Florian Rötzer 02.03.2004
Der neueste Bericht der UNMOVIC-Waffeninspekteure an den Sicherheitsrat kritisiert die US-Regierung, ihre Arbeit zu behindern, deren Qualität aber durch die vergebliche Suche der US-Waffeninspekteure bestätigt wurde

Die Bush-Regierung hatte schon gleich zu Beginn der wieder aufgenommenen UN-Inspektionen im Irak vor dem Krieg kritisiert, dass die Inspektoren nicht entschlossen genug vorgingen und das Hussein-Regime zudem Meister in der Täuschung sei. Der UN wurde Unfähigkeit vorgeworfen, präsentiert wurden im Widerspruch zu den Berichten der UN-Inspektoren die bekannten zurechtgezimmerten "Fakten" der eigenen Geheimdienste, die beweisen sollten, dass der Irak Massenvernichtungswaffen besitzt, und den Grund dafür lieferten, die UN-Waffeninspektionen zu beenden und den Krieg zu beginnen.

Mit großem Aufwand ließen angeblich die Besatzermächte mit eigenen Teams den Irak nach Massenvernichtungswaffen oder zumindest nach Anzeichen für die Existenz von entsprechenden Programmen absuchen. Immer einmal wieder kam es dabei zu Funden, die sich nachträglich als Fehldeutungen erwiesen. Schließlich ist im Januar der US-Chefwaffeninspekteur David Kay nach monatelanger Suche nicht nur zurückgetreten, sondern hat auch gesagt, dass der Irak bei Kriegsbeginn keine Massenvernichtungswaffen hatte und vermutlich auch seit Beginn der 90er Jahre keine größeren Waffenprogramme verfolgt hatte ( Und es gibt sie doch!).

Um die Bush-Regierung aber noch zu decken, schob er die Verantwortung für die falschen Informationen den Geheimdiensten zu, die zu sehr auf Satelliten, abgehörte Kommunikation, Überläufer oder ausländische Geheimdienste verlassen hätten - und auch auf die von Exil-Irakern beschafften Informationen, wie man noch hinzufügen könnte. Hussein hätte seit Mitte der 90er Jahre in einer Art Traumwelt gelebt und gedacht, dass weiterhin Gelder in die Entwicklung von Waffen fließen, er aber dabei von korrupten Mitarbeitern getäuscht worden sei.

Damit haben die US-Waffeninspektoren den Stand erreicht, den etwa der ehemalige UN- Waffeninspekteur Scott Ritter schon zu Beginn der amerikanischen Kriegskampagne deutlich genug mitgeteilt [1] hatte. Auch der UN-Chefinspekteur Hans Blix hatte die "Informationen" von britischer und amerikanischer Seite immer kritisch betrachtet und wurde deswegen nicht nur abgehört, sondern von Anfang an auch massiv unter Druck gesetzt und diffamiert. Dem Stern sagte [2] er Ende Februar, ohne noch diplomatische Rücksicht nehmen zu müssen, dass alle Massenvernichtungswaffen vermutlich bereits 1991 nach dem Krieg zerstört worden seien:


"Sie wollten nicht zuhören. Ich gebe Ihnen ein Beispiel: Unsere Inspekteure hatten eine feste Sprachregelung. Wenn etwas fehlte,.dann hieß das offiziell: "noch nachzuweisen." Doch Amerikaner und Briten lasen an diesen Stellen hartnäckig: "Ist vorhanden." So schufen sie Fakten, wo es gar keine Fakten gab. Meine Warnungen wurden ignoriert. ... Die USA brauchten die Massenvernichtungswaffen, um Krieg führen zu können. Also zimmerten sie sich eine Realität. Sie mussten den Krieg verkaufen. Das war skandalös leichtsinnig.

Um das Fass voll zu machen, wurde nun auch noch der neueste vierteljährliche Bericht von UNMOVIC [3] an den Sicherheitsrat veröffentlicht. Es ist der 16. Bericht, der nach der Resolution 1284 aus dem Jahr 1999 vorgelegt wurde. Ohne weiteren Kommentar wird David Kay zitiert, der vor dem amerikanischen Kongress am 28. Januar gesagt hatte, es im unwahrscheinlich, dass es im Irak zumindest nach 1994 noch "größere Vorräte" an chemischen und biologischen Massenvernichtungswaffen mehr gegeben habe. Der Bericht, der auch die noch offenen Fragen behandelt, stützt sich auf die Informationen, die in den Jahren bis zum Beginn des Krieges 2003 von den UN-Waffeninspekteuren gesammelt wurden, aber auch auf Informationen, die nach dem Krieg beispielsweise von David Kay oder aus anderen, öffentlich zugänglichen Quellen stammten. Die Autoren des Berichts kritisieren allerdings die USA, dass die UN weder den Bericht von David Kay erhalten, noch jemals um Informationen der UN-Waffeninspektoren für dessen Suche nachgefragt habe. Man hoffe aber auf eine bessere Zusammenarbeit mit Charles Duelfer, dem neuen Leiter der Iraq Survey Group.


For a lot of people who were negative because they didn't know, the impact from David Kay's pronouncement has started them to realize that there was expertise in UNMOVIC, that we were not incompetent. The results were the same.
Demetrius Perricos [4], Leiter von UNMOVIC
Der Bericht weist darauf hin, dass die vergebliche, aber nicht mehr durch das Hussein-Regime behinderte Suche der US-Waffeninspekteure nur die Erkenntnisse der UN-Waffeninspekteure bestätigt habe, die diese zwischen November 2002 bis März 2003 gemacht haben. Mehr als die im Februar 2003 vorgelegten Erkenntnisse ( Sternstunde der UNO) konnten nach dem Krieg trotz sehr viel mehr Zeit, mehr Personal und mehr Mittel nicht gemacht werden.

Der Bericht fordert den Sicherheitsrat auf, die Zukunft von UNMOVIC möglichst schnell zu diskutieren, bevor die Experten - im Augenblick insgesamt noch 51 Waffenexperten und andere Mitarbeiter - sich nach anderen Jobs umsehen: "Ausgebildete und erfahrene Experten sind kurzfristig, wenn sie einmal verstreut arbeiten, nur noch schwierig zu versammeln." Dabei geht es auch um das Netzwerk an Laboratorien, mit denen UNMOVIC zusammen arbeitet, um chemische oder biologische Analysen vorzunehmen. Man hofft auf die Zusammenarbeit mit Duelfer, um so nicht nur den Irak-Bericht mit den neuesten Erkenntnissen abschließen, sondern auch, um mit diesem ein Modell für künftige Waffeninspektionen nach dem Motto "lessons learned" vorlegen zu können. Das Thema dürfte die Weltgemeinschaft tatsächlich, soll die Verbreitung von Massenvernichtungswaffen unterbunden werden, noch öfter beschäftigen.

So soll über den Irak ein "Kompendium" vorgelegt werden, das unter anderem zeigt, wie der Irak Schritt für Schritt zwischen 1973 bis 1991 Massenvernichtungswaffen erwerben und herstellen sowie ein Netzwerk an Firmen für diesen Zweck aufbauen konnte:


While Iraq followed the same general routes and experience as other States, it did adopt some unique methods and activities. Iraq's programmes reveal elements which it is essential to understand if wider non-proliferation efforts are to be strengthened.

Links


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