Staatsverschuldung / Stand: 23.02.2024
Staatsverschuldung Deutschland: Wie ist der aktuelle Stand, wie gefährlich ist sie wirklich? Was heißt überhaupt Staatsverschuldung, wie hat sie sich entwickelt und was sind die Folgen? Wer sind die Gläubiger, wer profitiert davon, wer hat Nachteile?
Aktuelle Staatsverschuldung Deutschland
Die deutsche Staatsverschuldung betrug zum Ende des dritten Quartals 2023 (letzte verfügbare Daten) fast
2,5 Billionen Euro. Um genau zu sein:
2.453.821.000.000 Euro Schulden zum
Stichtag 30.09.2023.(1). Das ergibt pro Kopf
29.074 Euro Schulden bei
84,4 Mio. Einwohnern in 2023.
Diese Zahlen vermeldete das
Statistische Bundesamt. Es sind die
Schulden des
öffentlichen Gesamthaushalts beim
nicht-öffentlichen Bereich. Unter "nicht-öffentlicher Bereich" versteht man private Geldgeber, die dem deutschen Staat Geld geliehen haben. Das sind vor allem Banken, Unternehmen, Pensionsfonds oder sonstige private Organisationen im In- und Ausland. Auch Privatanleger, die deutsche Staatsanleihen halten, zählen zu den Gläubigern.
Update 2024:
Die wirtschaftliche Schwäche Deutschlands, verbunden mit steigenden Ausgaben haben aktuell bereits zu einem Überschreiten der Marke von
2,5 Billionen Euro Staatsverschuldung geführt.
Entwicklung
Nach einigen Jahren des Schuldenabbaus kehrte sich ab 2020 der Trend um und die Schuldenmenge wuchs wieder an. Im Vergleich zum 3. Quartal 2022 wuchsen die Schulden bis zum 3. Quartal 2023 um 128,5 Mrd. Euro bzw. 5,2 % an. Ursache für das Schuldenwachstum waren die andauernden Folgen der
Corona-Pandemie sowie
massiv höhere Rüstungsausgaben.
Damit markiert der Schuldenstand Deutschlands einen neuen historischen Rekordstand:
Aktuelle Schulden Deutschland und Entwicklung
Zum Vergleich: Im
Jahre 1990 belief sich die Schuldenhöhe noch auf rund
540 Milliarden Euro, die Pro-Kopf Verschuldung auf
8.500 Euro.
Aktuelle Verteilung und Zusammensetzung
Zum Stichtag 30.09.2023 setzten sich die deutschen Gesamtschulden von fast 2,5 Billionen Euro wie folgt zusammen:
Der größte Anteil an der Staatsverschuldung entfällt auf den Bund. Bis zum Ultimo des dritten Quartals 2023 war es erneut der Bund, der vor allem für das Schuldenwachstum verantwortlich war. Auf Länderebene hingegen waren die Schulden in der Summe deutlich rückläufig. Im Vergleich zum Vergleichszeitpunkt 2022 lagen sie um 15,6 Mrd. Euro bzw. 2,54 % niedriger. Die Gemeinden und Gemeindeverbände wiesen dagegen einen deutlichen Schuldenzuwachs auf. Allerdings ist deren Anteil in absoluten Zahlen verglichen mit dem gesamten Schuldenstand gering. In Zahlen ausgedrückt:
Verschuldung nach Körperschaftsgruppen (in Milliarden EUR)
Körperschaft / Stand Q3'2023 / Veränderung zum Q3'2022
Bund / 1.703,8 / + 8,2 %
Länder / 598,5 / - 2,5 %
Gemeinden / 151,5 / + 10,6 %
Sozialversicherung / 23,0 / - 36,1 %
GESAMT / 2.453,8 / + 5,2 %
(Werte gerundet)
Aktuelle Verschuldung nach Ländern
Nachfolgend die Schulden der Länder (inklusive Gemeinden & Gemeindeverbände) bis Ultimo Q3'23 beim nicht-öffentlichen Bereich im Detail. Nordrhein-Westfalen hatte mit über 233,5 Milliarden die meisten Schulden, Sachsen mit 8,7 Milliarden die wenigsten:
Verschuldung nach Bundesländer (in Milliarden EUR)*
Land / Q3'2023 / Q3'2022
Baden-Württemberg / 54,6 / 57,5
Bayern / 36,0 / 34,7
Brandenburg / 21,5 / 19,9
Hessen / 56,5 / 54,5
Mecklenburg-Vorpommern / 9,1 / 10,0
Niedersachsen / 76,5 / 78,6
NRW / 233,5 / 232,7
Rheinland-Pfalz / 39,4 / 40,8
Saarland / 15,8 / 16,1
Sachsen / 8,7 / 7,9
Sachsen-Anhalt / 25,0 / 25,6
Schleswig-Holstein / 36,7 / 37,3
Thüringen / 17,3 / 17,6
Berlin / 63,2 / 63,0
Bremen / 22,7 / 22,3
Hamburg / 33,5 / 33,2
* Schulden der Ländern (mit Gemeinden & Gemeindeverbände). Stand: 30. September 2023. Werte gerundet. Quelle: Destatis
Spannend auch der Blick auf die
pro Kopf Verschuldung in den
einzelnen Bundesländern. Wie die folgende Grafik zum Stichtag 31.12.2022 zeigt, haben die Bürger
Bremens mit über
33.000 EUR pro Kopf die größte Schuldenlast zu tragen.
Sachsen weist mit
2.000 EUR Schulden pro Einwohner die geringste Verschuldung auf.
...
Ist der Schuldenberg gefährlich?
Schulden und Vermögen sind zwei Seiten derselben Medaille, denn jeder Schuld steht immer 1:1 dieselbe Forderung gegenüber. Aussagen, die einseitig Schulden als gefährlich darstellen, sind daher verkürzt. Denn genauso gut könnte man sagen: "Die Vermögen sind gefährlich hoch". Ebenfalls reine Spekulation ist ein "Crash" als Folge hoher Staatsverschuldung. Obwohl von einigen Meinungsmachern seit Jahren prophezeit, ist ein Crash in Deutschland bisher nicht eingetreten.
In Relation zum Bruttoinlandsprodukt lag die Verschuldung zum Stichtag 30.09.2023 bei lediglich
65 Prozent (Staatsschuldenquote). Das liegt zwar
5 Prozentpunkte
über den Maastrichtkriterien (EU-Stabilitätspakt), gilt aber als unproblematisch in Sachen Schuldentragfähigkeit. Auch die Empirie belegt keinen monokausalen Zusammenhang zwischen hoher Staatsverschuldung und einem Crash.
* Japan hat seit 30 Jahren die weltweit höchste Verschuldung, ohne dass hier je etwas passiert wäre.
(*Anmerkung ABAS: " Kapitalgeber und Glaeubiger des japanischen Staates sind ausschliesslich die japanischen Buerger und Unternehmer. Der japanische Staat ist nicht abhaengig von Kreditgebern und Glaeubigern der internationalen Fianzmaerkte. Daher ist die japanische Staatsverschuldung unbedenklich! ")
Entscheidend sind die
Kreditkosten, also die
Zinsen. Diese bewegen sich nach wie vor real (nach Abzug der Inflation) auf historisch niedrigem Niveau. Hohe Schulden (="Geld drucken") allein führen auch nicht automatisch zu hoher Inflation. Dies wird ebenfalls immer wieder plakativ verkürzt dargestellt. Seit der Finanzkrise 2007/8 waren die Inflationswerte in Deutschland und in vielen anderen wichtigen Industriestaaten niedrig - trotz hoher Staatsverschuldung. In weiten Phasen sogar niedriger als zu D-Mark Zeiten, wo die Staatsverschuldung weitaus geringer war. Erst in jüngster Zeit schnellte die Inflation nach oben. Gründe waren erst die Folgen der
Corona-Pandemie und dann der
Ukrainekrieg. Hier wurden zum einen Lieferketten gestört, was das Angebot verknappte und gleichzeitig wirkte das
massenhaft "gedruckte" Geld durch
Rettungspakete, explodierende Energiepreise und hohe
Rüstungsausgaben preistreibend. Ob die Schulden zu hoch sind, hängt also von der wissenschaftlichen Denkschule eines Ökonomen und dessen politischem Standpunkt ab. Oder von der Interessenslage. Kritisiert wird die aktuelle Schuldenpolitik vor allem von Ökonomen aus dem konservativen Lager wie Monetaristen, neoliberalen Vertretern marktradikaler Wirtschaftstheorien oder Anhängern der Österreichischen Schule. Demgegenüber stehen Meinungen, welche den Schuldenstand als unproblematisch erachten und sogar davor warnen, dass man sich auch totsparen könne. Mehr noch, diese Schulden seien Resultat eines Umbaus der Gesellschaft zugunsten besitzender Gesellschaftsschichten. Deren Vermögen wurde immer größer. Dieses Geld wollte angelegt werden. Somit stieg auch die Nachfrage nach Staatsanleihen.
So verbuchten deutsche Unternehmen in 2022 Rekordgewinne. Während der Staat eine Rekordverschuldung auswies, lagen die Umsätze allein der 40 deutschen DAX Unternehmen bei 1,9 Billionen Euro; die Gewinne bei 171 Milliarden Euro6. 2023 gab es Rekordausschüttungen bei den Dividenden. Ebenfalls aufschlussreich sind die Zahlen zum privaten Vermögen. So betrug das Geldvermögen der privaten Haushalte Ende des dritten Quartals 2023 rund 7,5 Billionen Euro 7. Und eine Studie des DIW belegt, dass sich 35 % des individuellen Nettovermögens in den Händen von nur 1 Prozent der vermögendsten Deutschen konzentrieren. 8
Dass das Thema so kontrovers diskutiert wird, liegt auch daran, dass die Schulden eines Staates nicht vergleichbar sind mit den Schulden eines Unternehmens oder Bürgers. Ein Staat kann - in der Theorie - niemals pleite gehen, da er souverän ist. Er kann zwar formal seine Zahlungsunfähigkeit erklären, aber Steuer- und Währungshoheit geben ihm theoretisch unendliche Ressourcen.
Es gibt auch
kein internationales Insolvenzrecht, das auf
Staaten anwendbar wäre. So böte nur
** Waffengewalt die
Möglichkeit zur
Zwangsvollstreckung.
(** Anmerkung ABAS: " Peking oder Moskau Inkasso ")
Staatseinnahmen und Staatsvermögen
Wer
seriös einschätzen will, ob Schulden zu hoch sind muss auch die Einnahmen und Vermögen betrachten. So standen in 2022 den
2,37 Billionen Staatsschulden rund
1,82 Billionen Euro an
deutschen Staatseinnahmen gegenüber. Als Staatseinnahmen gelten Steuern, Gebühren, Beiträge, Verkaufserlöse oder Erträge aus Vermögen. Ebenfalls relativierend der Blick auf das Finanzvermögen von Bund, Ländern, Gemeinden und Sozialversicherungen: Es belief sich zum Jahresende 2022 auf über 1,08 Billionen Euro 5.
...
Quellen:
1. Statistisches Bundesamt
2. Eurostat / destatis:
3. IMF / Statista:
4. Zahlen nach: Österreichische Nationalbank |
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5. Statista: Einnahmen deutscher Staat (vorläufige Zahlen 2022)
6. Süddeutsche Zeitung 23.03.23: "Die Konzerne verdienen so viel wie nie"
7. Statista: "Geldvermögen der privaten Haushalte in Deutschland"
8. Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung (DIW): "Vermögenskonzentration in Deutschland"
(Zusatzstichprobe des sozio-ökonomischen Panels SOEP), Juli 2020
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