Bei Brendan Peter Simms, Professor am Centre of International Studies der Universität Cambridge, ist alles anders: Hitler hasste nicht vor allem den Kommunismus, sondern den Kapitalismus. „Die anglo-amerikanische kapitalistische Weltordnung, gegen die Hitler revoltierte, bestimmte seine gesamte politische Laufbahn.“ (S.841) Und Hitlers Judenhass, so fügt er hinzu, wurzelte „weniger in seinem Hass gegen die radikale Linke als vielmehr in seiner Feindschaft gegenüber der globalen Hochfinanz“ (S.841).
Die Kommunisten spielten in Hitlers Gedankenwelt „nicht mehr als eine Nebenrolle“ (S.277). Sein ganzes Denken sei auf Großbritannien und vor allem die USA gerichtet gewesen. „Er war zum Gegner Großbritanniens und der Vereinigten Staaten geworden, bevor er zum Judenfeind wurde. Tatsächlich wurde er zum großen Teil sogar wegen seines Hasses auf die kapitalistischen anglo-amerikanischen Mächten zum Antisemiten“ (S.57).
Simms sieht auch eine enge Verbindung von Hitlers Rassismus mit seiner Gegnerschaft gegen den Kapitalismus. „Kapitalismus und Rassismus waren nach Hitlers Verständnis nicht kompatibel.“ (S.774) Und: „Für die Schaffung der rassischen Geschlossenheit in Deutschland am wichtigsten waren in Hitlers Augen jedoch die Überwindung des Kapitalismus und der ‚Aufbau einer neuen klassenlosen Ordnung’.“ (S.775).
Besonders nach dem Angriff auf die Sowjetunion wurde Hitler immer stärker zum Bewunderer der Planwirtschaft und er strebte für die Zeit nach dem Krieg in der Tat eine grundlegende Revolutionierung der Wirtschaft an. Sozialistische und antikapitalistische Elemente spielten in seinem Denken eine viel größere Rolle, als man gemeinhin annimmt.
Das Bürgertum dagegen sah er als feige und schwach an und den liberalen Kapitalismus als ein verfaultes, dekadentes und zum Untergang verdammtes System. Hitler bewunderte zunehmend Stalin und an seine Propagandaparolen vom „jüdischen Bolschewismus“ glaubte er selbst nicht mehr.
Brendan Simms. Hitler. Eine globale Biographie. Deutsche Verlags-Anstalt, München 2020, 1049 Seiten,