Washington - Als Keith Ellison bei den Kongresswahlen im November seinen Bezirk in der Innenstadt von Minneapolis mit 56 Prozent der Stimmen gewann, leuchtete sein Namen in den nationalen Medien auf. Der 43 Jahre alte Strafverteidiger hatte zwei „First“-Rekorde aufgestellt: der Abgeordnete der Demokraten ist der erste Schwarze, der Minnesota im US-Repräsentantenhaus vertritt und der erste Muslim im Kongress je. Es dauerte nicht lange, da mischten sich unter die Gratulanten besorgte Bürger, die fragten, ob Ellison seinen Amtseid auf die Scharia ablegen werde. Oder auf sein AK-47.
Auf paranoides „Amerika, Erwache!“-Niveau hat sich nun auch ein Kollege Ellisons begeben. Virgil Goode, Republikaner aus Virginia, warnte in einem am 5. Dezember datierten Brief an seinen Wahlkreis vor einer Überfremdung der Nation mit Muslimen, wenn nicht viel strengere Immigrations- und Visa-Vorschriften die Flut stoppten. Goode sah auch das Gespenst einer muslimischen Mehrheit auf dem Kapitol über de Grenze kriechen: „viel mehr Muslime, die gewählt werden und den Gebrauch des Koran fordern.“ Der Patriot und Christ aus Virginia bezog sich hier auf Ellisons Ankündigung, er werde bei der inoffiziellen Einschwörungsfeier auf dem Kapitol den Amtseid auf den Koran ablegen. Diese Feiern finden nach dem offiziellen Gelöbnis auf die Verfassung im Repräsentantenhaus statt, wo religiöse Texte nichts zu suchen haben. Die amerikanische Verfassung garantiert und verlangt die Trennung von Kirche und Staat. Die Eidesformel „So wahr mir Gott helfe“ (So help me God), wie sie von Präsidenten seit 50 Jahren verwendet wird, ist im Grunde ein verfassungsfremder Zusatz.
Keith Ellison nimmt die Kommentare des Eiferer Goode, der jede Entschuldigung oder Klarstellung ablehnt, gelassen. Er träge den schlecht informierten Kollegen gerne einmal auf dem Kapitol. Denn er sei kein Einwanderer, sondern ein Afroamerikaner, der seine Wurzeln auf dem Kontinent bis 1742 zurückverfolgen könne. Er sei auch kein geistlicher Gelehrter, sondern Politiker und plane zu tun, was Politiker tun: Gesetze durchzubringen zur Anhebung des Mindestlohns zm Beispiel und für eine allgemeine Krankenversicherung. Es sei sicher nicht angenehm, feindselige Anrufe und Emails zu erhalten und sogar einige Morddrohungen. Aber weit überwiegend hätten die Bürger positiv auf seine Wahl reagiert. „Ich will den Goode treffen, um ihm zu versichern, dass es keinen Grund zur Furcht gibt.“
Nichts zu fürchten als die Furcht selbst, wie Franklin Delano Roosevelt die Amerikaner beschwor, fällt vielen seit den Anschlägen des 11.September 2001 schwer. Es gibt offene, wenngleich nicht offiziell akzeptierte Diskriminierung. Im November etwa wurden sechs Imame, die in Minneapolis einen US-Airways-Flug nach Phoenix besteigen wollten, noch am Gate des Flugzeugs verwiesen. Passagiere hatten sich bei der Crew über verdächtiges, konspiratives Verhalten der bärtigen Männer beklagt. Es stellte sich später heraus, dass sie im Flughafen gemeinsam auf ihren Teppichen gebetet hatten. Aus Solidarität mit den sechs Geistlichen inszenierte Tage später im Washingtoner Reagan Flughafen eine Gruppe von Imamen, Pastoren und Rabbinern ein gemeinsames Gebet. Am 20.Dezember beteiligten sich Imame im U.S. Holocaust Memorial Museum zu Washington an einer Gedenkstunde.
[...]