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Ich habe schon viele Betriebsschliessungen in Deutschland erlebt, die Textil - und Lederwarenindustrie beschäftigte ja mal sehr viele Mitarbeiter; alleine schon im Landkreis Aschaffenburg gab es etwa 100.000 Arbeitsplätze in dieser Branche. Jetzt hat einer der letzten Betriebe dieser Art die Tore geschlossen; eine Textil - Färberei, in der ich langjährig jedes Jahr mehrmals tätig war. Aber auch viele andere Firmen geben auf; die Textil - und Lederwarenindustrie waren ja eine der ersten Branchen, die den Standort Deutschland verlassen - oder die Betriebe schliessen mussten. Um einmal zu verdeutlichen, womit Firmen in Deutschland täglich zu kämpfen haben, hier das Anschreiben der Firma an mich:
Einstellung der Produktion zum 30.6.2023
Sehr geehrte Damen und Herren,
hiermit müssen wir Ihnen leider mitteilen, dass die Gesellschafter der XXX GmbH & Co. KG den Beschluss gefasst haben, nach 155 Jahren die Produktion in unserer Textilveredlung zum 30.06.2023 einzustellen.
Die Begründung zu diesem schweren und schicksalshaften Schritt liegt hauptsächlich in folgenden Gegebenheiten begründet:
- Gesundheitliche Probleme des geschäftsführenden Gesellschafters
- Fehlende Nachfolgeregelung
- Personelle Entwicklungssituation
- In den letzten Jahren anhaltender Umsatz- und Auftragsrückgang
- Laufend steigende Kosten am Produktionsstandort Deutschland
- Zunehmend weltweiter Konkurrenzkampf in der Textilveredlung
- Weltweite Wettbewerbsverzerrungen durch Subventionen in der Textilindustrie
- Zertifizierungs- und Auflagenzwang bezüglich textiler Herstellung in Deutschland, die in der Auslandsherstellungweitgehend umgangen und ohne Folgen bei der Einfuhr bleiben
- Für einen kleinen Mittelständler schwer erfüllbare Regularien in Bezug auf das Zollrecht, Steuer- und Abgabenrecht, Arbeitsrecht, Arbeitssicherheit, Versicherungsrecht, statistisches Meldewesen, usw.
- Nicht einschätzbare globale Einflüsse in der Materialbeschaffung
- Unkalkulierbare Risiken bei der europäischen und deutschen Energiepolitik
- Weitere Auflagen und Verbote durch die europäische Chemikalienpolitik
- Dramatische Schwächung der Textilinfrastruktur in den Vorstufen Garnherstellung, Strickereien und Wirkereien durch Betriebsstillegungen
- Immer grösser werdende saisonale Auftragsschwankungen, die keine planbare Produktion als Schichtbetrieb mehr ermöglichen
- Anhaltender Rückgang von grösseren Produktionsmengen, die weiterhin in Billiglohnländer verlagert werden
Zu guter Letzt mussten wir 2 Jahre Coronapandemie, ein Jahr Ukrainekrieg incl. Energiekostenexplosion verkraften und nun hat uns die Konsumkrise erreicht.
All diese Umstände, bei denen eine Verbesserung oder positive Entwicklung in absehbarer Zeit nicht zu erwarten ist, hat die Gesellschaft dazu bewogen, noch rechtzeitig aus eigenen Schritten die Entscheidung einer Produktionsschliessung zu treffen, um auch im Sinne eines ordentlichen Kaufmanns Niemandem etwas schuldig zu bleiben.
Auch ist es für die Gesellschafter sehr wichtig durch die Produktionsschliessung in eigener Verantwortung in materieller Hinsicht wertebezogen in eigener Regie vornehmen zu können.
Wir bedauern nochmals ausserordentlich Ihnen diese Entscheidung mitteilen zu müssen und bedanken uns bereits heute für die langjährige, gute, partnerschaftliche und vertrauensvolle Zusammenarbeit und wünschen Ihnen für die Zukunft alles Gute und viel Erfolg.
Mit freundlichen Grüssen
XXX GmbH & Co. KG