Handelsblatt / 26.04.2023
Staatsverschuldung & Schuldenuhr
So hoch ist die aktuelle Staatsverschuldung in Deutschland
Über Jahre konnte die Bundesregierung die schwarze Null halten. Coronapandemie, Ukraine-Krieg und Energiekrise zwingen dem Staat jedoch Rekordsummen auf. Ein Überblick über die Staatsschulden. Zuerst waren es die Maßnahmen zur Bewältigung der Coronpandemie, die die Verschuldung des deutschen Staates im ersten Halbjahr 2021 auf Rekordhöhe getrieben hatten. Mittlerweile beschütten die Folgen des Ukraine-Kriegs, allen voran die Energiekrise und die anhaltend hohe Inflation, den Schuldenberg des Landes.
Geht es nach Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP), soll sich Deutschland
2023 wieder an enge Vorgaben zur Neuverschuldung halten. Doch was bedeuten Schulden für den Staat eigentlich, und warum ist eine Staatsverschuldung anders als die eines Privathaushalts? Alle wichtigen Fragen und Antworten zur Staatsverschuldung finden Sie hier im Überblick.
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Was ist eine Staatsverschuldung?
Die Staatsverschuldung meint die
Verbindlichkeiten eines Staates gegenüber
Dritten. Gemessen werden die Schulden an
absoluten Zahlen – aber auch in einer Staatsschuldenquote. Sie bezeichnet das Verhältnis zwischen der Staatsverschuldung und dem Bruttoinlandsprodukt (BIP) eines Landes.
Staatsverschuldung in Deutschland 2022
Zum Jahresende 2022 belief sich die Gesamtverschuldung des öffentlichen Sektors (Bund, Länder, Gemeinden und Gemeindeverbände sowie Sozialversicherungen einschließlich aller Extrahaushalte) auf 2,37 Billionen Euro. Laut vorläufigen Daten des Statistischen Bundesamts (Destatis) stieg die öffentliche Verschuldung im Vergleich zum Jahresende 2021 um zwei Prozent bzw. 46,1 Milliarden Euro. Damit erreichte sie einen
neuen Höchstwert.
Die
Schulden teilen sich dabei wie folgt auf:
1,62 Billionen Euro Schulden entfallen auf den Bund.
606,8 Milliarden Euro Schulden haben die Länder.
140,1 Milliarden Euro verteilen sich auf die Gemeinden und Gemeindeverbände.
Der geringste Schuldenanteil in Höhe von 36 Millionen Euro ist auf die Sozialversicherung zurückzuführen.
Verschuldung der Bundesländer 2022
Die bisherige Verschuldung der Bundesländer ist unterschiedlich. Mit Ausnahme von Sachsen-Anhalt konnten im Jahr 2022 alle Länder ihre Schulden gegenüber dem Jahresende 2021 verringern. Insgesamt waren die Länder zum Jahresende 2022 mit 606,8 Milliarden Euro fünf Prozent weniger verschuldet als zum Jahresende 2021. Auf dem größten Schuldenberg sitzt das Land Nordrhein-Westfalen mit 178,6 Milliarden Euro.
Was besagt die Schuldenbremse?
Laut der Schuldenbremse, die
2009 im Grundgesetz der BRD verankert worden ist, darf sich der Bund seit 2016 jährlich um maximal 0,35 Prozent des BIP neu verschulden. Für die Bundesländer sollte jegliche Neuverschuldung ab 2020 sogar ausgeschlossen sein. Als Ausnahmefälle werden Naturkatastrophen und außergewöhnliche Notsituationen, wie eine Weltwirtschaftskrise deklariert.
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Schuldenquote in der EU und Eurozone
Die europaweit höchste absolute Staatsverschuldung wies im dritten Quartal 2022 Frankreich mit 2,96 Billionen Euro auf. Dicht darauf folgen Italien mit einer Verschuldung von 2,74 Billionen Euro und Deutschland mit 2,53 Billionen Euro.
Anders sieht es im Ländervergleich der Staatsschuldenquote in Relation zum Bruttoinlandsprodukt innerhalb der EU aus. Hier liegt Griechenland mit einer Schuldenquote für das vierte Quartal 2022 von 171,3 Prozent vorne, gefolgt von Italien auf Platz zwei mit einer Staatsschuldenquote von 144,4 Prozent. Deutschland ist mit einer Staatsschuldenquote von 66,3 Prozent auf Platz 13 zwischen Koratien und der Slowakei.
Welche Auswirkungen hat die Energiekrise auf die Staatsverschuldung?
Lange hat die politische Spitze von SPD, FDP und Grüne um einen gemeinsamen Kurs gerungen. Am Ende hat die Bundesregierung im vergangenen Jahr angesichts der stark steigenden Preise drei Entlastungspakete im Gesamtvolumen von rund
100 Milliarden Euro auf den Weg gebracht.
Folgen
Die Energiehilfen werden dabei über den Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) finanziert. Letzterer wurde im Zuge der Coronapandemie ins Leben gerufen. Zur Bewältigung der Energiekrise hat die Bundesregierung im
WSF 200 Milliarden Euro aufgenommen. Da die Marktpreise von Gas und Strom Anfang des Jahres gesunken sind, haben Haushälter die Hoffnung, dass man die 200 Milliarden Euro nicht komplett benötigen wird.
Was unterscheidet Staatschulden von privaten Schulden?
Privatpersonen nehmen Schulden auf, um sich etwas zu leisten, dass sie nicht auf einen Schlag zahlen könnten wie etwa ein Haus. Wichtig dabei ist, dass die Schulden in
absehbarer Zeit zurückgezahlt werden können. Das heißt
Zins und
Tilgung müssen aus
vorhandenem Einkommen
finanzierbar sein.
Nimmt ein Staat Schulden auf, muss er ihn
nicht in einem Lebenszyklus zurückzahlen. Staaten haben viel
größere Zeitpuffer, um ihre Schulden zu tilgen. Solange genügend
Steuereinnahmen fließen, besteht
kein Problem. Dann kann der Staat
Zinsen auf seine Schulden zahlen und grundlegende Aufgaben
finanzieren, etwa Sozialleistungen, Straßen, das Gesundheitssystem, Schulen und Universitäten. Erst wenn Schulden
nicht bedient werden können, kann eine
Staatspleite drohen.
An den
Finanzmärkten gilt ein Staat bereits dann als
„technisch zahlungsunfähig“, wenn Schulden
erstmalig nicht bedient werden können.
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