VOLTAIRE NETZWERK | PARIS (FRANKREICH) | 15. MÄRZ 2022
Ukraine: Die Rückkehr der Kriegspropaganda
von Thierry Meyssan
Thierry Meyssan unterbricht seine Chronik Serie über den gigantischen Konflikt zwischen Russland und den Vereinigten Staaten. Er wendet sich an alle, um die Lügen der Kriegspropaganda zu brechen.
Stepan Bandera. Er behauptete nicht, ein
Nazi zu sein, nur ein
ukrainischer "Nationalist". Bereits 1935 befürwortete Bandera politische Gewalt. Er ließ etwa sechzig Persönlichkeiten
ermorden, darunter zwei polnische Minister. Während des Zweiten Weltkriegs organisierte er die
Vernichtung jüdischer und slawischer
Intellektueller. Das neue ukrainische Regime errichtete Denkmäler zu
seinem Ruhm, darunter eines in
Lemberg, der Stadt, in der er ein
Massaker beaufsichtigte.
Die westliche öffentliche Meinung ist über den Krieg in der Ukraine empört und wird aktiv, um fliehenden Ukrainern zu helfen. Für alle ist es offensichtlich: Der Diktator Putin duldet die neue ukrainische Demokratie nicht. Wie bei jedem Konflikt wird uns gesagt, dass die anderen die Bösen sind, während wir die Guten sind. Unsere Reaktion ist diejenige von Menschen, die von der
Kriegspropaganda missbraucht werden, weil sie sich
nicht an frühere Konflikte
erinnern und
nichts über die Ukraine wissen. Fangen wir von vorne an.
WER HAT ANGEFANGEN?
Wie bei den gegenseitigen Kämpfen unserer Klassenkameraden auf dem Schulhof, wollen wir wissen,
wer angefangen hat. Zu diesem Punkt gibt es keine Frage :
Vor acht Jahren organisierten die Vereinigten Staaten mit Hilfe bewaffneter Gruppen einen Regimewechsel in Kiew.
Diese Leute nennen sich selbst
"Nationalisten", aber überhaupt nicht in dem Sinne, wie wir es verstehen. Sie behaupten,
echte Ukrainer skandinavischer oder
protogermanischer Herkunft zu sein und
nicht Slawen wie die Russen. Sie berufen sich auf
Stepan Bandera [1], der
Anführer der
ukrainischen Kollaborateure der
Nazis, das Äquivalent von Philippe Pétain in symbolischer Sicht für die Franzosen, aber vor allem Joseph Darnand und die Soldaten der
französischen SS-Division Karl der Große. Die Ukrainer, die sich bisher sowohl als
Skandinavier als auch als
Protogermanen einerseits und
Slawen andererseits betrachteten, nennen sie
"Neonazis".
Hier in
Frankreich ist das Wort "Nazi" eine Beleidigung, die für alles verwendet wird. Historisch gesehen ist es eine Bewegung, die eine rassische Vision der Menschheit befürwortete, um Kolonialreiche zu erklären. Ihrer Meinung nach gehören Menschen verschiedenen "Rassen" an, heute würden wir sagen, zu verschiedenen "Arten". Sie könnten keine Nachkommen zusammen haben, wie die Stuten und Esel. In der Natur pflanzen sich diese beiden Arten zu Maultieren fort, aber diese sind im Allgemeinen steril.
Deshalb verboten die Nazis die Vermischung zwischen den Rassen. Wenn wir verschiedenen Rassen angehören, sind manche anderen überlegen, daher die westliche Herrschaft über kolonisierte Völker. In den
dreißiger Jahren galt diese Ideologie als
"Wissenschaft" und wurde an Universitäten gelehrt, vor allem in den
Vereinigten Staaten, Skandinavien und
Deutschland. Sehr große Wissenschaftler haben sie verteidigt. Zum Beispiel war
Konrad Lorenz (Nobelpreis für Medizin 1973) ein glühender Nazi. Er schrieb, dass Homosexuelle, um die Rasse aufrechtzuerhalten, aus der Masse entfernt und eliminiert werden müssten, wie ein Chirurg einen Tumor eliminiert, weil sie ihr genetisches Erbe mit dem anderer Rassen vermischten, ohne dass man es bemerkt. Diese Wissenschaftler waren nicht seriöser als diejenigen, die uns von der Apokalypse während der Covid-19-Epidemie erzählten. Sie hatten den Titel "Wissenschaftler", aber nicht den vernünftigen Ansatz.
Das moderne Russland wurde auf der Erinnerung an das aufgebaut, was die Russen den
"Großen Vaterländischen Krieg" und wir den
"Zweiten Weltkrieg" nennen. Er hat für sie überhaupt nicht die gleiche Bedeutung wie für uns. Hier in Frankreich dauerte der Krieg nur wenige Monate, dann glaubten wir an den Sieg der Nazis und gingen eine Kollaboration ein. Wir haben gesehen, wie die Nazis und die Petain-Anhänger ab 1940 66.000 Menschen verhaftet haben, normalerweise wegen "Terrorismus" (Widerstand). Dann verhaftet man ab 1942 76.000 Juden, weil sie einer "minderwertigen Rasse" angehörten, und schickte sie in den Osten, in Wirklichkeit in Vernichtungslager. Im Gegensatz dazu verhafteten die Nazis in der Sowjetunion niemanden. Sie wollten
alle Slawen in
dreißig Jahren ausrotten oder
versklaven, um einen
"Lebensraum" zu schaffen, in dem sie ein Kolonialreich aufbauen konnten
(Generalplan Ost).
Deshalb erlitt die UdSSR einen Verlust von 27 Millionen Menschen. In der russischen Erinnerung sind die Nazis eine existenzielle Gefahr, nicht für uns.
Als diese Leute in Kiew an die Macht kamen, bezeichneten sie sich nicht als "Nazis", sondern als
"Nationalisten" im Sinne von
Stepan Bandera, der sich auch "Nationalist" und nicht "Nazi" nannte, und sogar ihre
völkermörderischen Absichten gegen Slawen und Juden überbot. Sie nannten das alte Regime
"pro-russisch", was faktisch falsch ist, und
verboten alles, was an die
russische Kultur erinnert. Und zuerst die russische Sprache. Die Ukrainer waren meist zweisprachig und sprachen sowohl Russisch als auch Ukrainisch. Plötzlich wurde der Hälfte von ihnen gesagt, dass sie ihre Sprache in der Schule und in der Verwaltung nicht mehr sprechen dürften. Die
Donbass-Region, die sehr russischsprachig ist, hat sich erhoben. Aber auch die ungarische Minderheit, die eine Ausbildung in ihrer eigenen Sprache erhielt und in ihrem Anspruch von Ungarn unterstützt wurde. Die Ukrainer des Donbass forderten, dass die
Bezirke Donezk und
Luhansk einen Autonomiestatus erhalten und sie ihre Sprache wiedererlangen sollten. Diese
Präfekturen (Oblast auf Russisch) erklärten sich zu
Republiken. Dies bedeutete nicht, dass sie nach Unabhängigkeit strebten, sondern nur nach
Autonomie, wie die Republik Kalifornien in den
Vereinigten Staaten oder die
ehemaligen Republiken der
UdSSR.
2014 setzten Präsident François Hollande und Bundeskanzlerin Angela Merkel die Menschen von Kiew an einen Tisch mit denen des Donbass und handelten die
Minsker Vereinbarungen aus. Es sind Frankreich, Deutschland und Russland, die dies garantieren. Kiew hat sich immer geweigert, sie
umzusetzen, obwohl es sie
unterzeichnet hat. Stattdessen bewaffnete es
"nationalistische" Milizen und schickte sie als
Provokateure an die
Grenze des
Donbass. Alle möglichen
westlichen Extremisten kamen dann dorthin, um in der Ukraine herumzuschießen. Diese
Paramilitärs erreichten im vergangenen Monat nach Angaben der Kiewer Regierung die Zahl von
102.000. Sie bilden
ein Drittel der
ukrainischen Armee und sind in die
Territorialen Verteidigungskräfte integriert.
66.000 neue "Nationalisten" – wenn auch Ausländer – sind gerade als Verstärkung aus aller Welt anlässlich des russischen Angriffs eingetroffen.
In den acht Jahren bis zu den Minsker Vereinbarungen haben diese Paramilitärs nach Angaben der Kiewer Regierung
14.000 Menschen im Donbass getötet. Diese Zahl beinhaltet ihre eigenen Verluste, aber sie sind nicht groß. Russland hat seine eigene Untersuchungskommission eingesetzt. Sie erfasste nicht nur die Toten, sondern auch schwere Verletzungen. Sie fand 22.000 Opfer. Präsident Putin spricht in Bezug auf sie von
"Völkermord", nicht im
etymologischen Sinne der Zerstörung eines Volkes, sondern im
juristischen Sinne eines
Verbrechens, das auf Befehl der Behörden gegen eine
ethnische Gruppe begangen wird.
Hier liegt das Problem:
Die Regierung in Kiew ist nicht homogen und niemand hat eindeutig den Befehl für ein solches Massaker gegeben. Russland macht jedoch
Präsident Petro Poroschenko und seinen Nachfolger
Wolodymyr Selenskyj dafür verantwortlich. Wir sind es auch, da wir
Garanten der
Minsker Vereinbarungen sind, die aber
nie umgesetzt wurden. Ja, wir sind
mitverantwortlich für dieses Massaker.
Das Schlimmste steht noch bevor.
Am
1. Juli 2021 verkündete
Präsident Selenskyj, der die
"nationalistischen" Paramilitärs bewaffnete und sich weigerte, die Minsker Vereinbarungen umzusetzen, das
Gesetz Nr. 38 über indigene Völker [2]. Es garantiert den
Tataren und den
karäischen Juden (d.h. die den Talmud nicht anerkennen) die Ausübung ihrer Rechte, einschließlich des Rechts, ihre Sprache zu sprechen, aber
nicht den
Slawen. Diese gibt es nicht. Sie sind durch
kein Gesetz geschützt. Sie sind
Untermenschen. Es war das erste Mal seit
77 Jahren, dass auf dem
europäischen Kontinent ein
Rassengesetz verabschiedet wurde. Sie sagen sich, dass es Menschenrechtsorganisationen gibt und dass sie protestieren mussten. Aber nichts. Eine große Stille. Schlimmer noch: der Applaus von Bernard-Henri Lévy.
Dmytro Jarosch. Hinter ihm die
Flagge von
Stepan Bandera: schwarz-rot mit dem
ukrainischen Dreizack. Agent der Stay-Behind-Netzwerke der NATO.
2007 gelang ihm das Bündnis
europäischer Neonazis und
Nahöstlicher Dschihadisten gegen Russland. Er spielte eine
zentrale Rolle beim Regimewechsel 2014. Er ist jetzt
Sonderberater des Chefs der ukrainischen Streitkräfte.
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