8. Reinkarnation von Tulkus (Lebenden Buddhas)
Der Glaube an die Wiedergeburt existiert in verschiedenen Religionen. Jedoch nur im tibetischen Buddhismus gibt es das Nachfolgesystem mit der Reinkarnation lebender Buddhas, die auf tibetisch Tulkus oder Rinpoches genannt werden. Die höchsten Lamas, etwa die Äbte eines Klosters, kehren nach ihrem Tod in Gestalt eines Kindes auf die Erde zurück und übernehmen wieder das Amt ihres Vorgängers. Das ist ein zentrales Dogma des tibetischen Buddhismus.
Ein Wandgemälde im Norbulingka, der ehemaligen Sommerresidenz der Dalai Lamas, zeigt die Audienz des 5. Dalai Lama beim Kaiser Shunzhi in Peking.
Eingeführt wurde das Nachfolgesystem per Reinkarnation im 13. Jahrhundert von der Schule der Karmapas in ihrem Hauptkloster Tsurphu. Bereits ab der 3. Generation war der Vorgang mit der Zentralregierung Chinas verbunden und 1333 verlieh Kaiser Shun der Yuan-Dynastie den Karmapas ihre Titel und setzte sie damit offiziell in ihre Ämter ein. So existiert beispielsweise noch das Siegel für den 5. Karmapa vom Ming-Kaiser Yongle.
Später übernahmen die anderen großen Linien des tibetischen Buddhismus diesen Brauch. 1409 gründete Tsongkhapa den Orden der Gelugpas (Gelbemütze). Seine Schüler und Nachfahren standen wieder in engem Kontakt mit der chinesischen Hauptstadt. 1578 wurden Sonam Gyatso von Altan Khan, dem Shunyi Prinzen der Ming-Dynastie, der Titel Dalai Lama verliehen. 1653 wurde Ngawang Lobsang Gyatsho zu einer Audienz beim Kaiser Shunzhi nach Peking berufen. Der Kaiser verlieh ihm den Titel „Der Dalai Lama, hervorragender, aus sich selbst existierender Buddha des Westens“ sowie ein goldenes Amtssiegel, wodurch der Titel des Dalai Lama und sein rechtlicher Status in der tibetischen Religionsgemeinschaft offiziell von der Zentralregierung festgelegt wurden. Seit dieser Zeit besteht die Regelung, dass die Reinkarnation vom Dalai Lama von der Zentralregierung genehmigt werden muss.
Die vom Kaiser Qianglong persönlich entworfene Goldene Urne und Elfenbeinlose, die im Yokhang Tempel in Lhasa aufbewahrt werden.
Die Klöster Tibets waren nicht nur spirituelle Orte, sondern auch wirtschaftliche Kräfte und in politische Angelegenheiten involviert. Nicht selten führten Kämpfe um die Nachfolge zu Manipulation, Korruption oder Unruhen. Im 18. Jahrhundert eskalierte solch ein Nachfolgekampf derart, dass ein hoher Lama die Gurkhas zu Hilfe rief. Es herrschte Chaos und Krieg in Tibet. Auf Anfrage aus Lhasa schickte der chinesische Kaiser Qianlong Truppen und sorgte für die Wiederherstellung der Ordnung. Als Konsequenz daraus und um weitere Vorfälle dieser Art zu vermeiden, führte Peking 1793 im Kaiserlichen Edikt die 29-Punkte-Vorschrift zur effektiveren Regierung Tibets ein. Zentraler Bestandteil zur Bestimmung ranghoher Nachfolger wie den Dalai Lamas und Panchen Lamas war ab diesem Zeitpunkt die Losziehung aus der Goldenen Urne. Vom Prinzip her folgte der Kaiser damit dem alten Brauch des göttlichen Urteils im tibetischen Buddhismus, der früher mit Tsampa Bällen durchgeführt wurde.
Bericht des Regenten Rwa Sgreng an den Sonderbeauftragten der chinesischen Regierung Wu Zhongxin bezüglich des Prozesses der Suche und Anerkennung des reinkarnierten Seelenjungen des 13. Dalai Lama sowie der Bitte um eine Ausnahmegenehmigung von der Auslosung.
Der 8. Dalai Lama hat das Prozedere im gleichen Jahr im Dokument des Wasserbüffels bestätigt und 1822 kam das neue System mit der Losziehung aus der Goldenen Urne bei der Suche nach der Reinkarnation des 9. Dalai Lama unter Vorsitz des chinesischen Ministers Wen Gan in Lhasa erstmals zum Einsatz. Anschließend mußte auch hier der neue 10. Dalai Lama von der Zentralregierung und vom damaligen chinesischen Kaiser Daoguang genehmigt werden. Ebenso wurden danach auch der 11. und der 12. Dalai Lama durch die Goldene Urne gewählt. Durch Jahrhunderte der Evolution ist das System der Goldenen Urne eines der wichtigsten religiösen Rituale und historischen Bräuche im System der Reinkarnation für lebende Buddhas im Tibetischen Buddhismus geworden. Insgesamt wurden von 1793 bis 1949 in China 39 Reinkarnationslinien lebender Buddhas identifiziert, von den 91 lebenden Buddhas wurden 76 durch die Losziehung aus der goldenen Urne gewählt, die 15 anderen wurden von der Zentralregierung als Ausnahmen erlaubt, Beispiele hierfür sind der 9., der 13. und der 14. Dalai Lama.
Der Erlass der chinesischen Regierung über die Sondergenehmigung der Anerkennung von Lhamo Döndrub als den 14. Dalai Lama mit Ausnahme von der Auslosung und der Bewilligung der Ausgaben für seine Inthronisierung. 1936 verkündete die Regierung der Republik China die Rechtsvorschriften zur Reinkarnation der Lamas. Im Falle der Suche nach dem Seelenkind des 13. Dalai Lama traf dazu 1940 ein Sondervertreter der chinesischen Zentralregierung in Lhasa ein, um den Nachfolger zu inspizieren.
Danach sprach die Zentralregierung die Ausnahmegenehmigung für den 14. Dalai Lama aus, was nur ihr vorbehalten ist, und bestätigte ihn ohne die Ziehung aus der Goldenen Urne im Amt. Bei der anschließenden Inthronisierungszeremonie hatte der chinesische Sondervertreter den Vorsitz inne.
Der Staatsrat Li Tieying überreicht im Namen der chinesischen Zentralregierung dem 11. Panchen Lama das Goldene Album und das Goldene Siegel.
Seit Gründung der Volksrepublik China wurden der 11. Panchen Lama und der 6. Dedruk Rinpoche mit Goldener Urne vor der Shakyamuni Statue im Jokhang Tempel gewählt. 2007 wurde die Verwaltungsverordnung über die Reinkarnation von lebenden Buddhas des tibetischen Buddhismus eingeführt. Die Maßnahmen respektieren religiöse Rituale und historische Bräuche und erfüllen die Ansprüche der Gläubigen. Wichtige lebende Buddhas wie die Nachfolger der Dalai Lama müssen künftig mit der Losziehung aus der Goldenen Urne gewählt werden. Die Suche nach dem Seelenkind muss auch in China stattfinden. Seit 2016 kann man in einem Onlinesystem (
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9. Der 14. Dalai Lama
Der 14. Dalai Lama wurde am 6. Juli 1935 mit dem Namen Lhamo Döndrub in der chinesischen Provinz Qinghai geboren. Sein Mönchsname ist Tenzin Gyatso. Nach Genehmigung der chinesischen Regierung wurde er am 22. Februar 1940 im Potala als 14. Dalai Lama inthronisiert. Von Anfang an war er nicht nur ein spiritueller Führer, sondern auch ein Gottkönig. Durch ihn und in seinem Namen wurde in Tibet eine theokratische Herrschaft ausgeübt. Im Grunde genommen ist der Dalai Lama ein Politiker im Mönchsgewand – ein Leben lang.
Wu Zhongxin, Sonderbeauftragter der chinesischen Regierung, wurde geschickt, um den Seelenjungen des 13. Dalai Lama zu inspizieren, bevor er später als 14. Dalai Lama inthronisiert wurde. Mit der friedlichen Befreiung 1951 wurde in Tibet ein Wandel zur modernen Zivilisation eingeleitet. Der Dalai Lama hat diesem Wandel und dem gesellschaftlichen Fortschritt zu Beginn mit der Unterzeichnung des 17-Punkte-Abkommens noch zugestimmt. Im Rahmen dieser Zusammenarbeit wurde er bei einem Besuch 1954 in Peking zum stv. Vorsitzenden des Ständigen Ausschusses des Nationalen Volkskongresses gewählt und er lobte gegenüber dem Vorsitzenden Mao die Reformen in Tibet.
Doch dann folgte ein Bruch mit der Politik der Kooperation. Die
feudalen Eliten um den 14. Dalai Lama wehrten sich gegen den drohenden Machtverlust wegen der anstehenden Reformen. Die
Unterstützung durch imperialistische Mächte, zunächst insbesondere durch die
USA, kam ihnen dabei gelegen. Mit einer unter anderem durch die
CIA trainierten und finanzierten
Rebellenarmee, die unter dem Namen des 14. Dalai Lama organisierte
„Religionsschutzarmee” auf Menschenfang ging, erfasste die Rebellion schließlich 1959
weite Gebiete Tibets. Der 14.
Dalai Lama und ein Teil des
tibetischen Adels haben sich einer Politik des
Separatismus verschrieben und sich endlich von China losgesagt. Mit der Flucht im März 1959 und der anschließenden Bildung einer illegitimen „Exilregierung” in Indien hat der 14. Dalai Lama sein Volk verlassen und
Hochverrat begangen. Er hat keine Autorität mehr, um Tibet zu repräsentieren.
Seit Ende 1970er Jahre spricht er vom „Weg der Mitte”. De facto ist es ein Zickzackkurs, der sich immer wieder der internationalen Lage anpasst und stets nur auf eine Unabhängigkeit Tibets und eine Restauration seiner theokratischen Herrschaft abzielt. Der „Weg der Mitte” bedeutet nichts anderes, als dass der Dalai Lama unerfüllbare politische Forderungen stellt. Er erklärt entgegen aller Fakten, Tibet sei nie ein Teil von China gewesen. Er verlangt ein geradezu absurd erweitertes Gebiet zurück, das er „Großtibet” nennt und das ein Viertel der Landfläche von China darstellt. Ein solches „Großtibet” hat es aber nie gegeben. Er besteht auf einer Staat-im-Staat-Lösung, will ein Tibet für die Tibeter und fordert eine Ausweisung aller anderen Ethnien, die in Tibet leben.
Abgesehen davon, dass seine Forderungen
rassistische und
nationalistische Züge tragen, missachtet der „Weg der Mitte” die Geschichte, die Realität und die Verfassung Chinas. Zudem setzt er auf
Gewalt. Er und die “Exilregierung”
fördern blutige Unruhen und menschenverachtende Akte wie die
Selbstverbrennung. Auch der Dalai Lama selber hat immer wieder entgegen seiner Reputation und dem Geist des Friedensnobelpreises zu
Gewaltprotesten aufgerufen und die Aufstellung von
Kampfeinheiten durch den
„Tibetan Youth Congress” offiziell befürwortet.
Dessen ungeachtet hat China dem 14. Dalai Lama immer die Tür für einen Dialog offengelassen. Die Zentralregierung hat viel Geduld mit dem Dalai Lama bewiesen. Vorsitzender Mao erklärte mehrmals, dass der Dalai Lama in China stets willkommen sei, sofern er anerkenne, dass Tibet ein fester Bestandteil von China sei und er die demokratische Reform unterstütze. 1979 und 1980 besuchten fünf vom Dalai Lama entsandte Delegationen Peking, lehnten aber jedes Mal alle Versöhnungsangebote der Zentralregierung ab. Zwischen 1979 und 2010 gab es 23 Treffen zwischen Vertretern der Zentralregierung und dem privaten Gesandten des Dalai Lama. Es wurde aber keine Einigung erzielt, da die Exiltibeter an ihren Forderungen des „Wegs der Mitte” festhielten und zugleich separatistische Aktivitäten in Tibet organisierten. Die Zentralregierung verfolgt stets eine klare und konsistente Linie gegenüber dem 14. Dalai Lama. Selbst jetzt steht eine Verbesserung der Beziehung nichts im Wege, sofern der Dalai Lama Tibet als Teil von China anerkennt und von weiteren Abspaltungsversuchen absieht.
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