10. Juli 2006 - Der Stellenaufbau in Deutschland dauert an.
Mühsam zwar noch, aber auch für das gesamte erste Halbjahr 2006 sind - gemessen an den öffentlichen Ankündigungen aus den Unternehmen - mit 67.000 mehr Stellen geschaffen als abgebaut worden. Die Zahl der öffentlich bekanntgemachten Stellenstreichungen addierte sich für die ersten sechs Monate auf gut 63.000 Arbeitsplätze.
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Die niedrigen Lohnkosten sind bei Verlagerungen oder dem Neuaufbau von Produktionsstätten dabei nicht einmal immer der Grund. Die hannoversche Firma Vietz, Weltmarktführer in der Herstellung von schwerem Gerät zur Verlegung von Pipelines, droht mit dem Aufbau einer neuen Fertigung in der
Schweiz statt an ihrem Stammsitz in Hannover, weil man ihr dort vor allem bei der
Unterstützung von Forschung und Entwicklung stärker entgegenkommt als in Deutschland. Inhaber Eginhard Vietz beklagt aber auch, daß es trotz hoher Arbeitslosigkeit
in Deutschland immer schwerer werde, flexible Mitarbeiter zu bekommen, die beispielsweise eine hohe Reisetätigkeit auf sich zu nehmen bereit wären. Wie schwer es ist, Ingenieure zu finden, zeigt auch das Beispiel des Wiesbadener Ingenieurunternehmens Rücker. Die Firma akquiriert ihre benötigten Techniker mittlerweile in ganz Osteuropa. In Rumänien hat Rücker sogar einen Standort aufgemacht, an dem die Ost-Ingenieure geschult werden. "
Das Wissen der deutschen Ingenieure ist ungemein wichtig, aber viele sind leider zu unflexibel", beklagt man auch in der Wiesbadener Rücker-Zentrale. Der Fachkräftemangel gerade unter dieser Berufsgruppe ist nach den Worten des VDI-Geschäftsführers Willi Fuchs innerhalb eines Jahres um 30 Prozent gestiegen.
Heute fehlten der deutschen Wirtschaft 180.000 Ingenieure. Daß die Industrie bereits alle Reserven des Arbeitsmarktes ausschöpfe, zeige der Rückgang der Ingenieurarbeitslosigkeit innerhalb der vergangenen zwölf Monate um 25 Prozent auf 47.000 Ingenieure. Und in dieser Zahl sei ein hoher Anteil von Altersteilzeitingenieuren enthalten, die dem Arbeitsmarkt gar nicht mehr zur Verfügung stünden, weil sie nicht mehr auf dem neuesten Stand der Technik seien. [...]
Die meisten offenen Stellen in Deutschland gibt es mit 16000 für Maschinenbauingenieure. Das sind doppelt so viele wie für die auf Rang zwei stehenden sozialen Berufe, denen dann mit ebenfalls hohen Zahlen Elektroingenieure, Informatiker und Bauingenieure folgen. [...] Es gibt also inzwischen wieder eine hohe Nachfrage nach Fachkräften. Selbst bei den Zeitarbeitsfirmen - sie stehen als Arbeitskräftenachfrager auf den ersten Stellen der entsprechenden Tabelle - werden immer mehr Fachkräfte gesucht, nicht zuletzt auch Ingenieure. Denn bei aller Verlagerung ist ein Ausbluten des Standortes Deutschland nach den Worten von Stefan Wilhelm, Partner der auf Unternehmensübernahmen spezialisierten Beratungsgesellschaft M & A, Kronberg bei Frankfurt, nicht zu erwarten. [...] "
Deutschland einen einzigartigen Vorteil: die herausragende geostrategische Lage. Somit überrasche es nicht, daß nach einer Studie von Ernst & Young Deutschland schon heute Weltmeister sei, wenn es um den Aufbau von Verwaltungszentralen, Logistikzentren und Forschungs- und Entwicklungsabteilungen gehe. Aber auch Produktionen werden wieder aufgebaut in Deutschland, das dritte Halbleiterwerk von AMD in Dresden ist ebenso ein Beispiel wie die neue Chipfabrik von Bosch. [...]
Nach einer Umfrage unter mehr als 400 Führungskräften von Unternehmen mit mehr als 500 Beschäftigten im Mai dieses Jahres wollen 30 Prozent dieser Unternehmen in den kommenden zwölf Monaten die Zahl der Mitarbeiter erhöhen, und "nur" 27 Prozent wollen sie verringern, also Stellen abbauen. Vor einem Jahr überwog bei der gleichen Befragung mit 32 Prozent zu 26 Prozent noch die Zahl jener Firmen, die die Zahl der Mitarbeiter verringern wollte. Auch das spricht dafür, daß der Stellenaufbau an Dynamik gewinnt und zumindest mittelfristig die Oberhand behält gegenüber dem Stellenabbau.
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