenen Poetisierung des Todesgedankens gelingt Heinrich von Rugge im »Kreuzleich« eine religiöse Gedankendichtung, die in die poetische Wirklichkeitsebene weit über der geschichtlichen Wirklichkeit des MA einmündet. Die Kreuzlieder und Sprüche Walthers von der Vogelweide gewinnen aus der Verbindung von Vergangenheits- und Zukunftsidealen höfischen Rittertums ihre enge Beziehung zum Kreuzzugserlebnis seiner Generation. Die (heute umstrittene) Fiktion der Kreuzzugsteilnahme schafft im »Palästinalied« eine neue Form des Aufrufsliedes; in seiner »Elegie« beklagt er neben dem Verfall höfischer Zucht die verlorene Reinheit der Kreuzzugsidee im höfischen Ritterstand. Von einer Toleranz gegenüber den Heiden ist bei ihm nichts zu spüren. Diese wird gleichzeitig in Wolframs von Eschenbach »Willehalm« zukunftsweisend entwickelt. Das Bild Willehalms, des ritterlich-christlichen Gottesstreiters, dessen Vollkommenheit ihn zum Heiligen erhöht, gehört allein Wolfram und findet auch bei den Fortsetzern dieses Kreuzzugsstoffes, bei Ulrich von Eschenbach und Ulrich von Türheim, keine dichterische Weiterführung. Die großen Toleranzreden in Wolframs Werk deuten klar genug an, daß eine neue Weltanschauung der »humanitas« die Kreuzzugsidee aufzunehmen und aufzulösen bereit ist.
    d) Die Kreuzlieder und Sprüche in der nachhöfischen Generation (1228 und später) zeigen zwar Einwirkungen Walthers von der Vogelweide und motivgleiche Themagestaltung, aber die Kreuzzugsidee erscheint verblaßt, und die Erinnerung an die Realität der Leiden einer solchen »vart« überdeckt ihren reinen Glanz. Die Lieder Rubins und Hiltbolts von Swangau enthalten wohl noch den Mahnruf an die Ritter und verkünden die unerschütterliche »devotio« Gott gegenüber, aber die freiwillige Opferbereitschaft ist der Pflicht zur Kreuzzugsteilnahme gewichen. Beim Burggrafen von Luenz fügt sich nur eine einzige Zusatzstrophe, die das Kreuzzugsmotiv behandelt, einem Taglied an und schafft so die Stimmung einer von diesem Liedtypus grundverschiedenen Abschiedssituation. Eine säkularisierte Kreuzzugsterminologie charakterisiert das Lied Ottes von Bottenlouben. Neidharts Kreuzlieder kennen nur noch das Heimkehrthema. Sie enden in einem Scheltlied auf den Kreuzzug und führen zur völligen Desillusionierung des Kreuzzugsgedankens. An negativen Argumenten werden sie nur noch von dem Kreuzlied des Tannhäuser übertroffen, in dem realistische Beschreibungen einer Seefahrt ins Hl. Land die religiöse Thematik nahezu auflösen. In Freidanks »Akkon-Sprüchen« klingt gelegentlich noch aus der Schilderung der Enttäuschungen und aus dem müden Hinweis auf die christlichen Lohnverheißungen die Dankbarkeit auf für die Kreuzzugsverwirklichung Friedrichs II. Beim Stricker tritt dann eine Neubewertung in rein kirchlichem Geist zutage. Kreuzfahrt erscheint in seinen Gebetsliedern wieder als »betevart«, die Armen und Reichen die Gnade Gottes als Lohn verbürgt. Das Kreuzholz wird gedeutet als letzter Schild gegen jegliche Versuchung zur Sünde. Die Kreuzzugsidee hat sich in der deutschen Dichtung in Heilssymbolik und Heilsverkündigung aufgelöst.
    e) Nicht im Sinne künstlerischer Gestaltung, sondern als historische Geschehensschilderung wären die zahlreichen Berichte über Kreuzfahrten zu erwähnen, etwa die an Kreuzzugsmotiven reichen Chronik-Darstellungen in Nikolaus von Jeroschins »Maccabäerbuch« oder die »Kreuzfahrt Ludwigs des Frommen«. Auch die »Historia belli sacri« des Wilhelm von Tyrus wäre zu nennen, die allerdings nicht die Höhe künstlerischer Kreuzzugsprosa erreicht wie Geofroi de Villehardouins Darstellung des 4. Kreuzzugs. In derartigen Berichten tritt jedoch die Kreuzzugsidee hinter dem geschichtlichen Bericht zurück.
    f) In den Kreuzzugsliedern der Provençalen läßt sich die thematische Beziehung auf Heidenkämpfe im Orient und in Spanien nicht immer klar unterscheiden (bes. bei Liedern zum zweiten Kreuzzug des Marcabrun 1146). Die Begründungen für den Aufruf im Lied stammen aber aus der gleichen Quelle: aus Kreuzzugsbulle und Kreuzzugspredigt. Auch das Minne-Thema findet sich in vielen altfranzösischen übereinstimmend mit deutschen Liedern, nur erfährt es verschiedene Ausgestaltung je nach der persönlichen Beteiligung und historischen Bezogenheit. Dem Liedtypus nach finden sich auch bei den Provençalen Aufrufs-, Abschieds- und Geschichtslieder. Ebenso läßt sich seit den Zügen nach 1197 die zunehmende Verflachung der Idee in der Kreuzzugsthematik sehr deutlich feststellen, die später im 13. Jh. zu deren Auflösung in realistische Darstellung der Leiden einer Kreuzfahrt führt. – Für die Namen der provençalischen Dichter und deren Teilnahme an Kreuzfahrten vgl. Lit. (s. u.).
    g) Die mittellateinischen Kreuzlieder ergänzen die beiden oben charakterisierten Gruppen. Entsprechend dem objektiven Aussagecharakter des Lateinischen fehlt meist die innere Anteilnahme. Nur einige Aufrufslieder machen hier eine Ausnahme (vgl. die Kreuzzugslieder der »Carmina burana« in der Gruppe »Seria«). Formal wertvoller oder für die Problematik aufschlußreicher sind wenige Einzellieder, von denen z. B. das kaum bekannte Hexameter-Aufruflied »Carmen Sangallense« und das Klagelied von St. Peter in Salzburg zu nennen sind, weil sich im ersten Lied ein stark rhetorisches Fragespiel zwischen dem Kreuz und dem säumigen christlichen Ritter erhalten hat und im zweiten eine bewegte Klage über die an den Christen im Morgenland verübten Untaten der Heiden angestimmt wird.

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     Für die literaturgeschichtl. Qu. u. Forschungen vgl. RDL2 I, 885 ff. (Kreuzzugslit., mit reicher Lit.). – Allgemein: F. J. E. RABY, Hist. of secular Latin Poetry in the MA, Oxford (1934) 19572 – F. W. WENTZLAFF-EGGEBERT, Kreuzzugsdichtung des MA, 1906 (in Vorb.). – Zu 7 f. vgl. zum Nachweis der Texte: A. PILLET – H. CARSTENS, Bibliogr. der Troubadours, 1933. – Ferner: H. SCHINDLER, Die Kreuzzüge in der altprovenç. u. mhd. Lyrik, 1889 (vielfach überholt, aber mit einem Verzeichnis der Abdrucke der altprovenç. u. mhd. Kreuzzugslieder, S. 48 f.) – K. LEWENT, Das altprovenç. Kreuzzugslied (Diss. Berlin), 1905 – I. FRANK, Trouvères et Minnesinger, Saarbrücken 1952. – Zu 7 g: Text u. Kommentar: Carmina burana, hg. v. A. HILKA u. O. SCHUMANN, 2 Bde, 1941 – G. M.  DREVES, Analecta hymnica, Bd. XXI, passim. – Text von »Quid dormis, vihica« (Ms. in St. Gallen) bei E. FARRAL, Les arts poétiques du XIIe et du XIIIe siècle, Paris 1923, bes. 16.29.207 ff. – Text von »Plange Syon et Judaea« (Ms. in St. Peter in Salzburg) bei DREVES, a. a. O.. – Vgl. auch die Lit. zu  Mittelalterliche Literatur: I.
    F. W. Wentzlaff-Eggebert

    [Kreuzzüge. Die Religion in Geschichte und Gegenwart, S. 18834
    (vgl. RGG Bd. 4, S. 54 ff.) (c) J.C.B. Mohr (Paul Siebeck)
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    Kreuzzüge (Fischer Weltgeschichte)


    Das Alibi der Kreuzzüge: von der Pilgerfahrt zum Kreuzzug

    Auch die Kreuzzüge knüpfen an eine alte Tradition an, an die Pilgerfahrten. Um das Jahr 1000 steigert sich die Inbrunst der Wallfahrt ins Heilige Land. Gleichzeitig entwickelt sich jener Komplex aus Gerüchten und die Mentalität, aus denen die Kreuzzüge entstehen werden. Man erzählt im Westen, daß die Moslems ihre Grausamkeiten gegen die heiligen Stätten und die Pilger verdoppeln und daß die Juden ihren Verrat am Christentum erneuern, und man wiegt sich in der Hoffnung, die Ungläubigen zu bekehren, die man übrigens als Heiden betrachtet. Für diesen wandernden geistigen Aufruhr ist Raoul Glaber zu Beginn des 11. Jahrhunderts ein guter Zeuge: »Im neunten Jahr nach dem Jahr 1000 wurde die Kirche, in der sich in Jerusalem das Grab unseres Herrn und Heilands befand, auf Geheiß des Fürsten von Babylon ganz und gar zerstört ... Da diese glorreiche Gedenkstätte des Ruhms unseres Herrn aus der ganzen Welt eine Menge Besucher nach Jerusalem zog, begann der Teufel voll Haß mit Hilfe seines üblichen Verbündeten, der jüdischen Nation, über die Anhänger des wahren Glaubens das Gift seiner Gemeinheit auszugießen. Es gab in Orleans, einer Königsstadt in Gallien, eine beträchtliche Kolonie dieser Rasse, die sich stolzer, boshafter und unverschämter zeigte als ihre Artgenossen.

     Abb. 8: Die Fahrenden: Kreuzritter und Pilger. Kreuzritter und Pilger bei der Ankunft an der Pforte des Paradieses. Ausschnitt aus dem Tympanon der Kathedrale von Autun (Saône-et-Loire, Frankreich)

    In hassenswerter Absicht verführten sie mit Geld einen Vagabunden, der das Pilgerkleid trug, Robert genannt, einen entflohenen Leibeigenen aus dem Kloster Sainte-Marie-de-Moutiers. Mit tausend Vorsichtsmaßnahmen schickten sie ihn zum Fürsten von Babylon mit einem hebräisch geschriebenen Brief, der in seinen Pilgerstab unter einer kleinen Eisenrolle eingelassen wurde, damit man nicht Gefahr lief, daß er ihm entrissen werde. Der Mann machte sich auf den Weg und trug dem Fürsten diesen Brief voller Lügen und Gemeinheiten zu, in dem ihm gesagt wurde, wenn er sich nicht beeile, das verehrungswürdige Haus der Christen niederzuwerfen, müsse er selbst damit rechnen, daß jene bald sein Königreich besetzten und ihn aller seiner Würden entkleideten.
    Auf diesen Brief hin schickte der wütende Fürst sofort eine Expedition nach Jerusalem, die das Heiligtum zerstören sollte ... Das göttliche Erbarmen wollte, daß die Mutter dieses gleichen Fürsten, ich meine des Amirats von Babylon, eine sehr christliche Frau namens Maria, das auf Befehl ihres Sohnes zerstörte Heiligtum Christi mit schönen behauenen Steinen wiederaufbauen ließ. Man sagt übrigens auch, daß, einem anderen Nikodemus vergleichbar, ihr Mann, der Vater des Fürsten, um den es sich hier handelt, insgeheim Christ war. So strömte aus der ganzen Welt eine unglaubliche Menge Leute nach Jerusalem, mit zahlreichen Opfergaben für die Wiederherstellung des Gotteshauses beladen.« Und weiter: »Zur selben Zeit eilte eine zahllose Menge aus der ganzen Welt zum Grab des Heilands nach Jerusalem; niemand hätte einen solchen Zustrom vorhersehen können. Es waren zunächst Menschen aus dem Volk, dann solche der Mittelschicht und die größten Könige, Grafen und Prälaten; endlich sah man, was man noch nie gesehen hatte: hochgeborene Frauen zogen mit den niedrigsten Leuten an diesen Ort. Viele sehnten sich zu sterben, bevor sie in ihre Heimat zurückkehrten ...«
    1078 erobern die Türken, die die Herren Bagdads und seit 1055 »Beschützer« des Kalifen sind, Syrien und bemächtigen sich Jerusalems. Christliche Chroniken des 12. Jahrhunderts geben den türkischen Fanatismus, der die christliche Pilgerfahrt verhindert habe, als Hauptgrund für die Kreuzzüge an. Diese Fabel entspricht weder den orientalischen Tatsachen, denn die Türken hemmen die Wallfahrt keineswegs, noch der westlichen Wirklichkeit, denn am Ende des 11. Jahrhunderts scheint man sich noch nicht auf den türkischen Vorwand berufen zu haben. Ausgelöst wurden die Kreuzzüge durch die päpstliche Initiative. Schon in Spanien hatte sie die Umwandlung der Reconquista in einen heiligen Krieg begünstigt. Die Ausfahrt nach Jerusalem fand im Zusammenhang der gregorianischen Reform ihren Platz. Zunächst gab es einen ganz bestimmten Anlaß: Gregor VII., später Urban II. suchten in ihrem Kampf gegen Heinrich IV. die Unterstützung der byzantinischen Kaiser. Diese wiederum waren an einer Unterstützung interessiert, die die Normannen mäßigen und ihnen gegen die Petschenegen im Norden und die türkischen Seldschuken in Anatolien helfen sollte. Das Unternehmen Urbans II., im Heiligen Land einen Ablenkungsfeldzug zu organisieren, entsprach nicht ganz dem Wunsch des basileus Alexios Komnenos, und die Schwierigkeiten zwischen Griechen und Lateinern vertieften sich seit dem ersten Kreuzzug.
    Diesen scheinen Urban II. und der Bischof der Stadt, Aimar von Monteil, 1095 in Le Puy beschlossen zu haben. Aimar war 1087 als Pilger im Heiligen Land gewesen. Er gehörte einer großen Familie des südlichen Adels an, die mit dem Grafen von Toulouse nahe verwandt war. Ihm vertraute der Papst auf den Vorschlag des Bischofs von Le Puy hin die Leitung eines kleinen Feldzugs nach dem Vorbild der spanischen Züge in den Jahren 1064, 1073 und 1088 an. Im November 1095 verkündete der Papst in Clermont dieses Unternehmen; Wortlaut und Widerhall sind uns unbekannt, denn die Berichte des 12. Jahrhunderts, die das Ereignis überliefern, haben die Ansprache des Papstes und den Enthusiasmus, der unmittelbar darauf folgte, sicherlich erfunden. Wahrscheinlich dachte Urban II., daß das Papsttum, über dieses begrenzte Unternehmen hinaus, in seinem Kampf gegen das Imperium aus dem Kreuzzugsgedanken Nutzen ziehen könne. Es würde als Führer der Christenheit auftreten und der turbulenten christlichen Ritterschaft ein Ventil verschaffen, das vielleicht dazu beitrug, jenen »Frieden«, zu dessen Wortführer die Kirche sich gemacht hatte, im Westen herbeizuführen.
    Noch während des zweiten Kreuzzugs hob der heilige Bernhard 1146 die reinigende Wohltat, die der Kreuzzug der Christenheit bringen könne, in einem Sühne-Zusammenhang hervor, denn die Kreuzzüge waren zur christlichen Buße schlechthin geworden. In seinem Brief an den Erzbischof von Köln und den Bischof von Speyer pries der heilige Bernhard den Kreuzzug als »eine erlesene Erfindung« des Herrn, durch den »er zu seinem Dienst auch Mörder, Räuber, Ehebrecher, Meineidige und viele andere Verbrecher zuläßt und ihnen eine Gelegenheit zum Heil bietet«.
    Sicher ist, daß der Papst von dem Widerhall seiner Predigt überrascht war. Sie fiel tatsächlich in eine für die Ideologie des heiligen Krieges vorbereitete Umgebung, die außerdem darin noch die Gelegenheit fand, zugleich mit der Sicherung des ewigen Heils, ihren Schwierigkeiten und materiellen Nöten zu entkommen. Jene Gegenden, in denen die Bevölkerungszunahme, die Hungersnöte und die Epidemien des Mutterkornbrands während der zweiten Hälfte des 11. Jahrhunderts am stärksten herrschten, stellten auch die Haupttruppen des ersten Kreuzzugs: das Rheinland, Lothringen, Flandern, Ile-de-France, Languedoc, Provence, Süditalien.
    Sicher ist auch, daß Handelsmotive eine geringe Rolle beim Ausbruch der Kreuzzüge spielten. Die großen Kaufmannsstädte Italiens nahmen erst dann widerwillig an dieser Bewegung teil, als sie unwiderstehlich und so umfassend erschien, daß ihr eigenes Interesse verlangte, allen nur möglichen Gewinn daraus zu ziehen. Die Genuesen entschieden sich als erste, dem Aufruf der Bischöfe von Grenoble und Orange zu folgen; im November 1097 kamen zwölf ihrer Galeeren in Alexandrette an. Auf Betreiben des Papstes, der seinen Legaten Daimbert zum Erzbischof von Pisa machte, schickten auch die Pisaner eine Flotte zu Hilfe (120 Schiffe), aber erst im September 1099, nach der Eroberung Jerusalems. Venedig bequemte sich schließlich im Sommer 1100, 200 Schiffe zu entsenden.
    Der erste Kreuzzug

    Der erste Kreuzzug umfaßte mehrere unterschiedliche Feldzüge. Ein volkstümlicher Kreuzzug von Bauern und Armen ohne militärische Organisation brach zuerst auf. Es war ein wahrhafter Volkshaufen, der in zwei Wellen anbrandete – die eine Gruppe bestand meist aus Deutschen unter der Leitung Walters ohne Habe, die andere vor allem aus Franzosen, von Petrus von Amiens durch das byzantinische Kaiserreich geführt; sie plünderten und töteten die Juden auf ihrem Weg. In Kleinasien wurden sie im November 1096 von den Türken getötet oder als Sklaven verschleppt.
    Der lothringische Kreuzzug, vorwiegend aus den wallonischen Ländern zusammengestellt und von Gottfried von Bouillon (aus den Ardennen) angeführt; der italienische Kreuzzug von Bohemund, dem Sohn Robert Guiscards und dessen Neffen Tankred geleitet und vor allem aus Normannen bestehend; der languedocische Kreuzzug, dessen Anführer der vom Papst bestimmte Raymond von Toulouse war, der versuchte, als Oberhaupt aller Kreuzfahrer anerkannt zu werden; der französische Kreuzzug, vom Herzog der Normandie, Robert Kurzhose, und seinem Schwager Stephan von Blois befehligt: sie alle stießen im byzantinischen Kaiserreich zusammen und besiegten nach großen Schwierigkeiten mit Alexios Komnenos die Türken bei Doryläum am 1. Juli 1097, unterstellten einen Teil Anatoliens der byzantinischen Herrschaft und öffneten so den Weg ins Innere. Balduin von Boulogne schaffte sich Ende 1097 ein Fürstentum in Edessa und Bohemund im Juni 1098 ein anderes in Antiochien, wobei beide die byzantinische Lehenshoheit übergingen. Endlich wurde am 15. Juli 1099 Jerusalem eingenommen. Der anonyme Chronist des ersten Kreuzzugs schreibt: »In der Stadt verfolgten und töteten unsere Pilger die Sarazenen bis zum Tempel Salomos, wo sie sich versammelten und während des ganzen Tages den unseren den wütendsten Kampf lieferten, so daß der ganze Tempel von ihrem Blut triefte. Endlich, nachdem sie die Heiden niedergezwungen hatten, fingen die unseren im Tempel eine große Anzahl Kinder und Frauen und töteten sie oder ließen sie am Leben, wie es ihnen gut dünkte. Auf den Tempel Salomos hatte sich eine vielköpfige Gruppe von Heiden beiderlei Geschlechts geflüchtet, denen Tankred und Gaston von Béarn ihre Fahnen als Schutz gegeben hatten. Die Kreuzfahrer liefen bald durch die Stadt, rafften Gold, Silber, Pferde, Mulis zusammen und plünderten die Häuser, die vor Reichtum überflössen. Danach, glücklich und vor Freude weinend, gingen die unseren zum Grab unseres Heilands Jesus Christus und entledigten sich ihrer Schuld gegen ihn. Am anderen Morgen stiegen sie auf das Dach des Tempels, griffen die Sarazenen an, Männer und Frauen, und enthaupteten sie mit gezogenem Schwert. Einige stürzten sich vom Tempel herab. Dieser Anblick erfüllte Tankred mit Empörung.« Urban II. starb einige Tage später, ohne die Neuigkeit erfahren zu haben. Die Barone wählten an die Spitze des neuen Staates den mittelmäßigen Gottfried von Bouillon, der sich nur Sachwalter nennen ließ und mit dem ehrgeizigen Legaten Daimbert von Pisa zusammenstieß, der den Titel eines Patriarchen angenommen hatte und eine Klerikalherrschaft in Jerusalem zu errichten versuchte. Im Juli 1100 starb Gottfried; sein Nachfolger wurde Balduin von Edessa. Er zwang Daimbert, ihn Weihnachten 1100 zum König von Jerusalem zu krönen. Palästina wurde ein militärisches und weltliches Königreich, dessen König seine Oberhoheit von Bohemund und später von dessen Nachfolger Tankred, Fürsten von Antiochien, und von Raimond von Saint- Gilles, der sich ein Fürstentum um Tripolis im Libanon geschaffen hatte, anerkennen ließ.
    Balduin I. sicherte die militärische Herrschaft der Lateiner in Palästina, und bei seinem Tod (1118) konnten die schwachen Reaktionen der Mohammedaner, ob es sich nun um die Türken oder die Fatimiden Ägyptens handelte, glauben lassen, daß die Herrschaft der Lateiner trotz ihrer militärischen Schwäche dauerhaft sei.
    Der zweite und dritte Kreuzzug

    Alles änderte sich mit dem Aufstieg des Turkmenen Zenki, Atabeg von Mossul (1128)/ der den Moslems den Geist des dschihad, des heiligen Krieges, wieder einflößte. Zwischen 1135 und 1137 nahm er den Christen den östlichen Teil der Fürstentümer Antiochien und Tripolis und – eine Zeitlang durch das Bündnis der Lateiner mit den Moslems von Damaskus zum Stehen gebracht – am 25. Dezember 1144 Edessa ab.
    Die Neuigkeit der Einnahme Edessas rief in einem Teil der westlichen Ritterschaft eine Erregung hervor, die der französische König Ludwig VII., der sehr fromm war und für eine Reihe bedrückender Fehler Buße zu tun suchte, ausnutzen wollte. Trotz des Widerstands von Abt Suger von Saint-Denis und der Zurückhaltung des heiligen Bernhards gelang es ihm, Papst Eugen III. (1145–1153) zu überzeugen, und auf dessen Verlangen predigte Bernhard den Kreuzzug mit großem Eifer. Schließlich erlangte er im Dezember 1146 auch die Zustimmung Kaiser Konrads III.
    Der zweite Kreuzzug schien sich gut anzulassen. Er wurde von den beiden mächtigsten Herrschern des Westens geführt. Durch die Erfahrungen des ersten Kreuzzugs belehrt, bereiteten die beiden Fürsten die Unternehmung sehr genau vor. Rasch verschlechterten sich aber die Beziehungen zwischen Franzosen und Deutschen und vor allem zwischen Kreuzfahrern und Byzantinern. Konrad III., später auch Ludwig VII., verloren vier Fünftel ihrer Stärke, als sie Anatolien durchquerten, wo die Truppen von den Türken, von Hungersnot und Krankheit dezimiert wurden. Als sie schließlich mit dem Rest ihrer Armee bei Antiochien anlegten, erlitten sie eine jämmerliche Niederlage vor Damaskus. Konrad und die Deutschen schifften sich bereits am 8. September 1148 wieder ein. Ludwig VII., der zu allem Überfluß noch durch sein eheliches Unglück litt – es führte ihn zur Scheidung von Eleonore, die sich mit ihrem jungen Onkel, Guido von Lusignan, Fürst von Antiochien, ins Gerede gebracht hatte – verließ seinerseits im Frühling 1149 Jerusalem. Die Enttäuschung im Westen war groß.
    Nur-ed-din, der Nachfolger Zenkis, eroberte daraufhin zwischen 1149 und 1151 einen Teil des Fürstentums Antiochien und die ganze Grafschaft Edessa. Er schuf einen mächtigen Militärstaat mit Innersyrien (Aleppo und Damaskus) als Mittelpunkt, der sich von Mossul bis Ägypten erstreckte und demgegenüber das kleine fränkische Syrien als leichte Beute erschien.
    Die Gefahr kam aber schließlich aus Ägypten, trotz einer Reihe von siegreichen Präventivfeldzügen, die der lateinische König von Jerusalem, Amalrich I., dorthin zwischen 1162 und 1169 unternommen hatte.

     Abb. 9: Kreuzzüge und Kreuzfahrerfestungen. Der Krak des Chevaliers (Höhenburg). Rekonstruktion im Palais Chaillot, Paris

    1171 löste der türkische Wesir Salah-ed-din die fatimidische Dynastie Ägyptens auf, stellte die sunnitische Orthodoxie wieder her, bemächtigte sich des zengidischen Staates und nahm 1174 Damaskus und 1183 Aleppo ein. Sala-din (Salah-ed-din) nutzte den Streit zwischen König Guido von Lusignan, Usurpator Jerusalems, der von den Baronen des Westens und dem hohen Klerus gestützt wurde, und dem Regenten Raimond von Tripolis, der die »eingeborenen« Barone hinter sich hatte, und vernichtete die fränkische Armee in Hattin, nahm Lusignan gefangen und eroberte Jerusalem am 2. Oktober 1187. Die Lateiner behielten nur drei Brückenköpfe in Palästina: Antiochien, Tripolis und Tyrus.
    Die in den Westen gesandten Hilferufe lösten bei vielen Kirchenfürsten und Rittern eine Erschütterung und Begeisterung aus, welche die bedeutendsten Herrscher, obschon sie mit gegenseitigen Streitigkeiten beschäftigt waren, zum Kreuzzug zwang; Kaiser Friedrich Barbarossa brach im Frühling 1189 auf, ertrank am 10. Juni 1190 in Kilikien und verursachte damit die völlige Auflösung des deutschen Kreuzzugs; der französische König Philipp II. August und der englische Richard Löwenherz verständigten sich nach tausend Ausflüchten, um im Juli 1190 aufzubrechen. Philipp August langte als erster auf dem Seewege an und kam den Franken zu Hilfe, die zusammen mit venezianischen und genuesischen Flotten Akkon belagerten, das am 12. Juli 1191 genommen wurde. Am 2. August kehrte der französische König, dem vor allem seine eigenen Angelegenheiten am Herzen lagen, zurück. Richard Löwenherz, der auf dem Wege Zypern erobert hatte, trug einige aufsehenerregende Siege davon, die ihn zum Idol der westlichen Ritterschaft und zum Schreckbild der Sarazenen machten, denen er wegen der Metzeleien, die er anordnete, besonders verhaßt war. Aber, abgestoßen von den Feindseligkeiten zwischen Franzosen und Engländern, westlichen und eingesessenen Rittern, beunruhigt von den Ereignissen in seinen eigenen Ländern, schiffte sich dieser Wirrkopf, als er bis auf 20 Kilometer an Jerusalem herangekommen war, seinerseits im Januar 1192 zur Heimreise ein.
    Das neue fränkische Königreich, das sich außer den Brückenköpfen Antiochien und Tripolis im Norden vor allem um Akkon konzentrierte und in den Händen der Eingesessenen war (der westliche Adel befaßte sich vor allem mit der Beschaffung von Lehen auf Zypern), bot ein vom lateinischen Königreich Jerusalem des 12. Jahrhunderts völlig verschiedenes Aussehen. Als Seestaat, dessen wesentliche Teile aus der Küstenfront bestanden, hing es vor allem vom Nachschub an Lebensmitteln und Menschen ab, den ihm der Westen schickte; dieser aber wurde mehr und mehr durch das innere Wachstum von seinen fernen Grenzen abgezogen.
    Bilanz der Kreuzzüge

    Die Kreuzzüge waren 1192 noch nicht beendet. Aber ihr Schwung war gebrochen. Selbst der dritte Kreuzzug wurde nicht von der gleichen »Begeisterungswelle« getragen wie die beiden ersten. Zu Recht darf man hier Bilanz machen.
    Diese Bilanz ist weitgehend negativ.
    Von den drei ausgesprochenen oder unbewußten Zielen, welche die Initiatoren der Kreuzzüge und die Kreuzfahrer sich gesetzt hatten, wurde keines erreicht.
    Das erste, wesentlichste war die Eroberung der heiligen Stätten Jerusalems. Man besaß sie kaum ein Jahrhundert lang. Diese Eroberung ließ religiöse Leidenschaften wieder aufflammen, die für lange Zeit die wirkliche christliche Tradition im Heiligen Land in Frage stellten, nämlich die Wallfahrt. Angesichts dieser lateinischen Eroberung besannen sich die Türken wieder auf den muselmanischen Fanatismus des dschihad, des heiligen Krieges. Mehr noch. Die Kreuzzüge entfachten im Westen entlang der Kreuzfahrerstraßen einen heftigen und mörderischen Antisemitismus, der dazu beitrug, der Toleranz, welche die Christen im allgemeinen bis dahin gegenüber den Juden geübt hatten, ein Ende zu setzen. Endlich entdeckten die Lateiner überrascht und voll Ärger die Bedeutung der nichtrömischen christlichen Gemeinschaften in Syrien und Palästina. Die griechischen, armenischen und syrischen Christen wurden bald von den Lateinern, angefangen bei Bohemund von Antiochien, verfolgt; man ermutigte sie nicht, ihre Anstrengungen mit denen der Lateiner zu vereinigen, um den Rückeroberungen der Sarazenen Einhalt zu gebieten, und sie bewahrten gegenüber den Katholiken einen dauerhaften Groll.
    Das zweite Ziel war, den Byzantinern zumindest indirekt zu Hilfe zu kommen. Aber jeder der drei ersten Kreuzzüge vermehrte die Feindschaft zwischen Griechen und Lateinern so sehr, daß der vierte Kreuzzug in der blutigen Einnahme Konstantinopels durch die Abendländer gipfelte.
    Das dritte war, die Christenheit gegen die Ungläubigen zu einen, sie von ihren Sünden und ihren Sündern durch die große Buße der »Fahrt übers Meer« zu reinigen. Auch hier verschärften sich nur im engen Miteinander der gemeinsamen Feldzüge die Feindschaften: persönliche Rivalitäten der Anführer, nationale Rivalitäten zwischen Deutschen und Franzosen, Engländern und Franzosen. Ständische Rivalitäten zwischen Klerikern und Laien, die den Klerus in einem Staat von der Macht fernhielten, der auf den Ruf der Kirche hin geschaffen wurde zur Wiederherstellung eines christlichen Jerusalems. Feindschaften zwischen Rittern und Armen; letztere den Metzeleien ausgesetzt, von der Beute ausgeschlossen, erregten bei den Herrn eine Erbitterung, die sie in den Westen mit zurückbrachten, während die dem Heiligen Land entkommenen Unglücklichen davon einen vermehrten Haß gegen die Mächtigen und Reichen mit nach Hause nahmen. Endlich Feindschaften zwischen den neu ankommenden westlichen Kreuzfahrern und den orientalisierten Lateinern, den poulains. Als Saladin vor den Toren Jerusalems stand, zogen die westlichen Parteigänger Guidos von Lusignan in den Krieg gegen die ansässigen Herrn mit dem Ruf »trotz der Poulains werden wir einen poitevinischen König haben«.
    Neben diese Illusionen der Kreuzfahrer muß man die Illusionen moderner westlicher Historiker setzen. Für die Mehrzahl unter ihnen haben die Kreuzzüge einen beträchtlichen und im großen und ganzen wohltätigen Einfluß auf die kulturelle und wirtschaftliche Entwicklung des Westens gehabt.
    Erstens: die kulturelle Illusion. Gewiß führten die Beziehungen zwischen Christen und Moslems im Heiligen Land oft zu einer Eingewöhnung, zu einer Anlehnung, welche die einen bezauberte und die andern entrüstete.
    Foucher von Chartres übertrieb vermutlich, als er zu Beginn des 12. Jahrhunderts das Wohlergehen der im Heiligen Land gebliebenen Kreuzfahrer rühmte, aber dieses Loblied dürfte ein Teil Wahrheit enthalten: »Betrachtet und bedenkt, in welcher Weise Gott in unserer Zeit den Westen in den Osten verwandelt hat; wir, die wir Westliche gewesen sind, wir sind Orientalen geworden; wer Römer oder Franke war, ist hier Galiläer oder Bewohner Palästinas geworden; wer Reims oder Chartres bewohnte, sieht sich als Bürger von Tyrus oder Antiochien. Schon haben wir die Orte unserer Geburt vergessen; schon sind sie mehreren unter uns unbekannt oder wenigstens hören sie nicht mehr davon sprechen. Mancher unter uns besitzt bereits in diesem Lande Häuser und Dienerschaft, die ihm gehören, als hätte er sie ererbt; andere haben eine Frau geheiratet, die keine Landsmännin, sondern Syrerin, Armenierin oder gar eine getaufte Sarazenin ist; wieder andere haben um sich einen Schwiegersohn, eine Schwiegertochter, einen Schwiegervater oder Stiefsohn: jener ist von seinen Neffen oder gar Großneffen umgeben; einer baut Wein an, der andere Felder; sie sprechen verschiedene Sprachen und sind alle schon so weit, um sich zu verstehen. Die verschiedensten Dialekte sind jetzt dem einen und anderen Volk geläufig, und das Vertrauen nähert die entferntesten Rassen einander an. Es steht tatsächlich geschrieben, ›der Löwe und der Ochse fressen aus der gleichen Krippe‹. Jener, der zuerst fremd war, ist nun heimisch, der Pilger wurde zum Bürger; von Tag zu Tag kommen unsere Verwandten und Nächsten hierher zu uns und geben auf, was sie im Westen besitzen. Jene, die in ihrer Heimat arm waren, hat Gott hier reich gemacht; wer nur wenig Geldstücke besaß, hat hier viele Besams; wer nur einen Pachthof sein eigen nannte, dem gab Gott hier eine Stadt. Warum soll er in den Westen zurückkehren, wenn er den Orient so günstig findet? Gott will nicht, daß diejenigen, die ihm mit ihrem Kreuz gefolgt sind, hier in Not geraten. Das ist, Ihr seht wohl, ein großes Wunder, das die ganze Welt bestaunen soll.«
    Am Ende des 12. Jahrhunderts stellte der fromme spanische Moslem Ibn Jabair auf seiner Pilgerfahrt in den Orient mit Bestürzung die friedliche Koexistenz der beiden Völker fest: »Die Christen lassen auf ihren Gebieten die Moslems eine gerecht verteilte Taxe bezahlen. Die christlichen Kaufleute ihrerseits versteuern auf islamischem Gebiet ihre Waren; das Einverständnis unter ihnen ist vollkommen, und die Gerechtigkeit wird unter allen Umständen gewahrt. Die Ritter sind mit ihren Kriegen beschäftigt; das Volk bleibt in Frieden; und die Güter dieser Erde bekommt der Sieger. So verhalten sich die Leute dieses Landes in ihrem Kriege ... Die Situation dieses Landes ist unter diesem Gesichtspunkt außergewöhnlich, und Worte können den Gegenstand nicht erschöpfen.«
    Aber wenn auch im täglichen Leben eine Aneinandergewöhnung stattfindet, so bewahren die beiden Gemeinschaften doch ihre Überlieferungen, ihre Mentalität und ihre Verhaltensweisen. Übernahmen fremder Traditionen gibt es fast nicht. Die noch barbarischen Lateiner haben den Moslems wenig zu bieten. Dafür bringen sie, stolz auf ihre Gewohnheiten und darauf bedacht, sich nicht verführen zu lassen, ein Stück Okzident ins Heilige Land. Die Einrichtungen des lateinischen Königreichs Jerusalem und der christlichen Fürstentümer sind westlich feudal. Die ins Heilige Land eingeführte Feudalität verwirklicht, besser als im anglonormannischen England oder im normannischen Königreich beider Sizilien, ja fast bis zur Karikatur der Vollkommenheit, das ritterliche und feudale Ideal. Die Kunst des fränkischen Syriens ist ebenfalls aus dem Westen eingeführt: man findet den romanischen Rundbogen und bald darauf jene gotische Kunst, die eng mit der Christenheit des Nordwestens verbunden ist, woher sehr viele Barone des Heiligen Landes stammen; auch die Burgen, die Kraks, verdanken, was immer man gesagt hat, der orientalischen Architektur fast nichts; es sind lateinische Importe.
    Die Anleihen, die der Okzident im 11. und 12. Jahrhundert beim Orient macht, stammen nicht aus diesen unfruchtbaren Streitigkeiten oder den bunt zusammengewürfelten Gemeinwesen des lateinischen Heiligen Landes. Die griechisch-arabische Wissenschaft, die orientalischen Techniken gelangen über andere, tiefer wirkende Kontaktzonen in den Westen; über Spanien, wo die islamisch-christliche Verschmelzung den Sieg über die Kämpfe der Reconquista davonträgt; über Sizilien, diesen Kreuzweg der Zivilisationen; über Byzanz, den Orient und Maghreb durch friedlichen Austausch außerhalb der Zonen militärischer Auseinandersetzungen.
    Einer wirtschaftlichen Illusion geben sich Geschichtsschreiber hin, für die der Okzident, zumindest die italienischen Kaufmannsstädte, durch die Kreuzzüge und im Heiligen Land reich geworden sind. Syrien und Palästina sind nicht mehr die Endpunkte der wichtigen Handelsstraßen, denn die türkische Eroberung hat die Karawanenstraßen ins Heilige Land unterbrochen. Die christlichen Kaufleute der Kreuzzugszeit machen in Byzanz, Alexandrien und im Maghreb ihre besten Geschäfte. Immerhin haben Genua, Pisa und Venedig, zunächst zurückhaltend gegenüber den militärischen Unternehmungen, welche ihren aufblühenden Handel eher störten als begünstigten, schließlich doch die Gelegenheit zur Bereicherung genützt, die ihnen die Kreuzzüge boten. Aber größeren Gewinn als aus dem Handel, den sie in ihren Niederlassungen in den lateinischen Städten Palästinas betrieben und der auf örtlichen Austausch oder einen geringen Umkreis beschränkt war, hatten sie durch die Kreuzfahrer selbst, denen sie Schiffe, Lebensmittel und Geldanleihen lieferten. Wenn die Kreuzzüge den Okzident bereichert haben, so auf Kosten der Kreuzfahrer selbst.
    Im ganzen gesehen kamen die Kreuzzüge ihre Anstifter teuer zu stehen. Die westliche Ritterschaft, die ins Heilige Land zog – »die Fahrt übers Meer« war eine moralische Verpflichtung geworden, ein Brauch, dem sich jeder Ritter, der nicht scheel angesehen werden wollte, unterwarf – verarmte dort an Menschen und Gütern, denn sie mußte ein gut Teil ihrer Ländereien und Besitzungen veräußern, um Reise, Rüstung und Auskommen in einem Land bezahlen zu können, das von Abenteurern auf der Suche nach Beute und immer seltener werdenden Lehen wimmelte. Sie hat dort auch durch die wiederholten Niederlagen gegen die Sarazenen einen Teil ihres Ansehens verloren. Und sie kam häufig eher zerrüttet als gefestigt zurück.
    Auch die Kirche hat mehr verloren als gewonnen. Indem sie die Kreuzzüge zur Institution machte, Ablässe und Sondersteuern für die Kreuzfahrer, die oft nicht gleich aufbrachen und im allgemeinen besiegt wiederkamen, gewährte und Militärorden schuf, die, nachdem sie das Heilige Land nicht hatten halten können, sich auf den Okzident zurückzogen, ihn ausbeuteten und Ärgernis erregten, hat sie mehr Enttäuschung und Zorn hervorgerufen als Hoffnung genährt. Man konnte die These aufstellen, daß am Ende der Kreuzzüge die Reformation stand.
    Es wurde geäußert, daß der Gral, der am Ende des 12. Jahrhunderts in die höfische Literatur eindringt, ein Ersatz für das von den Kreuzfahrern verlorene Jerusalem sei, die Rückseite eines enttäuschten Traums. Damit könnte man den Pessimismus der letzten Romane von der Tafelrunde als bittere Frucht der mißratenen Kreuzfahrt verstehen.

    [Band 11: Das Hochmittelalter: Erster Teil. Die Entfaltung der Christenheit (1060-1180). 5. Die räumliche Ausdehnung der Christenheit. Fischer Weltgeschichte, S. 7936
    (vgl. FWG Bd. 11, S. 132 ff.)
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    1. Kreuzzug (Jedin)

    Papsttum, heilige Kriege und erster Kreuzzug

    Quellen: Für Quellen und Literatur ist immer heranzuziehen H.E. Mayer, Bibliogr. zur Geschichte der Kreuzzüge (Hannover 1960); vgl. auch A.S. Atiya, The Crusade. Historiography and Bibliography (Bloomington/Ind. 1962). – Urkunden u. Briefe: R. Röhricht, Regesta regni Hierosolimitani 1097-1291 (Innsbruck 1893) mit Additamentum (ebd. 1904); Epistolae et chartae historiam primi belli sacri spectantes, ed. H. Hagenmeyer (Innsbruck 1901); H. Hagenmeyer, Chronologie de la première croisade (Paris 1901). – Berichte: Anonymi Gesta Francorum et aliorum Hierosolimitanorum, ed. Hagenmeyer (Heidelberg 1890), neue Editionen von R. Hill (London 1962); Fulcher von Chartres, Historia Hierosolymitana: Recueil des historiens des croisades (Allg. Bibl. I, 3: Acad. des Inscr.) Historiens occid. III 319-485; ebd. 603-716: Radulf von Caen, Gesta Tancredi in expeditione Hierosolymitana; ebd. 235-309: Raimund von Aguilers, Historia Francorum qui ceperunt Hierusalem; ebd. IV: Albert von Aachen, Historia Hierosolymitana; Ekkehard von Aura, Hierosolymitica, ed. H. Hagenmeyer (Heidelberg 1877); Anna Komnena, Alexiade. Règne de l'empereur Alexis I Comnène, ed. B. Leib (mit frz. Übersetzung), 3 Bde (Paris 1937/45); für die arabischen, armenischen u.a. Quellen vgl. Bibliogr. von H.E. Mayer.
    Literatur: Allgem. Kreuzzugsgeschichte: Dazu Mayer, Bibliogr. 1798 bis 1901. – Das glänzend, aber etwas frankophil geschriebene Werk von R. Grousset, Histoire des croisades et du royaume franc de Jerusalem, 3 Bde (Paris 1934/36) ist jetzt überholt, vor allem durch die drei Hauptwerke: S. Runciman, A History of the Crusades, 3 Bde (Cambridge 1951/54), übersetzt von P. de Mendelsohn, Geschichte der Kreuzzüge, 3 Bde (München 1957/60); A History of the Crusades, Editor-in-Chief K.M. Setton: Bd I hrsg. von H.W. Baldwin: The First Hundred Years (Philadelphia 1955), Bd II hrsg. von R.L. Wolf – H.W. Hazard: The Later Crusades 1189-1311 (ebd. 1962), es sollen noch drei Bände dieses Sammelwerkes folgen; A. Waas, Geschichte der Kreuzzüge, 2 Bde (Freiburg 1956); über die drei Werke vgl. H.E. Mayer: GGA 211 (1957) 234-246 (Rez. von Waas), 214 (1960) 42-63 (Rez. von Runciman); wertvoll sind ferner: P. Rousset, Histoire des croisades (Paris 1957); A.S. Atiya, Crusade, Commerce and Culture (Boomington/Ind. 1962); H.E. Mayer, Geschichte der Kreuzzüge (Stuttgart 1965), eine ausgezeichnete, kritisch weiterführende Zusammenfassung des bisher Erarbeiteten.
    Der erste Kreuzzug: Mayer, Bibliogr. (s. oben) 1902-2007. – F. Chalandon, Histoire de la première croisade jusqu'à l'élection de Godefroi de Bouillon (Paris 1924); C.D.J. Brandt, Kruisvaarders naar Jeruzalem. Geschiedenis van de eerste kruistocht (Utrecht 1950); R. Rousset, Les origines et les caractères de la première croisade (Diss. Neuchâtel 1945).
    Kreuzzugsgedanke und Entstehung der Kreuzzüge: C. Erdmann, Die Entstehung des Kreuzzugsgedankens (Stuttgart 1935, Neudr. 1955); P. Alphandéry – A. Dupront, La chrétiente et l'idée de croisade, I: Les premières croisades (Paris 1954); M. Villey, La croisade. Essai sur la formation d'une théorie juridique (Paris 1942); W. Holtzmann, Studien zur Orientpolitik des Reformpapsttums und zur Entstehung des 1. Kreuzzugs: HV 22 (1924/25) 167-199; ders., Die Unionsverhandlungen zwischen Kaiser Alexios I. und Papst Urban II. im Jahre 1089: ByZ 28 (1928) 38-67.
    Königreich Jerusalem und die anderen Staaten: Mayer, Bibliogr. (s. oben) 2958-3099. – R. Röhricht, Geschichte des Königreichs Jerusalem 1100-1291 (Innsbruck 1898); J.L. La Monte, Feudal Monarchy in the Latin Kingdom of Jerusalem (Cambridge/ Mass. 1932); D.C. Munro, The Kingdom of the Crusaders (New York 1935); J. Richard, Le royaume latin de Jérusalem (Paris 1953); J. Prawer, Geschichte des lateinischen Königreichs Jerusalem (hebräisch), 2 Bde (Jerusalem 1963). – C. Cahen, La Syrie du Nord à l'époque des croisades et la principauté franque d'Antioche (Paris 1940); J. Richard, Le comté de Tripoli sous la dynastie toulousaine 1102-1187 (Paris 1945); R.L. Nicholson, Jocelin I, Prince of Edessa (Urbana 1954); W. Hotzelt, Kirchengeschichte Palästinas im Zeitalter der Kreuzzüge 1099-1291 (Köln 1940); zur Kirchengeschichte im Orient vgl. Mayer, Bibliogr. 3913-4090.

    Die Führung der abendländischen Christenheit hat das Papsttum gleichsam mit dem ersten Kreuzzug angetreten. Sie war das Ergebnis einer langen, keineswegs einheitlichen Entwicklung. Wenn auch in früheren Zeiten bisweilen Päpste, Bischöfe oder Äbte zu den Waffen gerufen hatten, um sich der Wikinger, Ungarn oder Sarazenen zu erwehren, so war doch der Krieg an sich dem König vorbehalten gewesen. Erst mit der Wende zum 11. Jh. gewann die Kirche ein neues Verhältnis zum Krieg (Kap. 41), vor allem durch die in Frankreich aufkommende Bewegung des Gottesfriedens und der Treuga Dei. Zur Selbsthilfe genötigt, führten nicht selten geistliche Herren »heilige Kriege« gegen die Friedensbrecher. Aber auch bei dem Kriegerstand, den Rittern, vollzog sich ein Wandel. Ein christliches Ritterethos erstand; es verpflichtete zum Schwertschutz der Kirchen und bedrängter Mitchristen, also zu Aufgaben, die man bisher dem Königtum zugewiesen hatte. Daß hier neue Kräfte bereitlagen, wurde spürbar, als kurz nach 1050 im christlichen Spanien die Reconquista wieder einsetzte, mit der Einnahme von Toledo 1085 ihren Höhepunkt erreichte und dann durch die aus Afrika kommenden Almorawiden eingedämmt wurde. Haben sich doch seit 1064 französische Ritter an diesen Kämpfen, die sie als heilige Kriege ansahen, beteiligt. Ihre Hilfe steigerte sich nach der Niederlage Alfons' VI, von Kastilien bei Sagrajas (1086) und bereitete damit Frankreich gleichsam auf den Kreuzzugsgedanken vor. Von ähnlichen Ideen und nicht bloß von Erobererlust waren die Normannen Süditaliens geleitet, als sie sich unter der Führung Rogers anschickten, Sizilien dem Islam zu entreißen. Auch der Angriff, den die Pisaner 1087 im Verein mit Genuesen, Römern und Amalfitanern erfolgreich gegen die nordafrikanische Seeräuberstadt Mahdiya richteten, hatte kreuzzugsähnlichen Charakter1.
    Diese da und dort sich spontan herausbildenden ideellen Kräfte griff das Reformpapsttum auf, band sie zusammen und lenkte sie schließlich nach dem Orient. Den ersten Kontakt stellte Leo IX. her, indem er den ihm von Toul her vertrauten heiligen Krieg für die Ziele der Reform einsetzte, unverkennbar schon in dem wenig beachteten Vorgehen gegen die Tuskulaner (1049) und dann im großangelegten, »zur Befreiung der Christenheit« geführten Normannenfeldzug2. Das Unternehmen scheiterte, aber die Idee siegte trotz dem Widerspruch Petrus Damianis und anderer Reformer. Schon unter Alexander II. gewann sie ausstrahlende Kraft. Kein heiliger Krieg ist damals geführt worden, an dem sich das Papsttum nicht irgendwie beteiligt hätte. Die französischen Ritter, die 1063 zum spanischen Barbastrokrieg rüsteten, erhielten von Alexander den ersten nachweisbaren Kreuzzugsablaß. Graf Ebolus von Roucy unterbreitete seine Spanien betreffenden Feldzugspläne, und die inzwischen aufgekommene Petersfahne verlieh Alexander sowohl dem Grafen Roger für die Kämpfe in Sizilien wie dem nach England übersetzenden Herzog Wilhelm von der Normandie und dem ritterlichen Führer der Mailänder Pataria, Erlembald. Ganz gleich, ob der Krieg gegen Ungläubige oder Gläubige gerichtet war, sein religiöses Ziel entschied. Unter Gregor VII. traten sogar die innerchristlichen, zugunsten der Reform geführten heiligen Kriege ganz in den Vordergrund und bekamen durch die ihm vorschwebende Idee einer übernationalen militia sancti Petri eine spezifisch hierarchische Prägung (s.o. Kap. 44). Große Erfolge waren freilich Gregor nicht beschieden; im Gegenteil, sein kriegerisches Gebaren rief den Widerspruch wach. Eine lebhafte Diskussion setzte ein, ob die Kirche oder der Papst überhaupt Kriege führen dürfen. Sie veranlaßte Anselm von Lucca, das Problem tiefer zu durchdenken; im Anschluß an Augustinus stellte er die Erlaubtheit des Defensivkrieges sowie die dabei zu beachtenden sittlich-religiösen Grundsätze heraus und verteidigte von dieser Position aus ein Recht der Kirche auf Verfolgung von Abtrünnigen, bahnte also die künftige, durch Gratian und die Dekretisten ausgeformte Lehre von der materiellen Zwangsgewalt der Kirche an im Sinne des Rechtes auf bewaffneten Zwang3. Die damit gegebene Ausweitung der kirchlichen potestas coactiva materialis wirkte sich vorläufig noch nicht recht aus, da sie auf die Verfolgung der zu Ketzern und Schismatikern gestempelten Reformgegner bezogen und zu sehr mit Gregors Kampf gegen Heinrich IV. verquickt war. Eine so komplexe, den Widerstand auch Gutgesinnter herausfordernde Initiative war nicht geeignet, die Massen der Ritter fortzureißen oder die Unterstützung des gesamten Klerus zu finden. Sobald aber das Papsttum die aufgestauten Energien des christlichen Rittertums von dem innerchristlichen hierarchischen auf einen gegen die Ungläubigen gerichteten Kreuzzug lenkte, durfte es eines weiten Widerhalls gewiß sein.
    Genau diese Wende vollzog Urban II. Zwar gebrauchte auch er zu Beginn des Pontifikates die Waffen, verzichtete jedoch bald auf dieses Mittel. Dagegen trug er kein Bedenken, den heiligen Krieg gegen den Islam nach Kräften zu fördern. Die Not der Zeit trieb ihn dazu; sowohl im Orient wie in Spanien waren die Christen in die Defensive gedrängt worden. Den westlichen Frontabschnitt hielt Urban für so wichtig, daß er den Spaniern die Teilnahme am Orientkreuzzug verwehrte. Sein besonderes Interesse galt dem Wiederaufbau des strategisch bedeutenden Tarragona; 1089 hat er für dieses Werk denselben Nachlaß der Kirchenbuße gewährt, der mit einer Wallfahrt nach Jerusalem verbunden war. Einen Kreuzzug zur Befreiung der östlichen Christenheit hatte schon Gregor VII. geplant; er sollte das Schisma beseitigen helfen. Tatsächlich befand sich der christliche Osten seit dem großen Sieg der Seldschuken über Romanos IV. (1071 bei Manzikert) in äußerster Bedrängnis. Fast ganz Kleinasien wurde nach und nach von den Seldschuken beherrscht. Der tüchtige Komnenenkaiser Alexios I. (1082 bis 1118) konnte um so weniger ausrichten, als die Petschenegen Konstantinopel bedrohten. In seiner Not suchte er möglichst viele abendländische Ritter in Sold zu nehmen. So bewog er 1089/90 den von einer Jerusalemwallfahrt zurückkehrenden Graf Robert von Flandern den Friesen zur Sendung von 500 Rittern4. Es kam ihm daher sehr gelegen, als Urban II. bald nach seiner Wahl Unionsverhandlungen anknüpfte. Alexios förderte sie und bat seinerseits um Truppen, die Urban auch versprach, aber zunächst nicht schicken konnte. Obwohl es dem Kaiser 1091 gelang, die Petschenegengefahr durch einen glänzenden Sieg zu bannen, ließ er 1095, wie aus dem glaubwürdigen Bericht Bernolds von St. Blasien hervorgeht, dem Papst auf der Synode von Piacenza seine Bitte erneut vortragen. Im Vertrauen auf sein gewachsenes Ansehen machte Urban nun ernst: er forderte in Piacenza die christlichen Ritter zur Verteidigung der östlichen Kirche auf. Aber das war nur ein Vorspiel. Erst in Frankreich ergriff er nach längerer Vorbereitung die eigentliche Initiative, indem er auf dem Konzil von Clermont am 27. November 1095 zum ersten Kreuzzug aufrief.
    Wie Urban zu diesem folgenschweren Entschluß gelangt ist, bleibt umstritten. So gewiß auch der Aufruf von Clermont über den von Piacenza hinausgeht, es läßt sich nicht erweisen, daß der Papst erst in Frankreich die Kreuzzugsidee konzipiert und in Piacenza lediglich an Sendung von Söldnern gedacht habe. Unter Umständen schwebte ihm bereits zur Zeit der ersten Fühlungnahme mit Alexios (1089/91) die Idee einer kreuzzugsähnlichen Hilfe vor; zum mindesten hat er schon 1089 für den Wiederaufbau Tarragonas Sarazenenabwehr und Jerusalemwallfahrt, zwei für Clermont entscheidend wichtige Elemente, verbunden und in demselben Jahr die Absicht bekundet, nach Frankreich zu reisen. Möglicherweise kam er also 1095 mit längst erwogenen Absichten dorthin. Zunächst suchte er Bischof Adhémar von Le Puy auf und besprach sich mit ihm, der den Orient von einer kurz zuvor unternommenen Jerusalemfahrt kannte. Als in Le Puy die Einladungen für Clermont herausgingen, war wohl die Entscheidung gefallen. Urban traf dann Raimund von Saint-Gilles, Graf von Toulouse und Markgraf der Provence, um ihn für das Unternehmen zu gewinnen. Offenbar rechnete er mit einem relativ kleinen südfranzösischen Ritterheer. Seine Erwartungen sollten bei weitem übertroffen werden. Das in Clermont entzündete Feuer wurde zu einem lodernden, ganz Frankreich und andere Gebiete erfassenden Brand5.
    Soweit die ideellen Momente in Betracht kommen, lag das Geheimnis des Erfolges nicht allein in der seit einem Jahrhundert entwickelten und bereits auf den Heidenkrieg angewandten christlichen Ritter- und Kampfidee, sondern auch in der Aufnahme des Wallfahrtsgedankens. Die Jerusalemfahrt war von jeher der stille Wunsch vieler Christen; befreite sie doch von allen anderen Bußpflichten. Aber büßende Pilger durften keine Waffen tragen. Urban dagegen gewährte auf der Synode von Clermont den gleichen vollen Nachlaß der kanonischen Bußstrafen, wie ihn die Jerusalempilger erwarben, proklamierte also zum erstenmal die Idee der bewaffneten Wallfahrt. Ihre werbende Kraft wäre wohl begrenzt geblieben, wenn man sich an den Beschluß von Clermont gehalten hätte; war doch in ihm die bewaffnete Wallfahrt bloß als ein Ersatzwerk für die von der Kirche auferlegten Bußübungen im Sinne der üblichen sogenannten Redemtion aufgefaßt. Über das maßvolle Konzilsdekret hat sich jedoch sehr wahrscheinlich die nun in Gang kommende, der kirchlichen Aufsicht mehr und mehr entgleitende Kreuzzugspredigt hinweggesetzt und den Kreuzfahrern einen vollkommenen Ablaß, das heißt den Nachlaß aller von Gott zu erwartenden dies- oder jenseitigen Sündenstrafen, in Aussicht gestellt, wobei in vergröberter Form bisweilen auch einfachhin von Sündenvergebung die Rede gewesen sein mag. Durch den spontan aufkeimenden Ablaßgedanken, der den Theologen des 12. bis 13. Jh. noch schwere Arbeit kosten sollte, bis er in der Lehre vom Gnadenschatz der Kirche seine spekulative Lösung fand, gewann der Kreuzzug in den Augen der Christen einen unermeßlichen religiösen Wert6. Seine Gefährlichkeit verlor um so mehr ihren Schrecken, als man den dabei eintretenden Tod als eine Art Martyrium anzusehen begann. Die Verbindung von Kriegszug und Wallfahrt prägte sich sofort in symbolischen Formen aus, vor allem in dem Tuchkreuz, das sich die Ritter schon in Clermont aufs Kleid nähen ließen; es war das Zeichen für das religiös verpflichtende Kreuzzugsgelübde, zugleich aber auch Heereszeichen einer zum Kampf entschlossenen Armee. Ferner bildete sich ein gemeinsamer Schlachtruf »Deus le volt« aus sowie ein neuer Segensritus, der den alten beibehaltenen Pilgersymbolen, Stab und Tasche, das Schwert hinzufügte. Allen diesen Formen wohnte eine eigentümliche Werbekraft inne.
    Wenn Urban mit feinem psychologischem Gespür Jerusalem als Marschziel stark herausstellte, so bedeutete dies keineswegs, es sei ihm eigentlich nur um die Heilige Stadt oder das Heilige Grab gegangen (vom Heiligen Land war damals überhaupt noch nicht die Rede). Vielmehr hielt er an dem ursprünglichen Vorhaben, die östliche Christenheit vom Türkenjoch zu befreien, unentwegt fest. Es ging hier zwar nicht allein, aber doch zum größeren Teil um byzantinisches Gebiet; der Papst wollte seinem Hilfeversprechen an Alexios durchaus treu bleiben, obwohl die Art und Weise der Hilfeleistung ganz anders ausfiel, als sie der Kaiser gewünscht hatte. Egoistische, auf Ländergewinn abzielende Machtpläne dürften Urban ferngelegen haben; zu Clermont bestimmte er sogar, die Kirchen der eroberten Gebiete sollten der Herrschaft der Eroberer unterstehen7. Den wesentlichen Erfolg konnte ihm freilich niemand nehmen: Indem er unter Ausschalten der Könige, allein auf die apostolische Autorität gestützt, die Ritter zum heiligen Krieg rief und ein so weites Echo fand, daß zum erstenmal in der abendländischen Geschichte ein übernationales Heer zur Verteidigung der Christenheit auszog, wurde er zum spontan anerkannten Führer des christlichen Abendlandes. Der Kontakt, den das Reformpapsttum mit den christlichen Rittern gefunden hatte, wirkte sich erst jetzt voll und ganz aus. Er führte notwendig zu einem eigenen Kreuzritterrecht. Die kirchliche Gesetzgebung dehnte den Gottesfrieden und den Schutz der Kirche auf die Güter der Kreuzfahrer aus; man förderte von kirchlicher Seite das Bestreben, für die Dauer des Kreuzzugs die Besitztümer der Teilnehmer von Abgaben zu befreien; selbst ein Schuldenmoratorium wurde vorgesehen.
    Daß es um ein von Papst Urban geleitetes Unternehmen ging, hätte seinen sichtbaren Ausdruck finden sollen durch den wohl mit der politischen Leitung beauftragten päpstlichen Legaten Adhémar von Le Puy, während die militärische Führung ursprünglich dem Grafen Raimund von Saint-Gilles zugedacht war8. Beide Pläne gingen in der überbordenden Kreuzzugsbewegung unter. Da außer Raimund auch andere hohe Fürsten das Kreuz nahmen und mit eigenen Truppen auszogen, fiel das einheitliche Kommando von selbst weg; Raimund war nur Befehlshaber seiner eigenen Truppen. Die lockere Organisation ließ auch Adhémar zurücktreten. Seine Funktion beschränkte sich wohl mehr auf die geistliche Betreuung eines Kontingents; denn für zwei andere Abteilungen hat Urban II. nachweisbar je einen Kaplan mit der geistlichen Jurisdiktion versehen, also gleichsam zum Legaten ernannt9.
    Obwohl dem Papst die Leitung des Gesamtunternehmens aus den Händen glitt, blieb er doch für die Kreuzritter die oberste Autorität. Keinen Einfluß hatte jedoch Urban II. auf die Kreuzzugsbewegung des Eremiten Peter von Amiens10. Zu den Buß- und Wanderpredigern gehörend, die dem Volk das Ideal der vita apostolica et evangelica vorlebten (folg. Kap.), hat Peter gleich nach Urbans Aufruf begonnen, seine im mittleren und nordwestlichen Frankreich wohnenden Anhänger für die bewaffnete Wallfahrt zu begeistern. Die Zeit war günstiger denn je. Religiöse Erregung der Massen, nun wohl auch durch eschatologische Ideen gesteigert11, sowie wirtschaftliche Nöte, vor allem des Bauernstandes, hatten die Erwartung eines besseren Lebens aufs höchste gespannt. Durch Peters Aufforderung, nach der heiligen Stadt Jerusalem zu ziehen, entlud sich diese Spannung mit einer Kraft, wie sie das Abendland noch nie erfahren hatte. Die ihm folgende, vorwiegend aus niederen Volksschichten bestehende Schar erhielt auf dem Weg über Deutschland aus dem Rheinland, aus Schwaben und anderen Gebieten so starken Zuzug, daß sich vom April bis Juni 1096 50000-70000 Menschen (darunter auch Frauen) in 5-6 großen Haufen nacheinander auf den Weg setzten. Religiöser Fanatismus und Raubgier führten bei den ungezügelten Massen zu furchtbaren Judenverfolgungen in deutschen Reichsstädten und in Prag12. Nur die beiden ersten Kontingente erreichten, über Ungarn und Bulgarien marschierend, Konstantinopel. Die nachfolgenden, durch Plünderungen und andere Gewalttaten sich Haß zuziehenden Scharen wurden schon in Ungarn fast ganz aufgerieben. Kaiser Alexios nahm die Ankommenden zunächst freundlich auf, machte aber so üble Erfahrungen, daß er die unbequemen Gäste schleunigst nach Kleinasien übersetzte. Anstatt auf die Ritterheere zu warten, griffen sie gegen den Rat Peters von Amiens, Fulchers von Orléans und einiger Adeligen die um Nikaia konzentrierten Türken an und verloren dabei, wenige ausgenommen, Leben oder Freiheit.
    Urbans II. Aufruf hatte sich an kriegserfahrene Ritter gerichtet; sie sollten bis zum 15. August ihren Zug gründlich vorbereiten und dann aufbrechen. Unter den vielen edlen Herren, die das Kreuz nahmen, ragten natürlich die Fürsten hervor; stellten sie doch für sich eine mehr oder minder große Kampftruppe zusammen. So zogen im Sommer eine ganze Reihe von Heeresabteilungen auf verschiedenen Wegen: entweder über Ungarn und Bulgarien oder über Italien und die mit Schiffen erreichte Balkanhalbinsel nach Konstantinopel. Große Heere führten Herzog Gottfried von Niederlothringen (ein Sohn des Grafen Eustach von Boulogne, Neffe und Erbe Gottfrieds des Buckligen von Niederlothringen13) und Raimund von Saint-Gilles, während der Bruder des französischen Königs, Graf Hugo von Vermandois, dem Urban zu Rom eine Petersfahne überreichte, Bohemund von Tarent (ein Sohn Robert Guiscards) und die zusammen reisenden Grafen Robert von der Normandie, Stephan von Blois und Robert von Flandern über kleinere Abteilungen verfügten. Alexios geriet in größte Verlegenheit. Seine Lage hatte sich zum Bessern gewendet; nach dem Sieg über die Petschenegen (1091) war es ihm 1095 gelungen, die Kumanen entscheidend zu schlagen, so daß er sich nunmehr gegen die in Kleinasien sitzenden Türken, deren Großreich seit dem Tod Melikschahs (1092) zu zerfallen begann, hätte wenden können. Er war daher an westlichen Söldnern interessiert, aber nicht an abendländischen, unter eigenem Kommando stehenden Ritterheeren. Um sich vor den ungerufenen Helfern genügend zu sichern, nötigte er die Fürsten zu politischer Unterordnung, indem er einige von ihnen nach byzantinischem Brauch als Söhne in die kaiserliche Familie aufnahm und von allen den im Abendland üblichen Lehnseid verlangte. Tatsächlich sind die Fürsten mehr oder minder zögernd die Lehnsbindung eingegangen, Raimund von Saint-Gilles ausgenommen, der sich bloß zu einem das Leben und die Besitzungen des Kaisers betreffenden Sicherheitseid verstand14.
    Ein erster, im Verein mit den Griechen erzielter Erfolg war die Eroberung Nikaias. Die Herrschaft der Türken, die zum Entsatz herangezogen und geschlagen worden waren, brach damit in dieser Gegend zusammen. Nur noch von wenigen byzantinischen Truppen begleitet – das griechische Hauptheer nahm sich nun der Küstenländer an –, zogen die Kreuzfahrer durch Anatolien, besiegten die Türken am 1. Juli 1097 bei Doryläum und später bei Heraklea und trennten sich dann. Das Hauptheer marschierte auf einem Umweg über Cäsarea in Kappadokien nach Antiochia, während Bohemunds Neffe Tankred sowie Balduin, der Bruder Gottfrieds von Niederlothringen, auf eigene Eroberungen ausgingen; Balduin erwarb sich ein reiches Herrschaftsgebiet um Edessa. Antiochia, das nächste Kampfziel, kostete die Kreuzfahrer unsägliche Mühe. Erst nach 7monatiger Belagerung konnten sie die Stadt am 3. Juli 1098 einnehmen und durch Zurückschlagen eines großen türkischen Entsatzheeres sichern. Da sich die Fürsten an den dem Kaiser geschworenen Eid wegen der geringen und dann ganz ausgefallenen griechischen Hilfe nicht mehr gebunden hielten, suchte jeder von ihnen Land zu gewinnen. Bohemund legte die Hand auf Antiochia. Den Verlust gerade dieser wichtigen, erst 1085 unter türkische Herrschaft gelangten Stadt hat Byzanz nie verwunden. Nach langem Zögern brach man endlich dank Raimunds Initiative nach Jerusalem auf. Ein Hilfeangebot Alexios' I. wurde zurückgewiesen; die Kreuzfahrer wollten die zu erobernden Gebiete Syriens und Palästinas für sich behalten. Jerusalem, das die ägyptischen Fatimiden 1070/71, endgültig 1078 an die Seldschuken verloren und 1098 zurückgewonnen hatten, fiel am 15. Juli 1099. Die Sieger richteten unter den dort wohnenden Muslimen ein furchtbares Blutbad an.
    Zum Herrscher erkoren sie erst Raimund, der ablehnte, dann Gottfried von Niederlothringen. Er nahm nicht den Königstitel an, sondern den eines Vogtes des Heiligen Grabes. Seine rechtliche Stellung wurde durch die kirchenstaatlichen Ansprüche geschwächt, die der neue Patriarch von Jerusalem, Erzbischof Dagobert von Pisa, zugunsten des Patriarchates (nicht etwa der römischen Kirche) stellte15. Der nach Gottfrieds Tod (1100) mit der Regierung betraute Bruder Balduin (1100-18) machte jedoch allem Schwanken ein Ende: er ließ sich zum König krönen und wußte auch sonst seine Herrschaft zu festigen. Die fränkische Eroberung breitete sich sowohl im Binnenland wie an der Küste aus. 1111 waren fast alle Küstenstädte genommen; Tyrus behauptete sich freilich bis 1124 und Askalon sogar bis 1153. Das erworbene Land zerfiel in vier größere staatliche Gebiete, die unter dem König von Jerusalem locker geeint waren: in das Königreich Jerusalem, die Grafschaft Tripolis, das Fürstentum Antiochia und die Grafschaft Edessa. Ihre Erhaltung und Verteidigung sollte das Abendland noch schwere Opfer kosten. Schon die ersten Jahre brachten große Verluste. Während des Kreuzzuges und unmittelbar nachher setzten sich immer wieder abendländische Pilger und Kreuzritter auf den Weg. Die schlecht organisierten Züge endeten fast alle kläglich. Allein im Jahre 1101 sind drei große Unternehmungen, getragen von Lombarden, Deutschen und Franzosen, durch die Türken in Anatolien gänzlich vernichtet worden.
    Die Hauptsorge für die Kreuzfahrerstaaten hatte fortan das Papsttum zu tragen. Sie brachte ihm zwar erhöhtes Ansehen und mit dem unter Innozenz III. eingeführten Kreuzzugszehnt auch finanzielle Macht ein, ließ aber zugleich die Grenzen des päpstlichen Einflusses jeweils stärker bewußt werden. Der schwankende Grund, worauf der Papst als Führer der Christenheit stand, tritt vielleicht nirgends so deutlich zutage wie in der Geschichte der Kreuzzüge. So folgenschwer sich auch der erste Kreuzzug auf das christliche Abendland und das Papsttum ausgewirkt hat, seine volle kirchengeschichtliche Bedeutung kann erst ermessen werden, wenn man die Reaktion der griechischen Welt in den Blick nimmt. Über sie wird im folgenden Halbband gehandelt.

    Fußnoten

    1 Zur Reconquista Mayer, Bibliogr. (Lit. zum Kap.) 2606-2620; Beteiligung der Franzosen: ebd. 1720-1725; zum Ganzen Erdmann, Kreuzzugsgedanke (Lit. zum Kap.) 51 bis 106.

    2 Für die Zeit von Leo IX. bis zu Gregor VII. Erdmann, Kreuzzugsgedanke 107-211.

    3 Von der Diskussion als solcher handelt Erdmann, Kreuzzugsgedanke 212-249; das Rechtsproblem ist herausgearbeitet von A. Stickler; vgl. dazu vorhergeh. Kap. Anm. 5.

    4 F.L. Ganshof, Robert le Frison et Alexis Comnène: Byz(B) 31 (1961) 57-74.

    5 Urbans Reise nach Frankreich vgl. bei A. Becker, Papst Urban II. (Stuttgart 1964) 213 bis 225, der freilich annimmt, Urban habe die Kreuzzugsidee erst in Frankreich konzipiert.

    6 Die Darstellung oben folgt H.E. Mayer, Kreuzzüge (Lit. zum Kap.) 31-46. Mayer wendet sich mit guten Gründen gegen die fast allgemein vertretene Auffassung, zu Clermont sei ein Plenarablaß verkündet worden (Mansi XX 815 c. 2). Er lehnt ferner Erdmanns These ab, bei Urban habe die Idee des kirchlich-ritterlichen Heidenkrieges im Vordergrund gestanden, der Wallfahrtsgedanke sei nur als Akzidenz hingetreten. Zum Ablaß: A. Gottlob, Kreuzzugsablaß und Almosenablaß. Eine Studie über die Frühzeit des Ablaßwesens (Stuttgart 1906); N. Paulus, Geschichte des Ablasses im Mittelalter. 3 Bde (Paderborn 1922/23); B. Poschmann, Der Ablaß im Lichte der Bußgeschichte (Bonn 1948).

    7 Erdmann, Kreuzzugsgedanke 322 f.

    8 J.H. and L.L. Hill, Raymond IV de Saint-Gilles 1041 (1042)–1105 (Toulouse 1959); Mayer, Bibliogr. (Lit. zum Kap.) 1963-1965.

    9 H.E. Mayer, Zur Beurteilung Adhémars von Le Puy: DA 16 (1960) 547-552; Mayer, Bibliogr. 1936-1941; J. Richard, La papauté et la direction de la première croisade: Journal des Savants (1960) 49-58.

    10 H. Hagenmeyer, Peter der Eremit. Ein kritischer Beitrag zur Geschichte des 1. Kreuzzugs (Leipzig 1879); Mayer, Bibliogr. 1924-1935.

    11 Die eschatologischen Motive sind herausgearbeitet in dem wichtigen Werk von Alphandéry-Dupront, L'idée de croisade (Lit. zum Kap.); vgl. dazu die einschränkenden Bemerkungen von Mayer, Kreuzzüge (Lit. zum Kap.) 17-19.
    12 E.L. Dietrich, Das Judentum im Zeitalter der Kreuzzüge: Saeculum 3 (1952) 94-131.

    13 J.C. Andressohn, The Ancestry and Life of Godefroy of Bouillon (Bloomington/Ind. 1947); Mayer, Bibliogr. 1942-1962; die anderen Führer ebd. 1966-1976.

    14 Über die juridischen Bindungen F.L. Ganshof: Mélanges M. Paul – E. Martin (Genève 1961) 49-63.

    15 J.G. Rowe, Paschal II and the Relation between the Spiritual and Temporal Powers in the Kingdom of Jerusalem: Speculum 32 (1957) 470-501.

    [III. Die mittelalterliche Kirche: Zweiter Teil: Die Kirche im Zeitalter der gregorianischen Reform. Handbuch der Kirchengeschichte, S. 4702
    (vgl. HKG Bd. 3,1, S. 506 ff.) (c) Verlag Herder
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    2. Kreuzzug (Jedin)

    Der zweite Kreuzzug. Missionskriege in Spanien und im slawischen Osten

    Quellen: Die lateinische Hauptquelle für den zweiten Kreuzzug ist Odo von Deuil, La croisade de Louis VII Roi de France, ed. H. Wacquet (Paris 1949); Suger von Saint-Denis, Vie de Louis le Gros (darin auch seine Histoire du roi Louis VII), ed. A. Molinier (Paris 1887); Sugers Korrespondenz findet sich in seinen Œuvres complètes, ed. A. Lecoy de la Marche (Paris 1867); Otto von Freising, Chronica sive Historia de duabus civitatibus, ed. A. Hofmeister: MGSS rer. Germ. (Hannover u. Leipzig 21912); ders., Gesta Friderici I. Imperatoris, ed. G. Waitz – B.v. Simson (Hannover – Leipzig 31912); Wibald von Stablo, Epistolae, ed. Ph. Jaffé. Bibl. rer. germ. I (Berlin 1864); Bernhard von Clairvaux, Epistolae: PL 182, 67-716; Wilhelm von Tyrus, Historia rerum in partibus transmarinis gestarum, ed. RecHistCrois., Hist. Occ. 1 (eine Edition wird vorbereitet von R.B.C. Huygens und H.E. Mayer), engl. Übers. von E.A. Babcock u. A.C. Krey, 2 Bde (New York 1943); Osbernus, De expugnatione Lyxbonensi, ed. mit engl. Übers. von C.W. David (New York 1933).
    Zu Wilhelm: Vgl. A.C. Krey, William of Tyre. The Making of an Historian in the Middle Ages: Speculum 16 (1941) 149-166; The Chronicle of Morea (Crusaders as Conquerors), ed. u. übers. von H.E. Lurier (New York 1964); Johannes von Salisbury, Historia pontificalis, ed. M. Chibnall (London 1956; nach der Ed. von R.L. Poole, 1927); Gerhoch von Reichersberg, De investigatione Antichristi, ed. E. Sackur: MGLiblit III 304-395 (Auszug), vollständig ed. von F. Scheibelberger, 2 Bde (Linz 1875); The First and Second Crusades from an Anonymous Syriac Chronicle, ed. A.S. Tritton – H.A.R. Gibb: JRAS 1933, 69-101 273-305; Chronik Michaels des Syrers, ed. J.-B. Chabot, 4 Bde (Paris 1899/1924); Johannes Konnamos, Epitome historiarum, ed. A. Meinecke (Bonn 1836) = PG 133 (Auszüge mit lat. Übers. als De secunda expeditione: RecHistCrois Grecs 1); Niketas Choniates, Historia, ed. I. Bekker (Bonn 1835) = PG 139 (Auszüge mit lat. Übers. als De secunda tertiaque expeditionibus: RecHistCrois Grecs 1); die arabischen, syrischen und armenischen Quellen werden von V.G. Berry, The second Crusade, aufgeführt und besprochen: A History of the Crusades I, ed. K.M. Setton I (Philadelphia 1958) 463 Anm.
    Literatur: H.E. Mayer, Bibliographie der Kreuzzüge, nn. 2015-2061; B. Kugler, Studien zur Gesch. des zweiten Kreuzzuges (Stuttgart 1866); ders., Analekten zur Gesch. des zweiten Kreuzzuges (Tübingen 1878); ders., Neue Analekten (Tübingen 1883); G. Hüffner, Die Anfänge des zweiten Kreuzzugs: HJ 8 (1887) 391-429; F. Chalandon, Les Comnènes: Jean II Comnène (1118-43) et Manuel I Comnène (1143-80) (Paris 1912); H. Cosack, Konrads III. Entschluß zum Kreuzzug: MIÖG 35 (1914) 278-296; P. Rassow, Die Kanzlei St. Bernhards von Clairvaux: SM 34 (1913) 1-62 201-242; E. Caspar, Die Kreuzzugsbullen Eugens III.: NA 45 (1924) 285-300; J.L. La Monte, Feudal Monarchy in the Latin Kingdom of Jerusalem (1100-1291) (Cambridge 1932); H. Gleber, Eugen III. (Jena 1936); E. Pfeifer, Die Cistercienser und der zweite Kreuzzug: Cist 47 (1935) 78 bis 150; H. Conrad, Gottesfrieden und Heersverfassung in der Zeit der Kreuzzüge: ZSavRGgerm 61 (1941) 71-126; C. Cahen, La Syrie du Nord à l'époque des croisades et la principauté d'Antioche (Paris 1940); E. Delaruelle, L'idée de croisade chez Saint Bernard: Mélanges de Saint Bernard (Dijon 1953) 53-67; A. Seguin, Bernard et la seconde Croisade: Bernard de Clairvaux (Paris 1953) 379-409; E. Willems, Cîteaux et la seconde croisade: RHE 49 (1954) 116-151; P. Lamma, Comneni e Staufer, 2 Bde (Rom 1955/57); V.G. Berry, The Second Crusade: The Crusades I, ed. K.M. Setton (Philadelphia 1958) 463-512; St. Runciman, Gesch. der Kreuzzüge (dt. von P. de Mendelssohn.), 3 Bde (München 1957/60) II 237-280 (Der zweite Kreuzzug) (vgl. auch R. Grousset, Histoire des Croisades, 3 Bde [Paris 1934/36] II 225-270 und A. Waas, Gesch. der Kreuzzüge, 2 Bde [Freiburg 1956] I 166-182); R.L. Nicholson, Jocelyn I, Prince of Edessa (Urbana/Ill. 1954); H.E. Mayer, Geschichte der Kreuzzüge (Stuttgart 1965) 96-108.
    Iberische Halbinsel und Slawenkreuzzug: F. Kurth, Der Anteil der niederdeutschen Kreuzfahrer an den Kämpfen der Portugiesen gegen die Mauren: MIÖG ErgBd 8 (1911) 133 ff; H.A.R. Gibb, English Crusaders in Portugal: Chapters in Anglo-Portuguese Relations, ed. E. Prestage (London 1935); G. Constable, The Route of the Anglo-Flemish Crusaders: Speculum 28 (1953) 525-526; M. Bünding, Das Imperium christianum und die deutschen Ostkriege vom 10.–12. Jh.: HStud 366 (Berlin 1940); H. Beumann, Heidenmission und Kreuzzugsgedanke in der deutschen Ostpolitik des Mittelalters (Sammelband) (Darmstadt 1963).

    Papsttum, Kurie und Abendland sahen sich um die Mitte des Jahrhunderts erneut vor einer Aufgabe, die alle Kräfte zum Einsatz rief: die Not der Kreuzfahrerstaaten1. Als in Jerusalem bekannt wurde, daß Edessa gefallen sei, setzte sich Königin Melisende mit Antiochia in Verbindung zur Entsendung eines Botschafters nach Rom, der den Papst benachrichtigen und ihn um einen neuen Kreuzzug ersuchen sollte. Bischof Hugo von Dschabal erreichte Eugen III. in Viterbo (Herbst 1145). Gleichzeitig traf eine Abordnung armenischer Bischöfe von Kilikien ein, die um Unterstützung gegen Byzanz warb. Otto von Freising hat als Teilnehmer dieser Audienzen davon berichtet2. Der Papst beschloß – indes Bischof Hugo nach Frankreich und Deutschland weiterreiste –, zum Kreuzzug aufzurufen und erließ am 1. Dezember 1145 eine Bulle an den König von Frankreich3 mit der Aufforderung an ihn, alle Fürsten und Gläubigen Frankreichs, dem Osten zu helfen. Wegen der Unruhen in Rom4 konnte er vorerst nicht, wie Urban II., jenseits der Alpen die Organisation in Gang bringen, sie überwachen, den Kreuzzug predigen. An Konrad III. wandte er sich nicht, weil er dessen Hilfe selbst in Rom und gegen Roger II. brauchte. Auch an Roger nicht, weil seine Unzuverlässigkeit und eigenwillige Politik zu befürchten waren5. Er mochte seine Unternehmungen in Nordafrika (Tripolis) weiterführen. Ein erster Anruf Ludwigs VII. von Bourges aus (Weihnachten 1145) verhallte. Der König bat Bernhard von Clairvaux um Unterstützung, die dieser leisten wollte, falls Eugen III. es befahl. Natürlich blieb dieser Befehl nicht aus, und in Vézelay (31. 3. 1146) begann Bernhard seine erstaunlich wirkungsvolle Kreuzzugspredigt, von der an anderer Stelle bereits die Rede war6. Der Papst kam 1147 nach Frankreich, und Bernhard mußte ihn zunächst wegen der Ausweitung der Kreuzzugswerbung auf Deutschland beruhigen. Mit Ludwig VII. traf Eugen zweimal zusammen (im April in Dijon, im Juni zu St-Denis), zu einem Treffen mit Konrad III.7, das dieser für Straßburg vorschlug, kam es nicht.
    Ende Mai 1147 zog das deutsche, Ende Juni das französische Heer unter der Leitung der Könige auf dem Landweg gen Osten. Ein Angebot Rogers II., sie zu Schiff ins Heilige Land transportieren zu lassen, hatte man abgelehnt. Konrad III. war im September in Byzanz, Ludwig VII. traf bald darauf (4. 10.) dort ein. Da er denselben, von den Deutschen bereits gezogenen Weg gekommen und deshalb schlechter verpflegt und behandelt worden war, wegen der Ausschreitungen, die von deutscher Seite offenbar nicht hatten vermieden werden können, waren die Beziehungen der beiden Kreuzzugsheere bereits in Byzanz von Bitterkeit und Verdächtigung durchsetzt. Auf Byzanz selbst waren beide gleicherweise schlecht zu sprechen. Der Anfang versprach nichts Gutes. Mit Ludwig VII. reisten seine Gattin, Eleonore, die Erbin Aquitaniens, die Bischöfe Arnulf von Lisieux und Gottfried von Langres, denen Johannes von Salisbury in seiner Historia Pontificalis ein unrühmliches Gedenken widmete8. Bei Konrad III. führte Herzog Friedrich von Schwaben den Adel, die Bischöfe Stefan von Metz und Heinrich von Toul die Lothringer. Otto von Freising hat später als Teilnehmer berichten können. Mit Kaiser Manuel Komnenos verband Konrad III. eine gemeinsame Politik gegen Roger II. von Sizilien und die Heirat Manuels mit Konrads Schwägerin, Bertha von Sulzbach. Manuel drängte auf Eile, denn die Belastung der Stadt durch die Kreuzfahrer war nicht gering. Auch Ludwig VII. wurde freundlich aufgenommen und hatte keine Bedenken, etwaige Eroberungen den Byzantinern als ihr Eigen zu überantworten. Er ließ auch alle Barone im gleichen Sinn vereidigen. Als das französische Heer Anfang November nach Nikäa kam, hatte Konrad bereits in der verlorenen Schlacht vom 25. Oktober bei Doryläum fast alle Truppen und den gesamten Bestand seines Feldlagers eingebüßt. Der Rest schloß sich mit dem französischen Heer zusammen. Man zog gemeinsam bis Ephesos, wo Konrad erkrankte und von Manuel nach Byzanz gebeten wurde. Dort konnte der deutsche König sich erholen und im März 1148 auf byzantinischen Schiffen mit seinem Gefolge nach Palästina weiterreisen, wo man Mitte April in Akkon eintraf. Das französische Heer kam, nach schweren Verlusten auf weniger als die Hälfte zusammengeschmolzen, im Spätfrühling 1148 in Antiochia an. Hier kam es wegen des intimen Umgangs der französischen Königin mit Fürst Raimund von Antiochia zu der bekannten schweren Ehekrisis zwischen Ludwig und Eleonore9. Der König zwang sie, mit ihm und dem Heer nach Jerusalem weiterzuziehen, wo man im Mai eintraf und von Königin Melisende herzlich aufgenommen wurde. Noch nie hatte Jerusalem eine so glänzende Versammlung von Rittern und Damen gesehen. Für den 24. Juni war eine große Ratstagung in Akkon vorgesehen, wo König Balduin, der Patriarch Fulcher, die Erzbischöfe von Cäsarea und Nazareth, die Großmeister des Templer- und Hospitaliterordens Gastgeber waren. Man beschloß, die gesamten Streitkräfte zu einem Angriff auf Damaskus zusammenzufassen. So richtig vom strategischen Gesichtspunkt her der Plan war, mit Damaskus hätte man den ägyptisch- afrikanischen vom nordsyrischen und östlichen Islam abgeschnitten, so unklug war er politisch, weil damals einzig dem Buriden-Königreich von Damaskus daran lag, mit den Franken Freundschaft zu halten, gegen den gemeinsamen Feind Nur-ed-Din. So aber trieb man auch Damaskus nun in das Lager des Kalifen. Die Stadt wurde vergeblich belagert, die Herren aus dem Westen kehrten gedemütigt zurück, die Legende von den unbesiegbaren Rittern des Westens war zerschlagen. In der Welt des Islams erwachte neue Zuversicht. Konrad III. trat am 8. September 1148 von Akkon aus zu Schiff die Heimreise an, verbrachte Weihnachten auf Einladung Kaiser Manuels in Byzanz, wo man die Hochzeit Herzog Heinrichs von Österreich mit der Prinzessin Theodora, einer Nichte Manuels, feierte. Ein festes Bündnis zwischen Byzanz und dem Reich wurde geschlossen gegen Roger II., dessen Länder auf der italienischen Halbinsel man unter sich aufzuteilen gedachte.
    Ludwig VII. zögerte seine Heimkehr hinaus, wollte Ostern in Jerusalem feiern, fürchtete die unausweichliche Auseinandersetzung mit Eleonore, die auf Scheidung ihrer Ehe drängte. Die Freundschaft Konrads mit Manuel ließ ihn ein Bündnis mit Roger II. suchen, zumal er dadurch auch seiner Abneigung gegen Byzanz freien Lauf lassen konnte. Auf sizilianischen Schiffen verließ er Anfang des Sommers 1149 das Heilige Land. Er kam Anfang August mit Roger II. in Potenza zusammen. Man vereinbarte unverzüglich einen neuen gemeinsamen Kreuzzug, doch diesmal zunächst gegen Byzanz (ein Vorspiel dessen, was 1204 geschehen sollte). Papst Eugen III. war davon nicht sehr angetan, seine Kurie indes setzte sich lebhaft dafür ein. In Paris konnte Ludwig selbst Abt Suger von der Vernünftigkeit des Planes überzeugen. Bernhard von Clairvaux, tief enttäuscht über den jämmerlichen Ausgang »seines Kreuzzugs«, schien bereit, nochmals die Last der Kreuzzugspredigt mitzutragen. Aber König Konrad, dessen Mitwirkung wesentlich gewesen wäre, verweigerte diesmal seine Zustimmung. Er fürchtete die Hand Rogers II., die er in der Zeichnung des Plans mit Recht zu sehen glaubte. Der Plan mußte fallengelassen werden.
    Kein Unternehmen des Mittelalters begann mit glänzenderen Hoffnungen10. Vom Papst geplant, von der goldenen Beredsamkeit des heiligen Bernhard gepredigt und befeuert und von den zwei Hauptmächten des Abendlandes geführt, hatte der Kreuzzug so viel für Ruhm und Rettung der Christenheit verheißen. Aber als er mit dem beschwerlichen Rückzug von Damaskus sein schmähliches Ende fand, hatte er nichts anderes zuwege gebracht, als die Beziehungen zwischen den westlichen Christen und Byzanz fast bis zum Bruch zu verschlechtern, zwischen den neu eingetroffenen Kreuzfahrern und den im Osten ansässigen Franken Mißtrauen und Argwohn zu säen, die fränkischen Fürsten des Westens voneinander zu trennen, die Mohammedaner enger zusammenzuschließen und dem militärischen Ruf der Franken tödlichen Abbruch zu tun. In Syrien beginnt eine neue Epoche, denn die Christen sind nun in die Defensive zurückgedrängt. Im Abendland selbst verbreiteten die Berichte der Heimkehrer ein tiefes Mißtrauen gegenüber den im Heiligen Land, in den Kreuzfahrerstaaten ansässigen Franken, von denen man sich im Stich gelassen fühlte. Für das geistige und religiöse Leben der lateinischen Christenheit brachte der Mißerfolg des zweiten Kreuzzuges es mit sich, daß der Kreuzzugsgedanke seinen Glanz verlor. Man wollte den Franken in Palästina nicht mehr helfen. Der Unwille richtete sich auch gegen den Papst und den heiligen Bernhard, die zu ihm aufgerufen hatten. Das Ansehen des Abtes von Clairvaux sank, zum mindesten in Deutschland. Seine Apologia11 schrieb er im Einleitungskapitel zum zweiten Buch »De consideratione«: mit sich selbst geht er ernst ins Gericht, tiefe seelische Not wird darin erkennbar. Sie verrät, was der Heilige auch in der eigenen Umgebung feststellen konnte, daß dieser Mißerfolg die Menschen an ihrem Gottesglauben irre werden ließ.
    Auch der Wendenkreuzzug, zu dem Bernhard auf dem Frankfurter Reichstag im März 1147 seine Zustimmung gegeben hatte und zu dem er einen Aufruf hatte ergehen lassen, endete mit einem Mißerfolg12. Ein innerer Widerspruch wurde hier sichtbar und eine Unklarheit in Zielgedanken und Planung. Teilweise erwiesen sich nämlich die Slawen, die man unterwerfen wollte, als gute Christen, so daß man einen Krieg gegen sie nicht als Kreuzzug hätte bezeichnen sollen. Oder wenn die Slawen, die man unterwarf, Heiden waren und bleiben wollten, erschien es sinnlos, sie zu vernichten und ihr Land zu verwüsten, aus dem man unter eigener Herrschaft doch Nutzen ziehen wollte. Das aber widersprach den ausdrücklichen Kreuzzugsanweisungen Bernhards. Er hatte »Vernichtung oder Bekehrung der Heiden« verlangt13 und einen Friedensschluß oder Vertragsschluß so lange verboten, als die Völker noch Heiden waren. Die Fürsten haben sich an Bernhards Weisungen nicht gehalten.
    Bleibender Erfolg lag nur in der Erwerbung Lissabons14 und dem damit ermöglichten Ausbau des neuen Königreichs Portugal. Damit war der rechte Flügel jenes das ganze Mittelmeer umfassenden Feldzugs gegen den Islam verstärkt. Auf dem Mittelabschnitt konnte sich Roger II. in Tripolis festsetzen (1143 erst, dann endgültig 1146)15. Der linke Flügel indes, die Kreuzfahrerstaaten, geriet in steigende Not.

    Fußnoten

    1 Vgl. Bd III/1 Kap. 51.

    2 Chronica VII 32, ed. Hofmeister, 360-361. Treffpunkt war Vetralla bei Viterbo, vgl. auch Chronica VII 3. ed. Hofmeister. 363-367.

    3 E. Caspar, Die Kreuzzugsbullen Eugens III.: NA 45 (1924) 285-300; vgl. auch U. Schwerin, Die Aufrufe der Päpste zur Befreiuung des Heiligen Landes: HStud (Berlin 1937).

    4 Von Norden herkommend, hatte die kommunale Bewegung 1143 auch Rom erreicht (vgl. C.W. Previté- Orton, The Italian Cities c. 1200: The Cambridge Medieval HistoryV [Cambridge 1926] 208-241). Im Sommer proklamierten die Bürger auf dem Kapitol den »heiligen Senat der Stadt«. Nach dem Tode Innocenz' II. (23. 9. 1143) konnten auch seine Nachfolger (Cölestin II. und Lucius II). die Bewegung nicht eindämmen, vielmehr festigte sie sich auch unter Eugen III., der sich außerhalb der Stadt (in Viterbo) Residenz suchen mußte. F. Bartolini, Codice diplomatico del Senato Romano: FontiStIt (Rom 1948); ders., Per la storia del Senato Romano nel secolo XII: BIStIAM 60 (1946); A. Frugoni, Sulla »Renovatio Senatus« del 1143 e l'ordo equestris: BIStIAM 62 (1950) 159-174; A. Rota, La costituzione originaria del comune di Roma. L'epoca del comune liber (Luglio 1143 – Dicembre 1145): ebd. 64 (1953) 19-131.

    5 E. Caspar, Roger II., 370-398 (der zweite Kreuzzug und Rogers Kampf gegen Byzanz).

    6 Vgl. oben Kap. 3.

    7 König Konrad III. hatte am 27. 12. 1146, beeinflußt wohl auch von Bernhard von Clairvaux, in Speyer das Kreuz genommen (mit ihm auch Welf VI., viele andere Fürsten und Bischöfe). Heinrich der Löwe hatte versprochen (Frankfurt März 1147), er werde seine Ansprüche auf Bayern zurückstellen bis zur Beendigung des Kreuzzugs. Die ausführlichste Darstellung des deutschen Anteils bei W. Bernhardi, Konrad III. (Leipzig 1883) 503-684.

    8 Historia Pontificalis, ed. M. Chibnall, 54-56.

    9 Historia Pontificalis, ed. M. Chibnall, 52-53. Vgl. F. McNimm Chambers, Some Legends concerning Eleanor of Aquitaine: Speculum 16 (1941) 459-468. Eine wissenschaftlich befriedigende Biographie Eleonores gibt es trotz vieler Versuche noch nicht.

    10 So St. Runciman, Gesch. der Kreuzzüge II 277.

    11 De consideratione II, 1: PL 182, 741-745. Auch Otto von Freising meditierte über den Mißerfolg in seinen Gesta I 65, ed. Waitz-Simson, 91-93.

    12 Der wendische Obodritenfürst Niklot kam 1143 dem Angriff zuvor. Gegen seine Invasion ging der geplante Kreuzzug zu Feld, konnte aber mit Ausnahme einer Scheintaufe der Wenden nichts erreichen, vgl. H. Beumann; Heidenmission und Kreuzzugsgedanke, 275-316.

    13 Epp. Bernhardi, n. 457: PL 182, 651 D: »ad delendas penitus aut certe convertendas nationes illas«.

    14 Hier hatte eine Gruppe englischer, flämischer und friesischer Kreuzfahrer, die auf dem Seeweg ins Heilige Land unterwegs den Tejo hinaufgesegelt war, bei der mehrmonatigen Belagerung Lissabons geholfen und die Eroberung der Stadt ermöglicht.

    15 E. Caspar, Roger II. 415-423.

    [III. Die mittelalterliche Kirche: Erster Teil: Das Hochmittelalter. Handbuch der Kirchengeschichte, S. 4939
    (vgl. HKG Bd. 3,2, S. 44 ff.) (c) Verlag Herder
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    Dritter Kreuzzug (Jedin)

    Der dritte Kreuzzug; die Kreuzfahrerstaaten in Syrien und Palästina. Kreuzzugsfrömmigkeit

    Quellen: Anonymi Chronicon Terrae Sanctae (bis 1187), ed. H. Prutz, Quellenbeiträge zur Geschichte der Kreuzzüge (Danzig 1876); Niketas Choniates, Historia (bis 1206), ed. I. Bekker: CSHB (Bonn 1835), auch RecHistCrois Grecs I 319-337, in deutscher Auswahlübersetzung von F. Grabler: Byzantinische Geschichtsschreiber 7/9 (Graz- Köln 1938); zu den arabischen Quellen vgl. H.A.R. Gibb, The Arabic Sources for the Life of Saladin: Speculum 25 (1950) 58-72; Quellen zur Geschichte des Kreuzzuges Kaiser Friedrichs I. (Historia de expeditione Friderici imperatoris, Historia peregrinorum, Epistola de morte Friderici imperatoris, Narratio itineris navalis ad Terram sanctam), ed. A. Chroust, MGSS rer. Germ. NS 5 (Berlin 1928); vgl. A. Chroust, Tageno, Ansbert und die Historia peregrinorum (Graz 1892); einige bei Arnold von Lübeck, Chronica Slavorum: MGSS 21, ed. I.M. Lappenberg: MGSS rer. Germ. (Hannover 1868), und in der Chronik Ottos von Sankt Blasien, ed. A. Hofmeister: MGSS rer. Germ. (Hannover- Leipzig 1912).
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    Vgl. A History of the Crusades, ed. K.M. Setton u.a., Bd 2 (The Later Crusades 1189 to 1311) (Philadelphia 1962); H. Wieruszowski, The Norman Kingdom of Sicily and the Crusades, 3-44; S. Painter, The Third Crusade: Richard the Lionhearted and Philipp Augustus, 45-86; E.N. Johnson, The Crusades of Frederick Barbarossa and Henry VI, 87-122; St. Runciman, Geschichte der Kreuzzüge III (München 1960) 3-110; R. Grousset, Histoire des Croisades III (Paris 1936) 1-121; A. Waas, Gesch. der Kreuzzüge I (Freiburg 1956) 184-225; eine reiche Bibliographie bei H.E. Mayer, Das Itinerarium peregrinorum, XI- XXXIV; F. Kurth, Der Anteil niederdeutscher Kreuzfahrer an den Kämpfen der Portugiesen gegen die Mauren: MIÖG ErgBd 8 (1911) 131-252; C. Cahen, La Syrie du Nord á l'époque des croisades et la principauté franque d'Antioche (Institut de Damas. Bibliothèque orientale 1) (Paris 1940); ders., Selğukides, Turcomans et Allemands au temps de la troisième croisade: Wiener Zeitschrift für die Kunde des Morgenlandes 56 (= Festschrift H.W. Duda) (1960) 21-31; A. Cartellieri, Landgraf Ludwig III. von Thüringen und der dritte Kreuzzug: Zschr. des Vereins für thür. Gesch. u. Altertumskunde 42 (= NF 34) (1940) 42-64.
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    Das 3. Laterankonzil erwähnte im Gegensatz zu den anderen ökumenischen Synoden des 12. und 13. Jh. die Kreuzzugssorge der Christenheit nur indirekt. Sechs Bischöfe und zwei Äbte aus den Kreuzfahrerstaaten hatten an ihm teilgenommen, aber nicht einmal Erzbischof Wilhelm von Tyrus, der bedeutendste unter ihnen, deutet an, das Konzil habe sich eingehender mit der Lage im Königreich Jerusalem beschäftigt. Wilhelm, der Kanzler des aussätzigen Königs Balduin IV. (1174-85), wußte nur zu wohl, welcher Krise das Land unter den energischen Vorstößen Saladins (1171-93) entgegentrieb1. Werbungen in Sizilien, Frankreich und England wurden nicht unterlassen. Zahlreiche französische Ritter unter Peter von Courtenay fuhren gleichzeitig mit den vom Konzil heimkehrenden Prälaten gen Osten. Man mochte der Meinung sein, der Friede zwischen Papst und Kaiser, die Beendigung und Bereinigung des Schismas würde im Abendland wieder den Willen zu gemeinsamer Hilfe für Jerusalem wach werden lassen. Alexander III. hatte ja auch während seines bewegten Pontifikates die Entwicklung in Syrien und Palästina aufmerksam verfolgt und noch kurz vor seinem Tod am 30. August 1181 einen Appell an die Christenheit richten können (16. 1. 1181). Seine Nachfolger bemühten sich gleichfalls im Hinblick auf den Kreuzzug um eine umfassende Friedenspolitik im Abendland, sowohl zwischen der Kurie und dem Kaisertum, mit der Stadt Rom, wie auch zwischen den Königen und Fürsten, vor allem zwischen England und Frankreich, wo in der Nachfolge Ludwigs VII. seit 1180 Philipp II. August kraftvoll zu regieren begonnen hatte.
    Aber erst die Katastrophe der verlorenen Schlacht von Hattin in Galiläa und Saladins2 Einzug in das eroberte Jerusalem (1187) vermochten das Abendland noch einmal so tief zu erschüttern, daß die seelischen Vorbereitungen zu einem gesamteuropäischen Kreuzzug gegeben waren. Das Papsttum übernahm wiederum die Aufgaben der Kreuzpredigt, verzichtete aber auf die Führung des Zuges selbst; sie sollte in den Händen der drei Herrscher, des Reiches, Englands und Frankreichs, liegen. Der zweimonatige Pontifikat Gregors VIII. (21. 10. – 17. 12. 1187) wurde von der Kreuzzugssorge ganz geprägt; die ersten Legaten gingen jetzt bereits nach Deutschland, Frankreich, Dänemark, selbst bis nach Polen, um das Kreuz zu predigen. Papst Clemens III. (1187-91) führte diese Anfänge konsequent weiter (Aufrufe vom 10. Februar und 27. Mai 1188). Mit besonderem Eifer ging der Zisterzienserkardinal Heinrich von Albano, den der Erzbischof Josse von Tyrus begleitete, ans Werk3.
    Er konnte den englisch-französischen Waffenstillstand von Gisors (21. 1. 1188) vermitteln, wo unter dem Druck der öffentlichen Meinung beide Könige das Kreuz nahmen. In Köln gelang es ihm, Erzbischof Philipp mit Kaiser Friedrich I. zu versöhnen. Am »Hoftag Jesu Christi« (Sonntag Laetare) zu Mainz, auf dem der Legat und der Bischof von Würzburg (Gottfried I. von Helfenstein) predigten, nahmen Friedrich, sein ältester Sohn gleichen Namens, zahlreiche Fürsten das Kreuz. Der Beginn der Fahrt wurde auf das Frühjahr 1189 festgesetzt. Die Befreiung des Heiligen Grabes sollte des Kaisers Lebenswerk krönen. Die Grafen Philipp von Flandern und Balduin von Hennegau schlossen sich an. In Frankreich und England erhob man erstmalig eine Kreuzzugssteuer, den Saladin-Zehnt4. Schottland allerdings zahlte nichts, König Wilhelm der Löwe vermochte seine sparsamen Barone nicht umzustimmen. Der deutsche Kreuzzug wurde von den Teilnehmern selbst finanziert. Papst Clemens III. forderte von den Mitgliedern des hohen Klerus einen Geldbeitrag, dessen Höhe allerdings nicht festgelegt wurde. Man kann in dieser Maßnahme die Anfänge einer Entwicklung sehen, die im kommenden Jahrhundert dahin rührte, die Kreuzzüge ganz allgemein mittels Besteuerung von kirchlichen Einkünften zu finanzieren.
    Neben die Kreuzpredigt trat auch die werbende Schrift und vor allem das Kreuzlied in höfischer und volkstümlicher Form5; der Pfarrklerus warb sogar mit Hilfe lebender Bilder, welche Szenen aus dem Heiligen Land vom Kampf mit den Sarazenen vorstellten, um die Teilnahme des leseunkundigen Volkes zu wecken.
    Der deutsche Kreuzzug setzte sich am 11. Mai 1189 von Regensburg aus in Bewegung; er stellte unstreitig die gewaltigste Streitmacht und wird von den Zeitgenossen wegen seiner guten Zucht und seiner umsichtigen Vorbereitung gerühmt. Unterdes hatte König Wilhelm II. von Sizilien († 18. 11. 1189) bereits eine erste Hilfe gesandt und die beiden Städte Tyrus und Tripolis retten helfen. Englische Kreuzfahrer, dem königlichen Zug voraus, wie auch Flamen und Dänen kamen zu Schiff. Während Kaiser Friedrich I. durch Ungarn und den Balkan zog, verzögerte sich das englisch-französische Unternehmen wegen des neuerdings ausgebrochenen Streites zwischen den Königen, der erst zwei Tage vor Heinrichs II. Tod mit einem den englischen König tief verdemütigenden Frieden (sein Sohn Richard stand auf der Seite des französischen Gegners) hatte beendigt werden können6. Kaiser Friedrich I. überwinterte in der Nähe von Byzanz, wo der neue Kaiser Isaak Angelos unerwartet Schwierigkeiten machte, konnte aber im Frühjahr 1190 nach Kleinasien übersetzen. Der Marsch quer durch das Innere des Landes ging langsam vorwärts. Nachdem man endlich das kilikische Vorgebirge überschritten und Armenien erreicht hatte, fand der Kaiser am 10. Juni 1190 im Flusse Saleph den Tod. Saladin konnte mit Recht darin seine Rettung erblicken. Herzog Friedrich von Schwaben, der Sohn des Kaisers, konnte das Heer nicht zusammenhalten. Viele Ritter kehrten um, andere fuhren zu Schiff weiter, den Rest führte er nach Antiochien, wo er selbst (21. 6. 1190) erkrankte und starb. Die Leiche Barbarossas wurde in Antiochia beigesetzt.
    König Richard Löwenherz übernahm die Verpflichtung seines Vaters zur Kreuzfahrt7. In Vézelay kam das englische und französische Aufgebot zusammen (4. Juli 1190); man wählte den Seeweg nach Syrien. Die Heere überwinterten auf Sizilien (Messina), wo sich eine englische Kreuzfahrerflotte eingefunden hatte. Noch auf der Überfahrt zum Heiligen Land gelang es König Richard, die Insel Zypern zu erobern, wohin sich später das politische Schwergewicht der Kreuzfahrerstaaten verlegen sollte.
    Zunächst befreite der englisch-französische Kreuzzug das seit zwei Jahren belagerte Akkon (13. 7. 1190). Dann brach Zwist bei den Kreuzfahrern aus, denn die seit dem sizilischen Winter verfeindeten Könige ergriffen Partei im Streit um die Königsnachfolge in Jerusalem; Richard unterstützte Guido von Lusignan, Philipp II. August Konrad von Montferrat. Da aber der König von Frankreich bald nach Akkons Fall sein Kreuzgelübde für erfüllt ansah und über Rom, wo er sich vorsichtigerweise von Clemens III. noch eigens absolvieren ließ, nach Hause zurückkehrte, konnte Richard Löwenherz die Führung des Feldzuges gegen Saladin übernehmen. Eine Rückeroberung Jerusalems gelang zwar nicht, doch verschafften Richards glänzende Siege bei Jaffa und in der Schlacht von Arsuf den Franken wenigstens eine militärische Ruhepause (zumal Saladin 1193 starb und eine zerfallende Herrschaft hinterließ). Ein Waffenstillstand (2. 9. 1192) war das Ende des dritten Kreuzzugs. Saladin sagte den Pilgern nach Jerusalem freien Zugang und entsprechenden Schutz zu, das Heilige Grab aber blieb vorerst in den Händen des Islams.
    Da nur ein schmaler Küstenstreifen von Beirut bis Askalon gerettet werden konnte und auch seine politische Existenz vom Belieben des mächtigen islamischen Reiches abhing, zudem nur in engster Fühlungnahme mit dem lateinischen Abendland weiterzuführen war, trugen von jetzt an die jeweils führenden Herrscher der Christenheit die Krone von Jerusalem, zuerst die Staufer, dann Ludwig IX. der Heilige, schließlich Karl von Anjou. Die Kreuzfahrerstaaten selbst, nur mehr eine Reihe von einzelnen Städten und Burgen, vielfach von Zypern aus geführt, bildeten seit dem dritten Kreuzzug das Königreich Akkon, dessen Geschichte mit dem Fall dieser Stadt im Jahre 1291 endgültig zu Ende ging.
    Die schweren Verluste des dritten Kreuzzugs und die geringen Erfolge enttäuschten die Christenheit, wenn auch nicht in dem Maß wie der zweite Kreuzzug. Bevor das Jahrhundert zu Ende ging, erlebte das verkleinerte Frankenreich noch einmal eine Hilfe vom Westen im Kreuzzug Kaiser Heinrichs VI., der in Zusammenhang der Mittelmeerpolitik dieses Herrschers verstanden sein will. Die Könige von Zypern und Armenien wurden in die Oberlehensherrschaft des Reiches aufgenommen. Den Zug selbst konnte der Kaiser (er starb im Januar 1198) nicht mehr selber führen. Sein Kanzler Konrad, Bischof von Hildesheim, und der zum päpstlichen Legaten ernannte Erzbischof Konrad von Mainz kamen mit einem zahlreichen Aufgebot aus den Rheinlanden und den staufischen Hoheitsgebieten. Von August 1197 an trafen einzelne Gruppen ein. Man konnte Sidon und Beirut erobern und die Küste sichern, doch der Tod des Kaisers und die in Deutschland mit der Doppelwahl anhebenden Wirren ließen das Unternehmen vorzeitig zu Ende gehen. Ehe die Kreuzfahrer das Land verließen, erhob man in Akkon (am 5. 3. 1198) die bisherige deutsche Spitalbruderschaft zum Ritterorden, der als Deutschherrenorden einer bedeutenden Zukunft entgegengehen sollte, die sich aber nicht im Heiligen Land entfaltete.

    Kreuzzugsfrömmigkeit

    Im Rückblick auf ein Jahrhundert kriegerischen Handelns unter dem Zeichen des Kreuzes stellt sich die Frage, ob und wie dieses Geschehen die geistlichfromme Haltung der Christen geformt und entfaltet habe. Die Geschichte der Frömmigkeit erfährt im 12. Jh. nicht nur jene Bereicherung, die durch eine Steigerung und weitere Entfaltung der monastischen Spiritualität in den neuen Orden bedingt wird, sondern es eröffnen sich ihr ganz neue Felder frommer Gebärde, opfervoller Hingabe, selbst mystischen Erlebens. Neben den Mönch und den Chorherrn tritt der Laie8, allerdings nur selten als neuer Sprecher (Schriftsteller, Theologe), zumeist als der Handelnde, dessen Motive, Gesinnungen, Gebete indirekt aus den Quellen zu erschließen sind. Nur als Dichter gibt der Laie unmittelbar der neuen Frömmigkeit Ausdruck. Sie nimmt an den allen Trägern kirchlicher Reformbewegung gemeinsamen Tendenzen teil, entstammt der Sehnsucht nach einer »vita apostolica« und dem Willen, den »pauperes Christi« zugezählt zu werden. Ihre Formen aber werden bestimmt von dem Kreuzzugsgeschehen, dessen hohe Zeit nicht nur, aber doch vor allem in die bernhardinische Epoche fällt. Die Tatsache, daß die Aufrufe zu den Kreuzzügen einen so überwältigenden Erfolg bei allen Schichten des christlichen Volkes zeitigten und nach fast allgemeiner Meinung der Forscher das religiöse Motiv zum Entschluß, das Kreuz zu nehmen, Vorrang vor anderen besaß9, läßt sich kaum anders erklären als durch das Erwachen und Erstarken einer frommen Haltung, in der die weiter unten darzulegenden Elemente religiöser Einsichten und Entscheidungen wirksam wurden. Pilgerfahrten (aus Buße, Devotion, Votivwillen) gab es seit je nach Compostela, Rom und Jerusalem. Die Pilgerfahrt in Waffen war das Neue, durch den christlich jetzt stärker geprägten ritterlichen Standesbegriff im lateinischen Westen mitbedingt. Hierfür spricht die eigenartige Entstehung von Orden, deren Mitglieder die Waffe berufsmäßig führen. Ihre Ursprünge liegen zudem im Hospitalgedanken10, der parallel zu den Kreuzzügen in der ganzen Christenheit, vorab im 12. Jh., seine reichste und spontanste Entfaltung erlebt. Wesenszüge dieser Hospitalbereitschaft kehren wieder bei den Eremiten, die auch in das vielgestaltige Bild der Frömmigkeit dieser Epoche gehören. Die bindende Kraft im Zusammenspiel solcher einander auf den ersten Blick fremder, wenn nicht gar widerstreitender Einzeltendenzen ist eine lebhaftere und anders als früher gerichtete Christusfrömmigkeit. Die Predigt und der seelsorgliche Kontakt von Mönchen, Chorherren, Bischöfen und Weltklerikern, die von großer Vertrautheit mit der Heiligen Schrift, zumal des Neuen Testamentes, geprägt waren und bereits die Wendung vom königlichen Herrn Christus zum irdisch pilgernden, leidenden, menschlich nahen, erlösenden und nicht herrschenden Jesus von Nazareth in der eigenen Frömmigkeitshaltung zu vollziehen begannen, hatte bei den Laien das Verlangen zur vita apostolica geweckt, das heißt zu persönlicher Nähe zu dem Christus, der ihnen den Weg zum Heil wies, ihn möglich machte und geradezu beispielhaft vorlebte. Die gesamte katechetische Unterweisung gründete, wie die Forschung neuerdings aufweist11, seit dem 12. Jh. auf dem theologischen Grundschema der »via salutis«. Daß die konkrete Gestalt dieser »via salutis« jetzt zum Kreuzzug wurde, erstaunt dann nicht mehr. Die Kreuzzugsfrömmigkeit erscheint demnach als eine charakteristische Ausprägung der Suche des Christen nach dem Heil, das er in einer dreifachen Einigung findet: einer Einigung mit Gott in gehorsamem Dienst (»Gott will es«), mit Christus in der leidenden, sterbenden, triumphierenden Nachfolge (für Christus, mit ihm), mit dem Heiligen Geist im Enthusiasmus des Aufbruchs, der als neues Pfingsterlebnis gewertet wird. Zu dieser dreifachen Einigung mit Gott führt vor allem der Weg der Buße und des Gebetes. Buße gehört zu den Zentralthemen der Kreuzzugspredigt und Kreuzzugsfrömmigkeit, ganz wie sie auch im soteriologischen Grundschema der Volkskatechese einen breiten Raum einnimmt. Durch den Gedanken der Christusnachfolge geadelt, befreit sich jetzt der Büßerwille aus dem Bereich eines nur auf das eigene Heil gerichteten Bestrebens, zumal den Kreuzfahrer auch das Bewußtsein erfüllte, stellvertretend für die Zurückbleibenden Buße zu leisten, denn der Kreuzzug als solcher war eine Pflicht, die an sich der ganzen Christenheit als solcher auferlegt war. Dem entspricht die Haltung der Heimat, welche durch Almosen, Geld- und Sachspenden, fürbittendes Gebet, Fasten, freiwillig übernommene Bußwerke die »expeditio sacra« unterstützte und so an ihr teilnahm. Diese Selbstheiligung, angesehen als Teilnahme an der »via salutis« des Kreuzzuges, schloß die ganze Christenheit zu gemeinsamen frommen Handeln zusammen und läßt die Kreuzzugsfrömmigkeit als die erste einheitlich geprägte Form christlicher Laienspiritualität in der Kirchengeschichte hervortreten. Die von einem Laien verfaßten »Gesta Francorum« beginnen mit dem aufschlußreichen Satz: »Als jene Zeit angebrochen war, auf die der Herr Jesus täglich zwar seine Gläubigen hinweist, besonders wenn es im Evangelium heißt: Wer mir nachfolgen will, der verleugne sich selbst, er nehme sein Kreuz auf sich und folge mir (Mt 16, 24), ging eine kraftvolle Bewegung durch alle fränkischen Lande, so daß jeder, der Gott reinen Herzens und Sinnes eifrig zu folgen und ihm das Kreuz getreulich nachzutragen wünschte, nicht säumte, den Weg zum Heiligen Grab möglichst schnell anzutreten.«12
    Eine Frucht dieser Kreuzzugsfrömmigkeit sind die Ritterorden, die zugleich im Hospitaldienst ein beherrschendes Frömmigkeitsmotiv der Zeit verwirklichen. Die Kranken sieht man als die pauperes Christi, sieht in ihnen den Herrn und dient ihm, indem man den Kranken dient. Der Großmeister der Johanniter bezeichnet sich als »servus pauperum Christi«. Der vom Kreuzzug heimkehrende Wilhelm von Malavalle († 1157) läßt sich als Eremit in der Silva Livallia (Monte Pisano) nieder und beginnt mit dem Bau eines »hospitale ad dei venerationem et pauperum Christi refectionem«, womit vor allem Rompilger gemeint waren13. Die Hospitaliter vom heiligen Lazarus in Jerusalem wurden um 1120 gegründet und lebten nach der Augustinerregel. Das ausgehende 12. Jh. kennt eine ganze Reihe von Laiengenossenschaften für den Krankendienst, wie die Brüder vom heiligen Johannes Baptist in Beauvais (vor 1185), die Hospitaliter Unserer Lieben Frau, gen. della Scala, in Siena (1194), die Brüder vom Orden des Heiligen Geistes (um 1180) in Montpellier. Paul Alphandéry stellt in diesen Zusammenhang auch die aus dem Geist der neuen Frömmigkeit entstehende Baubewegung, »la croisade monumentale«, die, von Chartres ausgehend, sich über die Normandie und einen großen Teil Frankreichs erstreckt14. Auch bei ihr ist der Bußgedanke zentrales Motiv. Am Bauplatz stellen die Pilger ihre Wagen »velut castra spiritualia« (wie ein geistliches Feldlager) zusammen, sie betrachten sich als einen »Heerzug des Herrn« (exercitus Domini). Selbst in den Klöstern der neuen Orden, hier aber verinnerlicht und stärker spiritualisiert, erfährt die Frömmigkeit vom Gesamterlebnis der Kirche in den Kreuzzügen her Impulse.
    Aus der vielfach turbulenten, von eschatologischer Furcht bestimmten, zugleich aber auch von einer durch das Evangelium vertieften und sich zu enthusiastischer Hingabe steigernder Christusverehrung und Gottesliebe getriebenen Bewegung, die vor allem die breiten Massen der lateinischen Christenheit erfaßt, erwächst eine Form der Volksfrömmigkeit, welche die Zeit der Kreuzzüge selbst hindurch und weit über sie hinaus reicht und die zum Wurzelgrund vieler Andachtsformen der folgenden Epochen wird.

    Fußnoten

    1 Imad ad-Din, Conquête de la Syrie et de la Palestine, ed. C.v. Landberg (Leyden 1888); H.A.R. Gibb, The Achievement of Saladin: Bulletin of the John Rylands Library 35 (1952/53) 44-60; J. Kraemer, Der Sturz des Königsreichs Jerusalem in der Darstellung des Imad al-Din (Wiesbaden 1952); H.A.R. Gibb, The Rise of Saladin (1169-89): History of the Crusades I (1958) 563-589; M.W. Baldwin, The Decline and Fall of Jerusalem (1174-89): ebd. 590-621.

    2 PL 200, 1294-1296.

    3 . Y.M. – J. Congar, Henri de Marcy, 43-54 77-90.

    4 Zu der umstrittenen Kreuzzugssteuer in England und Frankreich vgl. F.A. Cazel, The Tax of 1185 in Aid of the Holy Land: Speculum 30 (1955) 385-392 und J.H. Round, The Saladin Tithe: EHR 31 (1916) 447-450.

    5 Dazu F.W. Wentzlaff-Eggebert, Kreuzzugsdichtung des Mittelalters (Berlin 1960).

    6 A.L. Poole, From Domesday Book to Magna Carta 347 f, wo als Datum der 4. Juli 1189 und als Ort der Übereinkunft Colombières zwischen Tours und Azay- le-Rideau mitgeteilt wird.
    7 F.J. West, The Justiciarship in England 1066-1232 (Cambridge Studies in Medieval Life and Thought 12) (Cambridge 1966) 64-74.

    8 Vgl. J.R. Strayer, The Laicization of French and English Society in the Thirteenth Century: Speculum 15 (1940) 76-86, der auf das 12. Jh. zurückgreift.

    9 Selbst St. Runciman, Geschichte der Kreuzzüge III 487 meint: »Die Haupttriebkraft, welche die christlichen Heere nach Osten dringen ließ, war der Glaube.«

    10 G. Schreiber, Gemeinschaften des Mittelalters, Recht und Verfassung, Kult und Frömmigkeit (Münster 1948) 3-80 (Byzantinisches und abendländisches Hospital).

    11 B.I. Kilström, Den kateketiska undervisingen i Sverige under medeltiden (Der kath. Unterricht in Schweden während des MA) (Uppsala 1958) 147-162 318-319.

    12 Gesta Francorum et aliorum Hierosolimitarum, ed. R. Hill (= Nelson's Medieval Texts) (London 1962) 1.

    13 K. Elm, Beiträge zur Geschichte des Wilhelmitenordens (Köln-Graz 1962) 11-33.

    14 La Chrétienté et l'idée de Croisade 163-165.

    [III. Die mittelalterliche Kirche: Erster Teil: Das Hochmittelalter. Handbuch der Kirchengeschichte, S. 5073
    (vgl. HKG Bd. 3,2, S. 95 ff.) (c) Verlag Herder
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    Vierter Kreuzzug (Jedin)

    Zwischen dem 4. Kreuzzug und dem 2. Konzil von Lyon

    Literatur: A. Heisenberg, Neue Quellen zur Geschichte des lateinischen Kaisertums und der Kirchenunion I-III: SAM 1922, 5; 1923, 2; 1923, 3 (München 1922/23); W. Miller, The Latins in the Levant (London 1908); J. Lognon, L'empire latin de Constantinople et la principauté de Morée (Paris 1949); S. Lampros, Autokratorôn tou Byzantiou chrsoboulla kai chrysa grammata anapheromena eis tên henôsin tôn ekklêsiôn: Neos Hellênomêmôn 11 (1904) 94-128 241-254; A.L. Tautu, Acta Urbani IV, Clementis IV, Gregorii X (Città del Vaticano 1953): A. Gardner, The Lascarids of Nicaea (London 1912); D.J. Geanakoplos, Emperor Michael Palaeologus and the West (Cambridge/Mass. 1959).
    [Nachtrag:] J. Gill, The second encounter with the west: A.D. 1204-1453, in: Byzantium, an introduction (Oxford 1971) 111-134; A.D. Karpozilos, The ecclesiastical controversy between the kingdom of Nicaea and the principality of Epiros (Thessalonike 1973); G. Fedalto, La chiesa latina in Oriente, 3 Bde. (Verona 1973-1978); J. Gill, The church union of the council of Lyons (1274) portrayed in greek documents: OrChrP 40 (1974) 5-45; ders., John Beccus, patriarch of Constantinople: Byz(B) 45 (1975) 251-266.

    Der 4. Kreuzzug brachte die bedeutendsten Teile des byzantinischen Reiches, die Hauptstadt Konstantinopel eingeschlossen, in die Hand der »Lateiner«. Dieser Sieg, der sich doch als »Akt gigantischer politischer Torheit« (St. Runciman) entpuppen sollte, brachte weder für den Kreuzzugsgedanken als solchen noch für die Sicherung des fränkischen Ostens irgendwelche dauernden Vorteile. Für die Idee von der Wiedervereinigung der getrennten Christenheit aber erwies er sich als einer der schwersten Nachteile. Papst Innozenz III.1 schwankte zunächst zwischen Empörung über die »Greuel der Verwüstung«, die die Kreuzfahrer an christlicher Stätte verübt hatten, und der kaum unterdrückten Befriedigung, dieses Reich, das sich christlich gebärdet hatte, ohne willens zu sein, den päpstlichen Primat nachhaltig anzuerkennen, endlich zu Boden gezwungen zu sehen. Die Befriedigung gewann ersichtlich die Oberhand und erzeugte bei ihm eine Rechtsvorstellung, die bei diesem geschulten Juristen doch wohl nur aus der geschilderten Befriedigung erklärbar ist und die mit Fug auf den prekären Satz gebracht werden kann: Cuius regio, eius religio. Die päpstlichen Anweisungen für den Legaten Benedikt von S. Susanna enthalten jedenfalls den unmißverständlichen Satz: » ...translato ergo imperio necessarium, ut ritus sacerdotii transferatur, quatenus Ephraim reversus ad Iudam in azymis sinceritatis et veritatis expurgato fermento veteri epuletur ...«2
    Man hat für das Auseinanderleben der beiden Kirchen schon immer die nationalen und kulturellen Unterschiede mitverantwortlich gemacht. Entscheidend aber werden diese Unterschiede wohl erst jetzt, da das Ehrgefühl der Byzantiner ins Herz getroffen war. An den Rändern des neuen lateinischen Kaiserreiches festigt sich der griechische Widerstand, und es entstehen staatliche Gebilde, die alle die Nachfolge des alten byzantinischen Reiches anstreben: Trapezunt, Nikaia und Epirus. Ihre Rivalität verhindert eine einheitliche Aktion gegen das Lateinische Reich, sie verzögert die Wiedereroberung Konstantinopels und die Restauration im alten Umfang. Aber einig sind sie sich alle in einem neuen, spezifisch griechisch-orthodoxen Nationalgefühl, in dem »griechisch« und »orthodox« mehr und mehr konvertierbare Begriffe werden, und das sich bei aller festzustellenden Anerkennung der politischen Rechte der Eroberer gerade gegen die ebensooft festzustellende Konvertierbarkeit der Begriffe »fränkisch« und »päpstlich« wendet. An dieser fatalen Verquickung der Begriffe werden im Grunde alle Unionsversuche scheitern.
    Sowenig sich die meisten der Eroberer und päpstlichen Emissäre über diese gefährliche Situation Rechenschaft gaben, so wenig beachteten sie die alte balkanische religiöse Einheit. Der Bulgarenzar Kalojan hatte zwar erst im Jahre 1203 die Anerkennung des kirchlichen Primats von Tirnovo und 1204 seine eigene als Herrscher der »Bulgaren und Walachen« von Seiten des Papstes erreicht, ja aus der Hand eines päpstlichen Legaten die Krone in Empfang genommen. Aber als er jetzt die Verbindung mit den lateinischen Eroberern Konstantinopels aufnahm, mußte er feststellen, daß Kaiser Balduin – hochfahrender Nachfolger des byzantinischen Autokrators – völlig unrealistische Gebietsansprüche auf das bulgarische Thrakien und Makedonien erhob. Unter solchen Umständen war es für die alten orthodoxen Glaubensgenossen der Bulgaren, die Griechen, nicht schwer, den Zaren auf ihre Seite zu ziehen, und in der Osterwoche des Jahres 1205, kaum ein Jahr nach dem Fall von Konstantinopel, brachte Kalojan bei Adrianopel den Kreuzfahrern eine schwere Niederlage bei, die Kaiser Balduin die Freiheit kostete und das junge Reich in die größten Schwierigkeiten stürzte. Balduins Bruder Heinrich von Flandern, der nun den Thron bestieg (1206-16), zog nicht zuletzt aus diesem Ereignis die Folgerung, mit den Gefühlen der Griechen seines Reiches glimpflicher umzugehen als sein Vorgänger3, und führte deshalb auch die religiösen Verhandlungen weniger im Geiste des fernen Papstes als mit jener Rücksicht, die ihm die politische Opportunität aufzwang. Schließlich muß betont werden, daß die päpstlichen Legaten, die mit Unionsprojekten nach Konstantinopel kamen, dort keinen voll legitimierten Dialogpartner fanden4. Der letzte Patriarch des Byzantinischen Reiches, Joannes Kamateros, hatte bei Ankunft der Kreuzfahrer die Flucht ergriffen und war nicht mehr zu bewegen, nach Konstantinopel zu reisen5. Er starb im Jahre 1206 im freigewählten Exil. Das war die Chance des byzantinischen Mönchtums, das sich nun zum Herold der Orthodoxie aufwerfen konnte, ohne vom Patriarchen und seiner immer stark von politischen Erwägungen getragenen Einstellung weiterhin behindert zu werden. Diese Stunde des Mönchtums bleibt entscheidend: der Hierarchie wird in der Folgezeit sehr häufig in all diesen Fragen nicht mehr das letzthin entscheidende Wort bleiben. Schon 1204 scheiterte der Versuch eines Unionsgesprächs, das Kardinal Petrus Capuanus veranstaltete, am Widerstand des Mönches Joannes Mesarites. Ende 1205 oder Anfang 1206 traf Kardinal Benedikt von S. Susanna als päpstlicher Emissär in Konstantinopel ein. Er veranstaltete zunächst Versammlungen des byzantinischen Klerus, wo offenbar der Bruder des Joannes, der Diakon Nikolaos Mesarites6, der Sprecher der Griechen war, dann aber, ersichtlich aus der Erkenntnis heraus, daß es weniger auf den Weltklerus der Hauptstadt als auf die Mönche ankam, eine Versammlung von Mönchen, in der wiederum Joannes Mesarites das Wort führte7. Offenbar waren auch die Mönche bis zu einem gewissen Grad bereit, Kaiser Heinrich als ihren Souverän anzuerkennen, nicht aber einen Jurisdiktionsprimat des Papstes anzuerkennen oder gar in den dogmatischen Fragen nachzugeben. Eine schwache Aussicht auf Erfolg bahnte sich an, als Patriarch Joannes Kamateros gestorben war. Die Griechen wandten sich jetzt nicht an den Legaten, sondern an Kaiser Heinrich um die Erlaubnis, sich einen Patriarchen wählen zu dürfen. Heinrich scheint nicht abgeneigt gewesen zu sein, immerhin mußte er eine gewisse Anerkennung des Papstes voraussetzen. So kam es auf orthodoxer Seite zu zwei Entwürfen von Briefen an Papst Innozenz III., in deren zweitem dem Papst wenigstens eine postliturgische Akklamation zugestanden wird. Es ist fraglich, ob einer dieser Briefe wirklich abgesandt wurde8. Wenn ja, dann hat Innozenz ihnen jedenfalls nicht Rechnung getragen. Eine Gelegenheit war verpaßt; denn nun nahm der konstantinopolitanische Klerus die Verbindung mit Theodoros Laskaris, dem Herrscher von Nikaia, auf, und es kam dort zur Wahl eines orthodoxen Patriarchen, der auch im orthodoxen Konstantinopel anerkannt wurde. Ein weiterer und folgenschwerer Schritt zur Konsolidierung der Orthodoxie war damit getan.
    Die Folge war, daß sich der nächste päpstliche Legat, Kardinal Pelagius von Albano, bereits veranlaßt sah, mit Nikaia Fühlung aufzunehmen. Zunächst scheint er nach seiner Ankunft in Konstantinopel 1214 den Versuch gemacht zu haben, die Mönche, und sei es mit Gewalt, zur Raison zu bringen, die sich nun mit ihren Klagen nicht mehr an Kaiser Heinrich von Flandern, sondern schon an Theodoros Laskaris wandten. So kam es zum Austausch von Unterhändlern mit Nikaia9. Theodoros Laskaris war den Verhandlungen nicht abgeneigt, denn allein die De-facto- Anerkennung seiner Herrscherwürde durch den päpstlichen Legaten war gegenüber dem Lateinischen Kaiserreich ein Gewinn. Aber dabei blieb es auch; von einem Erfolg kann nicht die Rede sein. In der Folge entpuppte sich das Faustpfand Konstantinopel bei jeder Verhandlung mit Nikaia als das größte Hindernis, denn für den griechischen Kaiser war, eingestanden oder nicht, die Rückgewinnung der alten Hauptstadt conditio sine qua non, für den Papst aber bildete dieses Lateinische Reich, das nicht leben und nicht sterben konnte, eine ärgerliche Belastung. Und als schließlich Innozenz IV. (1243-54) bereit zu sein schien, Konstantinopel aufzugeben, starb er über diesen Plänen, und außerdem konnte man zu diesem Zeitpunkt in Nikaia mit Grund glauben, daß die Stadt ohnedies bald wie eine reife Frucht dem griechischen Kaiser in den Schoß fallen würde10. In den Auseinandersetzungen im östlichen Mittelmeerraum spielte somit die Union bald nur noch die Rolle eines politischen Begleitumstandes, manipulierbar je nach der Situation der Gegner. Dann ist es nur folgerichtig, wenn ein Kaiser wie Joannes III. Vatatzes (1222-54) den Konflikt zwischen Friedrich II. von Hohenstaufen und dem Papst für seine Zwecke auszunutzen unternahm. Die echten kirchlichen Auseinandersetzungen spielten nur noch eine geringe Rolle; die Begeisterung für den Kreuzzug war längst verglüht, ein unbeschwertes System von Koalitionen und Gegenkoalitionen mit dem einzigen Zweck des eigenen Vorteils griff um sich. Der Kaiser von Nikaia erfocht seine Siege nicht selten mit lateinischen Söldnern, und das Lateinische Kaiserreich verband sich ebensooft mit den Seldschuken. Die Religionspolitik in den Teilstaaten des Lateinischen Imperiums bestimmten weniger päpstliche Richtlinien als der Vorteil der Herzoge und Grafen, die hier zu Herrschaft und Besitz gekommen waren. Eine Sonderstellung nahm allenfalls der Berg Athos ein, über den Innozenz III. selbst das Protektorat übernahm, obwohl außer dem Iberon-Kloster kaum ein anderes seinen Primat anerkannt haben dürfte.
    Im allgemeinen galt im Gesamtgebiet des Reiches die Regel, daß jeder griechische Bischof im Amt bleiben konnte, der dem Papst den Eid des Gehorsams leistete – und eine Reihe von Bischöfen hat ihn auch geleistet. Die anderen traten meist freiwillig ab oder versuchten, von irgendeinem sicheren Ort aus ihre Herde zu leiten. Für die Klöster dürfte es genügt haben, wenn sie den neuen Bischöfen zinsten, und auch der niedrige Klerus wird im allgemeinen mit diesem greifbaren Alibi davongekommen sein. Freilich gab es im Gefolge der Eroberer so viele lateinische Kleriker, die nun Kirchengut der Orthodoxie begehrten, daß mit einer starken Vergabe griechischer Pfründen und mit einer allgemeinen Verarmung des verbliebenen höheren und niederen griechischen Klerus durchaus gerechnet werden muß. In Kreta, das den Venezianern zugefallen war, gab es im Jahre 1224 von zehn Bischöfen nur noch zwei im Amt. Auch diese verschwanden bald. Und wenn Venedig auch keine ernsthaften Versuche machte, den Kretern die Union aufzudrängen, so beließen sie ihnen doch auch keine Hierarchie, sondern nur »Protopapades« in den größeren Städten, während die Klöster ihre Autokephalie genossen. Auch auf der fränkischen Peloponnes etablierten sich acht lateinische Bischöfe, darunter zwei Erzbischöfe (in Patras und Korinth), so daß für die griechische Hierarchie nicht mehr viel Spielraum blieb. Der griechische Metropolit von Patras versuchte zeitweise, seine Gemeinde vom Kloster Megaspelaion aus zu regieren. Michael Choniates lenkte seine Athener Herde von der Insel Keos aus, in Athen selbst residierte ein lateinischer Erzbischof. Die genannten Beispiele stehen repräsentativ für das gesamte Kirchenwesen im eroberten Land: da oder dort Arrangements mit den Eroberern, oberflächliches Nachgeben, wohl auch Opportunismus, ebensooft harter Widerstand und unfreiwilliges Exil, Arbeit im Untergrund und Mission aus der Ferne. Keine der beiden Kirchen blieb Siegerin11.
    Am 25. Juli 1261 fiel Konstantinopel wieder in die Hand der griechischen Kaiser. Ein Nachtmahr war vorüber, und ein Traum erfüllte sich. Doch am Tage darauf stellte es sich heraus, daß die Lage nichts weniger als rosig war. Michael VIII. (1259-82) war ein Usurpator, und die Opposition machte ihm im Namen der entthronten Laskariden bedeutende Schwierigkeiten, vor allem im mittleren und niederen Klerus12. Trapezunt blieb dem Reich verloren, und die dortigen »Großkomnenen« konnten sich nur zu Höflichkeitsleistungen gegenüber dem Kaiser in Byzanz aufraffen. Ebenso entzog sich Epirus immer wieder der byzantinischen Souveränität. Am meisten Erfolg hatte die Reconquista auf der Peloponnes. Das schlimmste für Michael war, daß der lateinische Westen zwar zunächst ruhig zugesehen hatte, wie Konstantinopel und der Kreuzfahrerstaat um die Stadt mehr und mehr verfielen, bis sie eine leichte Beute der Griechen wurden, in diesem Augenblick aber sich plötzlich wieder auf das verlorengegangene Imperium besann und aus den verschiedensten Gründen und von den verschiedensten Punkten aus Anstrengungen machte, den Griechen die Beute wieder abzujagen13. Auch der Hohenstaufe Manfred, und vor allem er, schloß sich diesen Bestrebungen an, uneingedenk der Allianz zwischen Friedrich II. und Joannes III. Vatatzes: eine Machtbasis, die Unteritalien und die griechischen Gebiete jenseits der Adria umfaßte, erschien ihm wichtig für seine hochfliegenden Pläne, die nach der Kaiserkrone zielten. Und wenn auch Genua bereit war, mit Michael VIII. zu gehen, so bedeutete dies automatisch die gefährliche Feindschaft Venedigs. Karl von Anjou aber, der Nachfolger der Hohenstaufen in Süditalien, übernahm sämtliche Erbansprüche Manfreds und fügte durch geschickte Politik neue hinzu. Es gab für Michael nur einen möglichen, freilich schwierigen Verbündeten: den Papst, der in ständiger Auseinandersetzung mit den Hohenstaufen unter Umständen auch mit einem griechischen Verbündeten zufrieden sein würde, der zwar in Karl von Anjou den gegebenen Mann fand, der ihn von den Hohenstaufen befreite, aber doch zugleich befürchten mußte, die Bäume dieses neuen süditalienischen Herren würden in den Himmel wachsen. Freilich, eine Allianz mit dem Papsttum bedeutete Union, und so machte sich Michael VIII. bald mit der Notwendigkeit vertraut, eine solche abzuschließen14. Der Ausgangspunkt mag politisch gewesen sein, aber der Kaiser nahm die Aufgabe ernst, und er hat sie aufrichtig und ausdauernd verfolgt. Die Schwierigkeiten lagen nie bei seinem guten Willen, sondern immer in den Umständen: Das unionsfeindliche Mönchtum war sich nach wie vor seiner Bedeutung bewußt, und die Hierarchie mußte sich, wollte sie nicht das Volk verlieren, diesem Mönchtum immer wieder beugen und konnte höchstens in einem diplomatischen Zickzackkurs die Pläne des Kaisers von ferne begleiten. Der byzantinische Kaiser war – trotz des gegenteiligen Glaubens der Päpste – nicht mehr in der Lage, mit seiner Autorität in Sachen des Glaubens seinem Volk eine Union aufzudrängen. Was blieb, war mehr oder weniger ein Alleingang des Kaisers. Michael VIII. hat mit Strenge, ja Grausamkeit versucht15, den Willen der Päpste in seinem Reich durchzudrücken; solange er lebte, ließ sich mancher Widerstand bannen, aber mit seinem Tod brach sein Werk sofort zusammen.
    Rom gegenüber war die größte Schwierigkeit die Frage nach den Prioritäten. Der byzantinische Kaiser hatte zunächst das größte Interesse an der diplomatischen und militärischen Hilfe des Papsttums und argumentierte, daß eine solche der Union den Weg am besten bahnen würde. Urban IV. etwa schlug diese Reihenfolge rundweg ab und verlangte als erstes die kirchliche Unterwerfung16. Clemens IV. gegenüber versuchte es Michael mit dem Versprechen, alle Kontroverspunkte auf einem allgemeinen Konzil verhandeln zu lassen, ohne auch damit einen Erfolg zu erzielen17. Selbst sein Angebot, sich am Kreuzzug Ludwigs IX. von Frankreich zu beteiligen, hatte nicht den Erfolg, den Papst von seiner primären Forderung nach kirchlicher Unterwerfung abzubringen. Die Verhältnisse ändern sich erst mit dem Pontifikat Gregors X. (1271-74). Mag das Urteil über diesen Papst wie immer ausfallen, in seiner Ostpolitik besitzt er etwas von der Größe, der Mäßigung und der Klarsicht des ersten Kreuzzugspapstes, Urbans II. Er hatte vor allem immer Verständnis für die schwierige Situation seines byzantinischen Gesprächspartners, und wenn er auch im Prinzipiellen nicht nachgeben zu können glaubte, so war der Modus seiner Politik doch ganz vom Geist der »Oikonomia« getragen. Selbst byzantinische Antiunionisten wie Georgios Pachymeres haben dies unumwunden zugestanden. Gregor selbst war es, der den Kontakt zu Michael VIII. als erster wiederaufnahm. Wichtig war, daß der Papst Verhandlungen auf einem allgemeinen Konzil anbot, aber zugleich bereit war, sofort in die politischen Verhandlungen einzutreten, ferner daß er sich zufrieden erklärte, wenn zunächst auch nur ein Teil des byzantinischen Episkopats die Union anerkennen würde; eine allgemeine persönliche Eidesleistung auf die Union sollte erst nach Maßgabe der vollzogenen Annäherung zu einem vom Papst zu bestimmenden Zeitpunkt erfolgen. Was er zunächst für notwendig hielt, war nicht ein Eid, sondern ein einfaches Versprechen, nach Herstellung des weltlichen Friedensschlusses den römischen Glauben und den Primat anzuerkennen. »Agnoscere desideramus« war die Formel, die er als Minimalforderung vorschlug18. Hier wurde der Modellfall eines modus procedendi geschaffen, der in der Kirchengeschichte fast einzig dasteht. Michael mußte nun trachten, wenigstens eine Minderheit der Hierarchie für die Union zu gewinnen, versuchte aber tatsächlich, eine Mehrheit herzustellen. Eine erste Bestandsaufnahme ergab im hohen Klerus kein halbes Dutzend Parteigänger des Kaisers. Patriarch Joseph (1267-75) war mit den dogmatischen Fragen überfordert und bediente sich in der Auseinandersetzung der Hilfe eines Mönchs, Job Jasites', der ein ausgesprochener Gegner der Lateiner war. Der Patriarch ließ sich sogar zu einem Eid verleiten, er würde der Union nicht beitreten. Später hat ihn dieser Eid offenbar gereut, aber er hielt sich an ihn gebunden19. Immerhin gab er zu verstehen, daß er einer Union nicht im Wege stehen wolle. Schlimmer war, daß der gelehrteste Theologe seiner Zeit, der Chartophylax Joannes Bekkos20, nicht gewillt war, die Bemühungen des Kaisers zu unterstützen. Da er sich allzu freimütig äußerte, mußte er ins Gefängnis, freilich begleitet von einer kleinen theologischen Bibliothek, damit er seine theologischen Ansichten revidieren könne. Das Mittel tat seine Wirkung. Daß diese Bekehrung politischer Natur gewesen sei, scheint mir kaum wahrscheinlich; denn wir wissen, daß Bekkos im Gefängnis auch die Werke eines byzantinischen Theologen las, der eben um diese Zeit (1272) starb, namens Nikephoros Blemmydes21. Von schwankender kirchenpolitischer Haltung hat Nikephoros doch gelegentlich in seinen theologischen Schriften jene Annäherung an die lateinische Position in der Frage nach dem Ausgang des Heiligen Geistes (a filio = per filium) vollzogen, die von weittragender Bedeutung wurde. Bekkos wird sich aber in der Folgezeit gerade auf Blemmydes berufen. Jedenfalls verließ er das Gefängnis und wurde nun der geschickte, theologisch kaum zu schlagende Verfechter der Union, dessen Schriften es zu verdanken ist, wenn in der Folgezeit eine kleine, aber gewichtige Partei von »Latinophrones« aus der byzantinischen Geistesgeschichte nicht mehr wegzudenken ist. Schon immer Unionsfreund, wurde jetzt der Archidiakon Konstantinos Meliteniotes der engste Mitarbeiter des Bekkos. Als dritter im Bunde ist der Archidiakon Georgios Metochites zu nennen. In der hohen weltlichen Hierarchie hatte Michael in dem angesehenen Historiker Georgios Akropolites einen Verfechter seiner Ideen, der sich zwar ins Theologische nicht allzusehr vertiefte, aber die christliche Idee der Union als solche sich zu eigen machte. Dazu kam ohne Zweifel eine ganze Reihe von Klerikern und Laien, die den Schritt des Kaisers mitzumachen gedachten, teils aus Überzeugung, teils aus Indifferenz oder Opportunismus. Im Februar 1274 verabschiedete schließlich die imponierende Zahl von 44 Bischöfen samt dem hohen Klerus der Hagia Sophia einen Brief an den Papst, der den Primat (primum et summum pontificem esse et nominari) anerkannte und die Bereitwilligkeit zur Union ausdrückte22; gleichzeitig unterzeichnete der Kaiser mit Purpurtinte das ihm von Rom zugesandte Glaubensbekenntnis23.
    Am 11. März 1274 ging die byzantinische Delegation, bestehend aus dem ehemaligen Patriarchen Germanos III. und dem Metropoliten Theophanes von Nikaia sowie dem Großlogotheten Georgios Akropolites auf Schiff und traf am 24. Juni in Lyon ein. Das Glaubensbekenntnis, das der Kaiser überreichen ließ, enthielt die dogmatischen Formeln der lateinischen Kirche, auch das Filioque; zugleich bat jedoch der Kaiser den Papst, von einer Veränderung des Symbolums für die Griechen abzusehen und ihnen ihre Riten zu garantieren. Am 29. Juni wurde der feierliche Akt der Union vollzogen24. In Sachen des Zusatzes zum Symbol und der Riten scheint zwischen dem Papst und den griechischen Delegierten mündlich, aber mit Erfolg, verhandelt worden zu sein. Kurz darauf trat Patriarch Joseph in Konstantinopel von seinem Amt zurück, und am 16. Januar 1275 wurde in der kaiserlichen Palastkirche feierlich eine Unionsliturgie zelebriert. Im Mai 1275 erhielt die byzantinische Kirche in der Person des Chartophylax Joannes Bekkos einen neuen Patriarchen im Geiste der kirchlichen Wiedervereinigung. Am 10. Januar 1276 starb freilich Papst Gregor X., dessen Persönlichkeit für den Fortgang der Befriedung der griechischen Kirche so notwendig gewesen wäre. An der Kurie gewinnen die Griechenfeinde wieder an Boden25. War Michael VIII. dem Papst Gregor X. in einer Weise entgegengekommen, die den politischen Fragenkomplex gegenüber dem kirchlichen fast an die zweite Stelle rückte, so waren die neuen Päpste nicht geneigt, dies zu honorieren, vielmehr eher bereit, die alten Erbansprüche lateinischer Fürsten auf Konstantinopel anzuerkennen. Damit war die alte Übereinkunft am Zerbrechen. Man vermutet, sicher nicht zu Unrecht, im Hintergrund der Kurie immer wieder Karl von Anjou, für den die Union von Lyon nur hinderlich sein konnte. Trotz aller erhöhten Forderungen der folgenden Päpste, trotz aller vermehrten Formalitäten und Eidesforderungen, war Michael VIII. lange Zeit der klassische Erfüllungspolitiker, ohne daß ihm Rom auf außenpolitischem Gebiet etwas von der versprochenen Hilfe geleistet hätte. Freilich verdichtete sich auch der Widerstand der kirchlichen Opposition in Konstantinopel immer mehr. Eine etwas vage Anerkennung des Primats, des römischen Appellationsrechtes und der Kommemoration des Papstes war wohl die Summe dessen, was bei einer Mehrzahl noch erreicht werden konnte; jetzt aber ging es den Päpsten nicht mehr nur um dies, sondern auch um die expresse Einfügung des Filioque ins Symbol, was den Gegnern der Union die Genugtuung gewährte, mit päpstlichem oder kaiserlichem Wortbruch argumentieren zu können.
    Die fatale Entwicklung erreichte ihren Höhepunkt unter Papst Martin IV., der nicht nur einer Allianz zwischen Karl von Anjou, Philipp von Courtenay und Venedig zur Wiedereroberung Konstantinopels kein Hindernis in den Weg legte, sondern auch das letzte religiöse Bedenken dadurch ausräumte, daß er Kaiser Michael VIII. am 18. November 1281 ohne jeden triftigen Grund exkommunizierte und am 26. März 1282 bei Strafe des Bannes und Interdikts den Katholiken jede Verbindung mit Michael, auch jede Sendung von Kriegsmaterial, verbot. Es kann kein Zweifel darüber bestehen, wer das anfällige Pflänzchen der jungen Union bedenkenlos zu Boden getrampelt hat, denn der päpstliche Bannfluch traf keinen Schuldigen, sondern den Griechen, der für die Union, trotz aller Verfechtung seiner politischen Interessen, das meiste getan und geopfert hatte.

    Fußnoten

    1 Vgl. W. de Vries, Innozenz III. (1198-1216) und der christliche Osten: AHPont 3 (1965) 87-126.

    2 Innocentii III epp. VIII, 55; PL 215, 623-624.

    3 Vgl. bes. J. Lognon 89 ff.

    4 Zu den folgenden Unionsgesprächen und Legationen bes. Heisenberg (vgl. Lit. zum Kap.) und die neueste Darstellung bei J.M. Hoeck, Nikolaos-Nekatarios von Otranto, Abt von Casole (Ettal 1965) 30 ff.

    5 Joannes Kamateros hat nie abgedankt, aber auch die Einladung nach Nikaia nicht angenommen, vgl. Grumel Reg 1202.

    6 Zu Nikolaos Mesarites vgl. Beck 666. Ein Bericht über eine Disputation mit Kardinal Benedikt: Heisenberg II 15-25.

    7 Konferenzbericht bei Heisenberg I 52 ff.

    8 Der erste Briefentwurf (aus der Feder des Joannes Mesarites) bei Heisenberg I 63 ff. Der zweite Entwurf PG 140, 291 ff. Zur Datierung Hoeck (vgl. Anm. 4) 51.

    9 Darüber wiederum ein Bericht des Nikolaos Mesarites: Heisenberg III 19 ff.

    10 Belege bei W. Norden, Papsttum und Byzanz 359 ff.

    11 Allgemeines zur Lage der orthodoxen Kirche unter unmittelbarer Herrschaft der Lateiner bei Lognon 135 ff.

    12 Einiges über diese Opposition bei V. Laurent, Les grandes crises religieuses à Byzance: La fin du schisme arsénite: Bulletin Sec. Hist. Acad. Roum. 26 (1945) 225-313.

    13 Vgl. E. Dade, Versuche zur Wiedererrichtung der lateinischen Herrschaft in Konstantinopel im Rahmen der abendländischen Politik 1261 bis etwa 1310 (Jena 1937).

    14 Zusammenfassend über das ganze Problem: B. Roberg, Die Union zwischen der griechischen und der lateinischen Kirche auf dem II. Konzil von Lyon (Bonn 1964).

    15 Gelegentlich ist die Härte der Verfolgung der Antiunionisten durch Kaiser Michael auch übertrieben worden, so gab es z.B. nachweislich keine echte Verfolgung der Athosmönche. Darüber J. Anastasiu, Ho thryloumenos diôgmos tôn Hagiôreitôn hypo Michaêl Ê tou Palaialogou (Thessalonike 1963), abgedruckt auch in dem Sammelband Hê Athônikê politeia (Thessalonike 1963) 207-257.

    16 Vgl. z.B. den Brief Urbans bei Tautu Nr. 6, 21.

    17 Tautu 69.

    18 Tautu 101-102. Am liebsten hätte der Papst als Ausgangsformel »catholicae fidei veritatem agnoscimus«, an zweiter Stelle schlägt er als Möglichkeit vor »convenimus in suprascriptam catholicae fidei veritatem«, um sich schließlich auch mit dem zitierten »desideramus eandem fidem agnoscere, suscipere et profiteri« zu begnügen.

    19 V. Laurent, Le serment antilatin du patriarche Joseph Ier (juin 1273): ÉO 26 (1927) 396-407.

    20 Über ihn und seine Bedeutung siehe Beck 681-683. Eine Monographie bereitet V. Laurent vor.

    21 Beck 671-673.

    22 Eine Neuausgabe dieses Briefes bietet Roberg (s. Anm. 14) 235-239. Vgl. auch die Editionen bei Mansi XXIV 74-77 und Tautu 124-127.

    23 Dölger Reg 2006, ed. bei Mansi XXIV 67-74.

    24 Vgl. A. Fliche, Le problème oriental au second concile œcuménique de Lyon: OrChrP 13 (1947) 475-485; A. Franchi, Il concilio II di Lione (Roma 1965).

    25 V. Grumel, Les ambassades pontificales à Byzance après le IIe concile de Lyon: ÉO 23 (1924) 437-447; ders., En orient après le IIe concile de Lyon: ebd. 24 (1925) 321-325.
    [III. Die mittelalterliche Kirche: Erster Teil: Das Hochmittelalter. Handbuch der Kirchengeschichte, S. 5215
    (vgl. HKG Bd. 3,2, S. 150 ff.) (c) Verlag Herder
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    Mögliches Mosaiksteinchen zur Frage nach Paulus - ein Zitat von Schalom Ben-Chorim:

    >>... Daß Jesus als Jude geboren wurde, lebte, lehrte, litt und starb, unterliegt keinem Zweifel, und kein einsichtiger Leser des Neuen Testaments kann das bezweifeln.

    Anders liegt es bei Paulus, wo man geneigt sein könnte, seinen Bruch mit dem Gesetz und seine Hinwendung zu den Heiden, den Völkern, den Gojim, als den Schritt aus der Synagoge in die Ekklesia zu verstehen.

    Paulus aber ist Jude gewesen und geblieben. Das hat ihn nicht daran gehindert, seine Botschaft in die Völkerwelt zu tragen. In seiner Argumentation, in seiner Theologie und insbesondere auch in seiner Christologie, seiner Lehre vom Messias, ist er jüdischer Theologe geblieben. Die Entwicklung der heidenchristlichen Kirche, die auf Paulus zurückgeht, hat nun sein Bild besonders verdunkelt und entstellt. Von den sogenannten paulinischen Briefen ist weniges ganz echt, und in der Apostelgeschichte des Lukas, Leitfaden für jede Darstellung Pauli, haben wir bereits eine heidenchristliche Interpretation des Pharisäers Schaul aus Tarsus, der im Lehrhause des Rabban Gamaliel in Jerusalem die Thora studiert hat. ...<<

    [Quelle:
    Schalom Ben-Chorin:
    Paulus
    Der Völkerapostel in jüdischer Sicht
    dtv / List
    Deutscher Taschenbuchverlag Band 1253 München 1980; S. 11]
    Buber (Erzählungen der Chassidim: Rabbi von Lublin)

    >>Beschämung

    Einer, dem der Rabbi von Lublin mit der Geißel des Wortes über alle heimlichen Schwächen der Sele fuhr, unterbrach ihn aufbegehrend:
    „Rabbi, Ihr beschämt mich!“ „Beschäme ich dich?“ sprach der Zaddik. „Beschäme ich dich, so muß ich dich um Vergebung bitten.“<<

    [Quelle:
    Buber, Martin:
    Die Erzählungen der Chassidim
    Manesse Verlag Zürich 10. Auflage 1987; S. 478]
    Jerusalem (Wörterbuch Archäologie)

    Jerusalem.

    Die Heilige Stadt ist – mit längeren Unterbrechungen – seit 3000 Jahren die Hauptstadt Israels. Sie ist die Tempelstadt Davids und Salomos, die Passionsstätte Christi und der Ort der Himmelfahrt Mohammeds. In ihr befinden sich die heiligen Stätten dreier Religionen: die »Klagemauer« der Juden, die Grabeskirche der Christen und der Felsendom der Mohammedaner.
    Geschichte: Der Hügel Ophel südlich der heutigen Altstadt von J. war schon im 3. Jt. v. Chr. von den Jebusitern besiedelt. Mehrere Quellen in dieser sonst wasserarmen Gegend, vor allem die Gichon-Quelle am Fuße des Ophel im Kidrontal, gaben vermutlich dazu Anlaß. Um 1850 v. Chr. wurde der Ort erstmals in ägyptischen Inschriften, den sog. Ächtungstexten, erwähnt. Im 15. Jh. v. Chr. kam der Ort unter die Herrschaft des Pharaos Thutmosis III. (1490-1436 v. Chr.). Die Jebusiter-Siedlung, die sich inzwischen zu einem Stadtstaat entwickelt hatte, hieß Urusalim (möge Gott für Frieden sorgen). Seit dem 14. Jh. v. Chr. wanderten die Israeliten in Gruppen und Stämmen in Kanaan, dem Land zwischen Jordan und Mittelmeer, ein. Sie schlossen sich zu einem sakralen Stämmeverband zusammen, der den Gott Jahwe verehrte und sich Israel nannte. Nach 1180 v. Chr. ließen sich die Philister, die gemeinsam mit anderen Seevölkern das Hethiterreich in Kleinasien vernichtet und Ägypten in eine bedrohliche Lage gebracht hatten, im Küstenbereich Südpalästinas nieder. Um 1000 v. Chr. begannen die Philister, ganz Kanaan zu unterwerfen. Unter dem militärischen Druck der Invasoren schlossen sich die Stämme Israels zusammen. Saul wurde ihr Heereskönig, aber es gelang ihm nicht, die Stämme von der Philisterherrschaft zu befreien. Einer der Heerführer der Philister war David, ein ehemaliger Offizier Sauls, der nach einer Auseinandersetzung mit seinem König zu den Feinden übergelaufen war. Nach Sauls Tod wurde dessen Sohn Esbaal »König von Israel«. Daraufhin ließ sich David von den Südstämmen zum »König von Juda« ausrufen und war somit der Gründer der judäischen Dynastie. Nach der Ermordung Esbaals wurde David durch Vertrag mit den Nordstämmen auch König von Israel. David brach die Vorherrschaft der Philister und eroberte eine Stadt nach der anderen. Zuletzt fiel das stark befestigte Urusalim. David erklärte die Stadt zu seinem persönlichen Besitz und machte sie unter dem Namen Jeruschalajim zur Hauptstadt und zum religiösen Mittelpunkt des Doppelreiches Israel und Juda. Sein Sohn und Nachfolger Salomo (etwa 970-922 v. Chr.) erweiterte die Stadt in nördlicher Richtung, beauftragte phönikische Architekten mit dem Bau eines Tempels und eines Palastes auf dem Mona-Hügel und umgab die gesamte Stadt mit einer mächtigen Mauer. Die prachtvolle Ausgestaltung der Stadt erforderte hohe Abgaben an den Hof, was zu Rebellionen und schließlich zum Auseinanderbrechen des Reiches nach Salomos Tod führte. Von da an war Juda in ständige Grenzkämpfe mit den Nachbarreichen verwickelt.
    Im 8. Jh. v. Chr. dehnte der Assyrerkönig Tiglatpileser III. (744-727 v. Chr.) sein Reich bis nach Syrien und Palästina aus. 733 v. Chr. erkannte Ahas, König von Juda, die Oberherrschaft Assyriens an. Der Niedergang des assyrischen Weltreiches in der zweiten Hälfte des 7. Jh. v. Chr. gab Josia (639-609 v. Chr.) die Möglichkeit, das Abhängigkeitsverhältnis zu Assur zu lösen und weitreichende Reformen in Juda zu verwirklichen. Als die Ägypter 609 v. Chr. den Assyrern gegen die anrückenden Babylonier zu Hilfe eilten, stellte sich Josia ihnen entgegen und verlor die Schlacht und sein Leben. 605 v. Chr. besiegte Nebukadnezar II., zunächst noch Kronprinz, die Ägypter bei Karkemisch. Die Babylonier gewannen die Herrschaft über ganz Syrien, Phönikien und Palästina. Juda war vom Regen in die Traufe geraten. Ein Versuch, die babylonische Herrschaft abzuschütteln, endete 597 v. Chr. mit der Einnahme J. durch die Babylonier. Nebukadnezar nahm König Jojachin gefangen und setzte Zedekia als König von Juda ein. Als auch dieser einen Aufstand gegen Babylon unterstützte, eroberte Nebukadnezar 587 v. Chr. J. zum zweiten Mal, zerstörte Tempel und Palast und deportierte die jüdische Oberschicht nach Mesopotamien (babylonische Gefangenschaft). Das Königreich Juda war damit erloschen. Das Königreich Israel hatte schon 722 v. Chr. mit der Einnahme der Hauptstadt Samaria durch die Assyrer sein Ende gefunden.
    539 v. Chr. zertrümmerte der Perserkönig Kyros der Große das babylonische Weltreich. Er befreite die Juden, rückte ein Jahr später in J. ein und veranlaßte den Wiederaufbau des Tempels. Innerhalb des Achämenidenreiches blieb die Tempelprovinz Juda relativ selbständig. Sie besaß sogar ein eigenes Münzrecht. An die Stelle der Könige traten Hohepriester. Alexander dem Großen ergab sich J. kampflos. 301-198 v. Chr. stand die Stadt unter ptolemäischer, danach unter seleukidischer Herrschaft. 168 v. Chr. provozierte der Seleukide Antiochos IV. Epiphanes durch die Plünderung des Tempels einen Aufstand. Er schlug den Aufstand nieder, nahm J. das Stadtrecht, gründete eine hellenistische Polis und weihte den Tempel dem Zeus Olympios. 143 v. Chr. gelang es dem Hohenpriester Simon Makkabi, die Herrschaft der Seleukiden abzuschütteln und den Jahwe-Kult wiederherzustellen.
    63 v. Chr. nahm Pompejus J. ein und brachte es unter römische Oberhoheit. 37 v. Chr. begann mit Herodes dem Großen (37-4 v. Chr.) die Blütezeit der Stadt. Er schaffte die Hierokratie (Priesterherrschaft) ab und machte sich mit Zustimmung des römischen Senats zum König von Judäa. Unter seiner Herrschaft entstanden großartige Bauwerke in griechisch-römischem Stil, z.B. der Herodes-Tempel. Die Mißwirtschaft der römischen Prokuratoren führte zur Entwicklung oppositioneller Gruppen und 66 n. Chr. schließlich zum Aufstand. 70 n. Chr. eroberte Titus J. und zerstörte die Stadt und den Tempel. Als Hadrian (117-138) in J. einen Jupiter-Tempel errichten wollte, brach 132 n. Chr. unter Bar Kochba ein zweiter Aufstand aus, den die Römer 135 niederschlugen. Hadrian machte aus J. eine Militärkolonie (Aelia Capitolina). Er verbot den Juden die Beschneidung, die Sabbatfeier, vor allem aber das Betreten ihrer Hauptstadt. Sein Nachfolger Antoninus Pius (138-161) hob die hadrianischen Verbote wieder auf. Nachdem Theodosius der Große (379-395) das Christentum zur Staatsreligion erklärt hatte, wurde J. eine blühende christliche Stadt, bis 614 die Perser einfielen und 637 der Kalif Omar I. die Stadt in das mohammedanisch-arabische Weltreich eingliederte.
    Forschungsgeschichte: 1867 wurde der Palestine Exploration Fund gegründet, eine Vereinigung zur Förderung bibelarchäologischer Forschungen. Noch im selben Jahr begann C. Warren mit Grabungen auf dem Ophel-Hügel, wobei er jebusitisches Mauerwerk freilegen konnte. 1894-1897 untersuchten F.J. Bliss und E.C. Dickie die Südmauer der Stadt des Herodes Agrippa (40-44 n. Chr.) 1909-1911 arbeitete Parker im Bereich der Tunnelanlage an der Gichon-Quelle. 1913/14 und 1923/24 grub R. Weill auf dem Ophel. Zwischen 1923 und 1925 erforschten A.S. Macalister und J.G. Duncan den Palast des Herodes; das polygonale Mauerwerk des »Davidsturms« schrieb Macalister fälschlich der Königszeit zu. 1925-1927 arbeiteten E.L. Sukenik und L.A. Mayer an der »Mauer des Josephus«, der dritten Nordmauer aus römischer Zeit. 1927-1930 legte J.W. Crowfoot auf dem Westhang des Ophel hellenistisches Mauerwerk frei, von dem er annahm, daß es jebusitisch sei. 1961-1967 untersuchten K.M. Kenyon und R. de Vaux mit Wissenschaftlern der British School of Archaeology und der École Biblique Française den Hügel Ophel, auf dem die jebusitische Stadtanlage und die Stadt Davids vermutet werden. Unter dem jüdischen Viertel der Altstadt sind seit 1967 Wohnquartiere mit zum Teil mehrstöckigen Bauten aus der Zeit um Christi Geburt ausgegraben und als Museum eingerichtet worden. Eine Forschergruppe unter B. Mazar arbeitete zu Beginn der siebziger Jahre am südwestlichen Rande des Tempelberges, also auf dem Gebiet der Stadt Salomos. 1978 begannen auf dem Ophel systematische Ausgrabungen großen Umfangs, die die Lage der Stadt Davids beweisen sollen und bis heute noch nicht abgeschlossen sind. Grabungen innerhalb des Tempelbezirks scheiterten bislang an den Einsprüchen der Mohammedaner bei der UNESCO.
    Archäologische Stätte: Auf dem Hügel Ophel südlich der Altstadtmauer von J. lag vermutlich die älteste Stadtanlage von J. Bisher konnten starke Festungsmauern der Jebusiter freigelegt werden. Die Gichon-Quelle (Marienquelle, Umm ed Daradj) im Kidrontal diente schon in jebusitischer Zeit der Wasserversorgung der Stadt. Durch den Sinnor, einen mit Treppenstufen versehenen Schachtgang, drangen vermutlich die Truppen Davids von der Quelle her in die Stadt ein. Salomo leitete das Quellwasser am Hang entlang zum Alten Siloah-Teich (hebr. Kanal). Um 701 v. Chr. erbaute König Hiskia einen 512,5 m langen Felsentunnel, durch den das Wasser quer durch den Berg in den Neuen Siloah-Teich, ein ebenfalls künstliches Wasserreservoir innerhalb der Stadtmauern, strömte. Der Tunnel ist 0,58-0,65 m breit und 0,45-3,0 m hoch. Die Tunnelbauer drangen gleichzeitig von Norden und Süden in den Berg vor. Daß sie sich trotz zahlreicher Biegungen in der Mitte trafen – zahlreiche Korrekturen kennzeichnen die Schwierigkeiten des Unternehmens –, zeugt vom hohen technischen Niveau jener Zeit.
    Mittelpunkt von J. ist der Tempelplatz (Haram esch Scherif) auf dem Hügel Moria nördlich des Ophel. Bis hierhin dehnte Salomo die Stadt Davids aus. Den Unterbau des riesigen Platzes (Westseite 490 m, Ostseite 474 m, Nordseite 321 m, Südseite 283 m) ließ Herodes der Große errichten. In der Mitte des Tempelplatzes erhebt sich der achteckige Felsendom (Qubbet es Sakhra), 687-691 n. Chr. von dem Kalifen Abd el Malik erbaut. Der Felsendom, das größte Heiligtum der Mohammedaner nach Mekka und Medina, bedeckt einen Felsen, auf dem David einen dem Gott Israels geweihten Altar errichten ließ. Unter dem Felsen öffnet sich eine Grotte, die der Jebusiter Orna zuvor als Tenne benutzt hatte. Seit David wurde in der Grotte die Asche der Tieropfer gesammelt. Westlich vom Altar vermuten die Archäologen den Jahwe-Tempel Salomos, dessen Fundamente nicht freigelegt werden konnten. So ist man auf biblische Texte und vergleichbare Tempelbauten angewiesen, um eine Vorstellung vom Tempel Salomos zu erhalten. Das Bauwerk, ein Langhausbau, dürfte einen Grundriß von 31,5 x 10,5 m gehabt haben. Es gliederte sich in Vorhalle, Heiligtum (Hekal) und Allerheiligstes (Debir). Die Lehmziegelmauern waren etwa 2,5 m dick. Das Tempeldach bildete eine Terrasse, die von Zedernholzbalken getragen wurde. Fußböden und Innenwände waren mit Zedernholz getäfelt. Flachreliefs von Cheruben, Palmetten und Blumengirlanden schmückten die Wände. Das Ganze war mit Gold überzogen. Den Haupteingang im Osten schmückten die von einem phönikischen Erzgießer geschaffenen ehernen Säulen Jachin und Boas. Im Allerheiligsten befand sich die Bundeslade, der Thron Jahwes. Später erhielt der Tempel einen dreistöckigen Umbau mit Schatzkammern und Priesterwohnungen. Dieser erste Tempel wurde 587 v. Chr. durch Nebukadnezar II. völlig zerstört. Nach dem Ende der babylonischen Gefangenschaft baute Serubbabel, Stadthalter von Juda und Enkel des nach Babylon verschleppten Königs Jojachin, den Tempel zwischen 520 und 516 v. Chr. nach den alten Plänen, aber ohne Anbauten wieder auf. 63 v. Chr. zerstörte Pompejus diesen zweiten Tempel. Herodes der Große errichtete auf den Trümmern ein neues, größeres und prächtigeres Gotteshaus. Der Tempel des Herodes hatte eine Grundfläche von 45 x 9 m. Dieser Tempel wurde 70 n. Chr. von Titus dem Erdboden gleichgemacht.
    An der Stelle der heutigen Al-Aksa-Moschee (Djami el Aqsa) erbaute Salomo seinen Königspalast mit einem angeschlossenen Wohntrakt für angeblich 700 Fürstinnen und 300 Nebenfrauen. Auch von diesem Bauwerk hat man bisher keine Mauerreste gefunden. In der Südostecke des Tempelplatzes liegen die sog. Ställe Salomos: ausgedehnte Gewölbe aus der Zeit Herodes des Großen. Die »Klagemauer«, vor der die Juden die Zerstörung ihres Tempels beweinten, ist ein Teil der gewaltigen herodianischen Stadtmauer. Der erhaltene Mauerabschnitt ist 48 m lang und 18 m hoch. Nordwestlich vom Tempelplatz befand sich an der Stelle eines modernen Gebäudes die Antonia, Sitz der römischen Prokuratoren. Auch dieser Bau fiel wie die anderen öffentlichen Gebäude 70 v. Chr. der Vergeltungsaktion des Titus zum Opfer. Der Palast des Herodes erhob sich an der Stelle der mittelalterlichen Zitadelle und der heutigen Polizeikaserne. Aus herodianischer Zeit stammt nur noch das Fundament eines Turmes. Der Palast wurde unter Kaiser Hadrian zerstört. Der sog. Turm Davids stammt vermutlich aus späterer Zeit. Der Ecce-Homo-Bogen über der Via Dolorosa ist der mittlere Teil eines Triumphbogens, den Hadrian nach der Niederschlagung des zweiten jüdischen Aufstandes als Osttor zur Kolonie Aelia Capitolina errichten ließ.

     Literatur: K.M. Kenyon: Jerusalem. Die heilige Stadt von David bis zu den Kreuzzügen. Ausgrabungen 1961-1967. Bergisch Gladbach 1968; N. Avigad: Discovering Jerusalem. Oxford 1984; B. Mazar u.a.: Excavations in the South of the Temple Mount. The Ophel of Biblical Jerusalem. Jerusalem 1989; K. Bieberstein u. H. Bloedhorn: Jerusalem. Grundzüge der Baugeschichte vom Chalkolithikum bis zur Frühzeit der osmanischen Herrschaft. 3 Bde. Wiebaden 1994; H. Geva (Hrsg.): Ancient Jerusalem Revealed. Jerusalem 1994.

    ...

    [Wörterbuch: Jerusalem. Wörterbuch Archäologie, S. 617
    (vgl. WB Arch., S. 207 ff.)
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    Konstantinopel (RGG)

    Konstantinopel (...). Die thrakisch- illyrische Siedlung Byzantium, die Vorläuferin K.s, erhielt früh durch dorischen Zuzug griechisches Gepräge und erlangte beachtliche wirtschaftliche und strategische Bedeutung, die es auch unter römischer Herrschaft beibehielt – trotz eines tragischen Zwischenspiels unter Kaiser Septimius Severus: er ließ die Festung schleifen und die Stadt zum Dorf degradieren. Konstantin d. Gr. hatte die Lage der Stadt während des Feldzugs gegen Licinius schätzen gelernt und gab ihr den Vorzug vor Sirmium, Serdica (...) und Troia (...), als er sich eine zweite Residenz für den Osten suchte. 328 begann er mit dem Mauerbau, der das Areal auf das Vierfache erhöhte; am 11. 5. 330 erfolgte die Einweihung (Enkainia) mit der Umbenennung in K. Die Stadt wurde als Roma secunda dem Rom am Tiber angeglichen – erst im Laufe der Zeit bürgerte sich die Bezeichnung Roma nova ein. Eine stärkere christliche Note war von Anfang an unverkennbar (...). In der Palastkirche Hagia Sophia (...), die unter Konstans II. eingeweiht und von Justinian I. mit größter Pracht neugebaut wurde, erhielten Stadt und Reich ein religiös-mystisches Zentrum. Mit der Bedeutung der Stadt als politischer Zentrale stieg nach altem Kirchenrecht auch die kirchliche Bedeutung: aus dem einfachen Suffragan des thrakischen Herakleia wurde der Hofbischof und theologische Berater des Kaisers und schließlich ein Oberbischof, zunächst ohne größeren Sprengel (...) und nur mit Ehrenvorrang unmittelbar nach Rom, bald aber auch mit weitreichenden Territorien (Thrakien, Ostillyricum und Kleinasien) ausgestattet (Synode von Chalcedon 451). Die Primatsstellung des Patriarchen ...) mußte schwer gegen Alexandria und auch Asia erkämpft werden, war aber bereits während des acacianischen Schismas
    (Acacius von Konstantinopel) unbestritten. Durch den Übergang der Patriarchate Alexandria, Antiochia und Jerusalem unter islamische Herrschaft seit dem 7. Jh. erfuhr die Stellung des Patriarchen von K. einen weiteren Bedeutungszuwachs. Schließlich schrieb er sich den vollen Lehr- und Jurisdiktionsprimat über die orth. Kirche zu. Die Idee der Apostolizität – Gründung durch Andreas – wurde von K. spät in Anspruch genommen und wahrscheinlich erst von  Photios polemisch verwertet; ihre Bedeutung ist mit jener der Rom-Idee (...) nicht zu vergleichen. – Das kirchliche Leben der Stadt wurde seit dem Ende des 4. Jh.s vom Mönchtum geprägt. Die ältesten und wichtigsten Klöster dieser Zeit sind das des Syrers Isaak (benannt nach dem Gardeoffizier Dalmatos, der die Mittel stiftete), das der Akoimeten und das nach dem Konsul Studios benannte und Johannes dem Täufer geweihteStuditen-Kloster. Daneben hatten schon im 6. Jh. eine Reihe von Nationen ihre Eigenklöster in der Hauptstadt. Die wichtigsten Gründungen des hohen MA sind das Pantokrator-Kloster mit seinen vorbildlichen Hospitälern, das Philanthropos-Kloster und das Pammakaristos-Kloster. In den Kirchen und Klöstern sammelten sich so reiche Reliquien, daß K. einer der wichtigsten Wallfahrtsorte des MA wurde. Der Kreuzzug von 1204 verstreute zahllose dieser Reliquien im ganzen Westen.
    Die kirchengeschichtlichen Ausstrahlungen von K. entsprechen seiner politischen Bedeutung und seinem kirchlichen Rang. Das byzantinische Kirchenrecht, die byzantinische Liturgie und der byzantinische Kalender wurden im Laufe der Jh.e für die ganze Orthodoxie maßgebend und herrschend. Auch der Westen und Rom übernahmen manches aus dem Kalender und der Liturgie von K. Andererseits war K. im MA auch das Einfallstor westlicher Einflüsse: Seit den Tagen der Kreuzfahrer gab es lateinische Klöster und Kirchen jeder Denomination; die lateinisch-griechischen Kontroversen dogmatischer Natur wurden in K. – oft vor dem Kaiserthron – ausgetragen, und die ersten Werke der lateinischen  Scholastik sind dort ins Griechische übersetzt. – Die Koppelung des kirchlichen Ranges der Stadt mit ihrer politischen Bedeutung führte nach der türkischen Eroberung 1453 (...) zunächst dazu, daß der Patriarch als eine Art Ethnarch in der ganzen türkisch beherrschten Orthodoxie zu neuem Einfluß gelangte. Je mehr aber das türkische Imperium zerbröckelte, desto kleiner wurde seine Einflußsphäre. Aus der Kirche der Apostel, die ihm zunächst vom Eroberer zugewiesen worden war, mußte er schließlich über das Pammakaristos-Kloster um 1600 in die bescheidene Georgskirche umziehen. Sein Schicksal erfüllte sich, oft gewaltsam, im Spannungsfeld zwischen griechischem Nationalismus und türkischer Staatsräson. Heute ist K. für die Orthodoxie mehr von ideeller als realer Bedeutung (...).

     CTE DE RIANT, Exuviae sacrae Constantinopolitanae, Paris 1877 bis 1878 – H. GELZER, Die polit. u. kirchl. Stellung von Byzanz, 1879 – K. HOLL, Die kirchl. Bedeutung K.s im MA (ZThK 11, 1901, 83-96 = HOLL II, 409-417) – V. SCHULTZE, Altchristl. Städte u. Landschaften I: K., 1913 – A. M. SCHNEIDER, Die Hagia Sophia in der polit.-relig. Gedankenwelt der Byzantiner (Das Werk des Künstlers 2, 1941, 4-15) – R. MAYER, Byzantion-Konstantinopolis-Istanbul, Wien 1943 – E. MAMBOURY, Istanbul touristique, Istanbul 1951 – R. JANIN, Les églises et les monastères de C., Paris 1953 – F. W. DEICHMANN, Studien zur Architektur K.s im 5. u. 6. Jh. n. Chr., 1956. – Weiteres s.  Byzanz: I. II.
    H.-G. Beck

    [Konstantinopel. Die Religion in Geschichte und Gegenwart, S. 18594
    (vgl. RGG Bd. 3, S. 1787 ff.) (c) J.C.B. Mohr (Paul Siebeck)
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    Geändert von stummer (26.03.2007 um 15:47 Uhr)

  2. #2
    Selberdenker Benutzerbild von FranzKonz
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    Standard AW: evtl. verwendbare Fragmente (Lapide / "AT" "NT" aus BHH)

    Zitat Zitat von stummer Beitrag anzeigen

    Hallo –


    als Außenstehender habe ich hier an möglichst unaufdringlicher Stelle etwas gepostet – vielleicht kann es jemand ein wenig gebrauchen.
    ...
    Vielen Dank.

    Ein Beitrag dieser Qualität hätte gern etwas aufdringlicher sein dürfen. Leider wird es immer schwerer aus der Fülle des verfügbaren Materials die richtigen Informationen zu finden.

    Gruß,
    Franz
    „Die Windflügel sind Sakralbauten für ein neues Glaubensbekenntnis.“ (Hans-Werner Sinn)

  3. #3
    stummer
    Gast

    Standard AW: evtl. verwendbare Fragmente (Lapide / "AT" "NT" aus BHH)

    Zitat Zitat von FranzKonz Beitrag anzeigen
    Vielen Dank.

    Ein Beitrag dieser Qualität hätte gern etwas aufdringlicher sein dürfen. Leider wird es immer schwerer aus der Fülle des verfügbaren Materials die richtigen Informationen zu finden.

    Gruß,
    Franz
    Hallo, Franz -

    Danke für Deine Antwort!

    Im Abschnitt 9. ist von der Bedeutung des sogenannten "Alten Testamentes" für das Christentum die Rede. Diesen Teil habe ich im Thread "Strafender Gott" nochmals separat gepostet.

    Mit freundlichen Grüßen

    stummer
    Geändert von stummer (20.03.2007 um 23:01 Uhr)

  4. #4
    Selberdenker Benutzerbild von FranzKonz
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    Standard AW: evtl. verwendbare Fragmente (Lapide / "AT" "NT" aus BHH)

    Zitat Zitat von stummer Beitrag anzeigen
    Hallo, Franz -

    Danke für Deine Antwort!

    Im Abschnitt 9. ist von der Bedeutung des sogenannten "Alten Testamentes" für das Christentum die Rede. Diesen Teil habe ich im Thread "Strafender Gott" nochmals separat gepostet.

    Mit freundlichen Grüßen

    stummer
    Vielen Dank, aber so war es nicht gemeint. Ich hatte Deinen Text überflogen und den fraglichen Abschnitt auch gefunden und genauer betrachtet.

    Meine Aussage war eher allgemein gemeint. Der Kabarettist Dieter Hildebrandt hat einmal das Verhältnis aus der Anzahl der Publikationen von Universitäten zu den darin enthaltenen Informationen gebildet. Dazu schuf er die Maßeinheit MilliInf pro KiloPub.

    Gruß,
    Franz
    „Die Windflügel sind Sakralbauten für ein neues Glaubensbekenntnis.“ (Hans-Werner Sinn)

  5. #5
    stummer
    Gast

    Standard AW: evtl. verwendbare Fragmente (Lapide / "AT" "NT" aus BHH)

    Zitat Zitat von FranzKonz Beitrag anzeigen
    Vielen Dank, aber so war es nicht gemeint. Ich hatte Deinen Text überflogen und den fraglichen Abschnitt auch gefunden und genauer betrachtet.

    Meine Aussage war eher allgemein gemeint. Der Kabarettist Dieter Hildebrandt hat einmal das Verhältnis aus der Anzahl der Publikationen von Universitäten zu den darin enthaltenen Informationen gebildet. Dazu schuf er die Maßeinheit MilliInf pro KiloPub.

    Gruß,
    Franz
    Hallo, Franz -

    jetzt habe ich kapiert!

    MilliInf pro KiloPub. ... Klasse, das muß ich mir unbedingt merken! :]

    Mit freundlichen Grüßen

    stummer

  6. #6
    Hup holland hup! Benutzerbild von Biskra
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    Standard AW: evtl. verwendbares Lapide-Fragment

    Wieso sollte man Gott nicht schreiben?

    Godwin's Law: As an online discussion grows longer, the probability of a comparison involving Nazis or Hitler approaches one.

  7. #7
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    Standard AW: evtl. verwendbares Lapide-Fragment

    Zitat Zitat von Biskra Beitrag anzeigen
    Wieso sollte man Gott nicht schreiben?
    Das meine ich auch! Was spricht dagegen? etwa unsere neue Rechtschreibung?

  8. #8
    stummer
    Gast

    Standard AW: evtl. verwendbares Lapide-Fragment

    Hallo, Biskra - Hallo, Walter Hofer -


    Danke für Eure Rückfragen!
    Da ich mich ja hier u.a. darum bemühe, meine subjektive Befangenheit einzugestehen, sei zunächst auch hier betont:

    Ohne jegliches Naserümpfen respektiere ich andere Schreibweisen.
    Denn es gilt lediglich: ich kann nur noch G..tt schreiben - nicht man.

    Oben schrieb ich ja (allerdings in kleiner Schrift):
    ( G..tt möchte ich - im Gegensatz zum zitierten Buchtext - nicht ausschreiben. Dabei setze ich die Zeichen .. aber unten, damit möglichst keine Irritation entsteht. Ich bin Ungläubiger und gehöre keiner Religionsgemeinschaft an.)

    Wenn Außenstehende meine Schreibweise G..tt als nicht nachvollziehbare Eigenbrötlerei empfinden, so achte ich diese Meinung.

    Im Anhang werde ich meine persönlichen Skrupel bzw. Gründe für die Schreibweise G..tt etwas andeuten.

    Das ist aber hier im Forum eventuell (eher) belanglos, könnte auch langweilig und (speziell für AtheistInnen) nichtssagend empfunden werden.

    Deshalb verbleibe ich schon hier

    mit freundlichen Grüßen

    stummer



    Anhang:

    Früher , als ich noch gläubiger* Katholik (bzw. Christ **) war, konnte ich G..tt so schreiben wie andere hier im Forum auch.
    Mittlerweile bin ich aus der Kirche ausgetreten und Apostat (vom Christentum „abgefallen“).
    [*Meine Skrupel angesichts dieses Wortes übergehe ich an dieser Stelle.]
    [**War ich das wirklich jemals? Wie mehrdeutig ist denn dieser Begriff heute?]

    Atheist bin ich nicht geworden.

    Doch nähere ich mich G..tt buchstäblich von unten.

    Jene .. sollen dies symbolisieren (auch um nicht grob-rumpelhaft gegenüber JüdInnen zu sein, welche ja ein ` oben setzen.)

    Zwei Punkte für nur einen Buchstaben sollen die Unsagbarkeit symbolisieren.

    Zum evtl. Vorwurf der „Arschkriecherei“ sei an dieser Stelle lediglich angemerkt: So ist auch die notwendige Abgrenzung getätigt.
    Ich bin ja Ungläubiger auch in dem Sinne, daß ich keiner Religionsgemeinschaft angehöre – und auch keiner Religionsgemeinschaft mehr beitreten werde.
    Hinsichtlich möglicher Vorwürfe bzgl. der Arroganz bzw. des Stolzes sei auf meine erste Signatur verwiesen.

    Ich sprach vorhin vom Zugang von unten:
    G..tt „ist“*** mir unvorstellbar hoch überlegen.
    Nun bin ich Agnostiker in dem Sinne, daß ich (bestimmte) Attribute** G..tt nicht zuschreiben kann:
    „Mein“ G..tt "ist"*** zum Beispiel nicht allmächtig, nicht allwissend,. nicht Schöpfer.
    Dies jedoch kann mich aus der Perspektive mancher gläubiger Menschen als Atheisten erscheinen lassen. Auch hier erweisen sich jene .. vielleicht als nützlich.
    [***Notwendige Differenzierungen zwischen Alltagssprache, Kritik analoger Formulierungen und ontologischen Inhalten übergehe ich hier.]

    In diesem Zusammenhang wiederhole ich auch, daß ich nicht an die Existenz sogenannter "heiliger" Schriften glaube und auch das Konzept der sogenannten "Offenbarung" ein für mich nicht mehr gangbarer Weg ist.

    Das ist nur ein Bruchstück. Sollten noch Fragen bestehen, werde ich gerne versuchen, auf diese einzugehen.


    Mit freundlichen Grüßen

    stummer
    Geändert von stummer (21.03.2007 um 12:56 Uhr) Grund: Korrektur von Tippfehlern / Änderung von Formatierungen

  9. #9
    Hup holland hup! Benutzerbild von Biskra
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    Standard AW: evtl. verwendbares Lapide-Fragment

    Hallo Stummer,

    also ist deine Zeichensetzung jetzt als Respektsbekundung zu verstehen? Juden, die "G`tt" schreiben, sind mir auch ein Rätsel, immerhin ist doch nur einer der vielen Namen verpönt und Gott gehört nicht dazu. Mir ist es auch nicht vertändlich, wie man Gott beleidigen sollte, wenn man seinen Namen ausschreibt, davon abgesehen kann Gott für vieles stehen, nicht nur für den jeweiligen testamentalischen.

    Godwin's Law: As an online discussion grows longer, the probability of a comparison involving Nazis or Hitler approaches one.

  10. #10
    stummer
    Gast

    Standard AW: evtl. verwendbares Lapide-Fragment

    Zitat Zitat von Biskra Beitrag anzeigen
    Hallo Stummer,

    also ist deine Zeichensetzung jetzt als Respektsbekundung zu verstehen? Juden, die "G`tt" schreiben, sind mir auch ein Rätsel, immerhin ist doch nur einer der vielen Namen verpönt und Gott gehört nicht dazu. Mir ist es auch nicht vertändlich, wie man Gott beleidigen sollte, wenn man seinen Namen ausschreibt, davon abgesehen kann Gott für vieles stehen, nicht nur für den jeweiligen testamentalischen.
    Hallo, Biskra -

    mit dem Begriff "Respektsbekundung" hast Du mein Anliegen gut getroffen.

    Erlaube mir bitte, hier als Nichtjude nur für mich zu sprechen.

    G..tt ist für mich eine Wirklichkeit, die in sprachlicher Form nicht ausgesagt werden kann. Aber auch ich schreibe hier mit menschlichen Worten.
    Diese Diskrepanz drücken auch jene .. aus - und meine Distanz zur menschlichen Sprache überhaupt. Sie verdunkelt zwangsläufig auch das Edelste.

    Wollte man dies musikalisch ausdrücken, so ergäbe sich folgendes:
    Die harmonische, melodische und rhythmische Gestaltung ergibt tiefste Trauer, Verzweiflung, Vereinsamung und führt dennoch in eine Resignation aus Stärke, welche Hoffnung und Lebensfreude gibt.
    Und im nächsten Schritt denke man sich bitte die augenblickliche Synthese all dieser Prozesse.

    Respekt im zunächst zwischenmenschlichen Bereich bedeutet aber u.a. auch, Schubladendenken und leichtfertigen Umgang mit Worten zu vermeiden. Umso mehr gilt das für G..tt.

    Nun gehe ich mit Dir völlig konform in der Aussage: man kann G..tt nicht beleidigen. Was beleidigt wird, ist die menschliche Eitelkeit, die meint, G..tt erfaßt zu haben und andere Auffassungen als Beleidigung G..tes interpretiert.

    Damit billige ich nicht das bewußt spöttische und hämische Herabwürdigen anderer religiöser Ansichten.

    Ein "G..tt" der mich dazu und zu noch schlimmeren Taten legitimieren würde, ein solcher Pseudog..tt wäre lediglich ein abscheuliches Gedankenprodukt meiner sadistischen und nekrophilen menschlichen Abgründe.

    Indes wird mein G..ttesbegriff zum Beispiel vom Lehramt der römisch-katholischen Kirche als Häresie bezeichnet. Als zusätzlich vom Christentum gänzlich "Abgefallener" kann ich mich in der G..tesfrage auch nicht auf biblische Theologien (man beachte bitte den Plural!) berufen.

    Ich glaube z.B. nicht an die Allmacht und Allwissenheit G..ttes, nicht an "heilige" Schriften, nicht an "Offenbarungen".

    Mit freundlichen Grüßen

    stummer
    Geändert von stummer (21.03.2007 um 15:00 Uhr)

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