Die Kurden im Iran
Kurden stellen mit rund
elf Millionen etwa zehn Prozent der Gesamtbevölkerung und sind damit die größte nicht-arabische Minderheit im Iran. Nach der Türkei ist der Iran das Land mit dem
zweitgrößten kurdischen Bevölkerungsanteil, noch
vor dem Irak und Syrien. Ihre Hauptsiedlungsgebiete liegen im
Westen und Nordwesten des Iran in den Provinzen
West-Aserbaidschan, Kurdistan, Kermanschah und
Ilam sowie in Teilen der
Provinzen Hamadan und Luristan.
Bis zu eine Million Kurden leben darüber hinaus auch im
Nordosten des Iran in den Provinzen
Chorasan und
Razavi-Chorasan. Sie sind die Nachfolger jener Kurden, die im
15. Jahrhundert unter der
Herrscherdynastie der
Safawiden als
Bestrafung für
kurdische Rebellionen in das Gebiet
deportiert wurden.
Überblick seit Beginn des 20. Jahrhunderts
In Folge des Ersten Weltkriegs versuchten kurdische Stämme, sich die Schwäche des persischen Staates zunutze zu machen, wurden aber von Reza Khan, dem späteren Begründer der Pahlavi-Dynastie Reza Schah, besiegt, der Hunderte Aufständische deportieren und kurdische Ländereien konfiszieren ließ.
Während des Zweiten Weltkriegs blieb der Iran formal zwar neutral, die Alliierten befürchteten jedoch, dass sich der Schah, der deutliche Sympathien für Nazi-Deutschland erkennen ließ, auf die Seite des Deutschen Reiches stellen könnte. Um das zu verhindern und um die militärischen Nachschubwege der Alliierten zu sichern, besetzten Großbritannien und die Sowjetunion 1941 Teile des Landes.
Erneut versuchten kurdische Aufständische, die temporäre Schwäche der persischen Armee auszunützen und die Kontrolle einiger Gebiete im Westiran zu übernehmen, wurden aber 1944 von der wieder konsolidierten Armee geschlagen.
Republik Kurdistan
1946 wurde mit Unterstützung der Sowjetunion im Nordwesten Irans eine Republik Kurdistan, auch Volksrepublik Mahabad genannt, gegründet. Sie umfasste einen Landstreifen entlang der Grenzen zum Irak und der Türkei bis zu den sowjetischen Teilrepubliken Armenien und Aserbaidschan. Die wichtigste politische Kraft war die im August 1946 in Mahabad gegründete Demokratische Partei Kurdistans, heute Demokratische Partei Kurdistan-Iran (DPK-I), welche die Regierung der kurzlebigen Republik Mahabad stellte.
Nach anhaltenden Gefechten mit dem iranischen Militär zog sich die Sowjetarmee im Dezember 1946 zurück, was sich für die Republik Mahabad als fatal erwies. Nur elf Monate nach ihrer Gründung wurde die Republik vom Iran
zerschlagen. Der Vorsitzende der
DPK-I, Qazi Mohammed, wurde am 30. März 1947 von der iranischen Armee gefangengenommen und zusammen mit Ministern der ehemals von ihm geführten Regierung
hingerichtet.
Qazi Mohammed gilt heute noch als Symbolfigur der kurdischen Nationalbewegung.
Die
DKP-I, die fortan nur im Untergrund bzw. im Exil tätig sein konnte, wurde durch die Zerschlagung der Republik schwer getroffen und brauchte Jahre, um wieder auf die Beine zu kommen. Infolge der sogenannten Barzani-Revolten, Auseinandersetzungen zwischen Kurden unter der Führung von Mustafa Barzani und dem Zentralstaat im Nachbarland Irak zwischen 1961 und 1970, kam es 1967 zu einem kurzen Aufstand der zu dieser Zeit kommunistisch orientierten DKP-I, der allerdings rasch niedergeschlagen werden konnte. In den frühen 1970er-Jahren prägte die Partei unter der Führung des später in Wien ermordeten Abdul Rahman Ghassemlou den Slogan
»Demokratie für den Iran, Autonomie für die Kurden«.
In der Islamischen Republik
Nach der von den Kurden anfänglich befürworteten Revolution gegen den Schah 1979 verhandelten Vertreter von ihnen mit den neu regierenden Islamisten über eine mögliche Autonomie, doch wurde eine solche vom Obersten Führer des Iran, Ruhollah Khomeini, strikt
abgelehnt. Für ihn standen Partikularinteressen nationaler Minderheiten im Widerspruch zu den Grundsätzen des Islam.
Mehrere
kurdische Aufstandsversuche wurden niedergeschlagen, wobei u. a. im November 1979
Mahabad von der iranischen Armee
bombardiert wurde. Mehrfach wechselte die Kontrolle über umkämpfte Städte und Ortschaften in den kurdischen Gebieten zwischen Rebellen und der Armee, bis diese sich 1981 schließlich durchsetzen konnte. Die kurdische Revolte, die rund 10.000 Kurden das Leben kostete, war die schwerste interne Herausforderung der neuen politischen Ordnung im Iran.
In der Islamischen Republik wurden Kurden von Anfang an politisch, wirtschaftlich und sozial benachteiligt. Die kurdische Identität, ihre Sprache und ihre Kultur werden unterdrückt. So ist es ihnen beispielsweise verboten, kurdische Namen zu tragen; in führende Positionen aufzusteigen, ist Kurden im Iran fast unmöglich. Die Kurden leiden dabei nicht nur an der Unterdrückung als ethnische Minderheit, sondern werden als mehrheitlich dem sunnitischen Glauben zugehörig vom schiitisch-islamistischen Regime auch religiös diskriminiert. Oftmals wird ihnen vom Regime vorgeworfen, mit den
Feinden der Islamischen Republik zu
kooperieren und im
Dienst ausländischer Mächte die Einheit des Landes zu
untergraben.
Massive Repression, nicht nur im eigenen Land
Nach wie vor sind Kurden massiv von Repression betroffen und sowohl unter den politischen Gefangenen, als auch unter den aus politischen Gründen zum Tode Verurteilten sowie Hingerichteten weit überproportional vertreten.
Kurdischer Aktivismus wird von der Islamischen Republik Iran mit brutaler Gewalt unterdrückt – und das nicht nur im eigenen Land: Am 13. Juli 1989 wurden in einer Wohnung in Wien der damalige Vorsitzende der DPK-I, Abdul Rahman Ghassemlou, sein Stellvertreter Abdullah Ghaderi-Azar und ein weiterer Kurde, der als Übersetzer fungierte, bei einem Geheimtreffen mit Vertretern des iranischen Regimes ermordet. Die Geheimdienstattentäter konnten unbehelligt Österreich verlassen, einer der Mörder wurde gar von der österreichischen Polizei zum Flughafen Wien Schwechat eskortiert, um seine Ausreise sicherzustellen.
Als Reaktion auf die Ermordung Ghassemlous begann die DPK-I einen bewaffneten Aufstand. Insbesondere in den Jahren 1990 und 1991 unternahmen ihre bewaffneten Verbände, die Peschmerga, zahlreiche Angriffe auf Militärstützpunkte in den kurdischen Gebieten des Iran. Allein zwischen April und August 1990 wurden bei den kurdischen Angriffen über 300 iranische Soldaten getötet.
Das Regime reagierte auf den Aufstand erneut mit massiver Repression sowie gezielten Tötungen der DKP-I-Führung. So wurden am 17. September 1992, drei Jahre nach der Ermordung Ghassemlous, dessen Nachfolger als Parteivorsitzender, Sadegh Scharafkandi, und drei seiner Mitstreiter im Berliner Restaurant »Mykonos« im Auftrag des iranischen Geheimdienstes von Hisbollah-Mitgliedern erschossen. Anders als in Österreich wurde den Mördern in Deutschland allerdings der Prozess gemacht. Zwei der Attentäter wurden wegen Mordes zu lebenslanger Haft verurteilt, zwei weitere erhielten Haftstrafen wegen Beihilfe zum Mord. In seinem Urteil hob das Berliner Gericht die Verantwortung der iranischen Staatsführung für die Morde ausdrücklich hervor.
Der kurdische Aufstand endete 1996 mit der einseitigen Verkündung eines Waffenstillstands durch die DKP-I. Heute hat die Partei ihr Hauptquartier im kurdischen Nordirak, wo sie immer wieder Ziel iranischer Militärschläge wird.
Kein Ende des Konflikts
Seit 2004 ist mit der Partei für ein
Freies Leben in Kurdistan (PJAK) eine
Schwesterpartei der
türkischen PKK im Iran aktiv. Sie tritt für eine konföderale Vereinigung aller Kurden ein und führt im Namen der Kurden einen
bewaffneten Kampf gegen das iranische Regime. Wie auch die PKK hat sie ihr Hauptquartier und Rückzugsgebiet in den irakischen Qandil-Bergen – und wie die Türkei schreckt auch das iranische Regime nicht vor Militärschlägen gegen Kurden im Irak zurück.
Die
PJAK trat 2004 gewissermaßen in die Fußstapfen der
DPK-I und unternahm in den Jahren bis 2011 bewaffnete Operationen gegen den iranischen Sicherheitsapparat in den
kurdischen Landesteilen.
Jenseits militärischer Konfrontationen kommt es in den kurdischen Gebieten des Iran immer wieder zu Protesten gegen das Regime, so auch im Jahr
2021 wegen des akuten Wassermangels in der Provinz West-Aserbaidschan und der systematischen
Vernachlässigung dieser Region durch die Machthaber in Teheran.
Die kurdischen Gebiete waren auch Zentren der Protestbewegung, die im September 2022 aufkam, nachdem die junge
* Kurdin Jina (Mahsa) Amini in Teheran von der Sittenpolizei wegen eines schlechtsitzenden Kopftuches festgenommen worden und wenige Tage später infolge von Misshandlungen durch die Sicherheitskräfte verstorben war.
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