Ich denke, es ist zunächstmal wichtig, sich sehr präzise zu vergegenwärtigen, welchen Inhalt die jeweiligen Begriffe haben, wenn man nicht in eine Falle nach der anderen tappen will.Zitat von earlybert
So setzt man oft genug "Kapitalismus" mit "Marktwirtschaft" gleich, was nur teilweise zutrifft. Das ignoriert nämlich z.B. den Begriffsapekt, der darauf verweist, dass unser marktwirtschaftliches System gegenwärtig in zunehmendem Maße nicht mehr den Austausch von Waren (gegen Geld), sondern im Zuge der Finanzspekulation den Gewinn von Geld aus Geld -ohne realen Gegenwert- darstellt, sich also zunehmend das Kapital auf sich selbst rückkoppelt und immer weniger an die tatsächlichen materiellen Werte (fabriken, Autos, kraftwerke, Geschäfte, Grundstücke, Maschinen, Nahrungsmittel einfacher wie luxurioöser Art etc) gebunden ist.
Während Marktwirtschaft zunächstmal nur beschreibt, dass Wirtschaft vollzogen wird als Produktion über den jeweiligen Subsistenzbedarf hinaus, um den Überschuss handeln zu können, wobei möglichst großer Profit erzielt werden soll. Profitmaximierung als legitimierender Selbstzweck ist zentral. Man geht dabei davon aus, dass dieses Streben nach individuellem Gewinn im Endeffekt zu den besten Resultaten für die Allgemeinheit führt, der Widerstreit der Egoismen eine Spirale immer besserer Angebote in Ganz setzt etc. Meines Erachtens können wir in unserer Gegenwart massiv beobachten, dass das nicht zutrifft [auch wenn jetzt möglicherweise wieder ein "Libertärer" oder FDP-Anhänger unsere "völlig sozialistische" Wirtschaftsweise (die nicht vorhanden ist) zum eigenlichen Problem erklären wird].
Diesem Konzept begegnen andere Ansätze in den Begriffen "Subsistenzwirtschaft" und "Planwirtschaft". Subsistenzwirtschaft beschreibt dabei eine Produktion nur für den eigenen Bedarf. Keine Überschussproduktion, kein Handel, reine Selbstversorgung, entweder rein individuell oder im in der Regel kleineren Gruppen. In der Regel steht das in Zusammenhang mit ganz überwiegend agrargesellschaftlichen Verhältnissen, da nur dort eine ausreichend große Zahl von Leuten in der Lage ist, sich selbst zu ernähren bzw die paar Nichtselbsternährer wie etwa Handwerker zu tragen.
"Planwirtschaft" wiederum bezeichnet zunächsteinmal nur, dass Wirtschaft nicht betrieben wird als etwas "selbstregulierendes" (wie es beim Markt der Fall ist), sondern dass man davon ausgeht, bezüglich Produktion und Konsum seien Absprachen, eben Planungen erforderlich, damit nicht ein Angebot sich künstlich (etwa über Werbung über Kreierung von "Trends") eine Nachfrage schaffen muss, sondern Angebote an bestehenden und erkennbaren REALEN Bedürfnissen ausgerichtet werden. Eine solche Planung verhindert selbstverständlich einen im Sinne der marktwirtschaftlichen Logik "freien" Warenaustausch.
Planwirtschaft ist nicht zwingend identisch mit staatszentralistischer Kommandowirtschaft (wie in DDR und Sowjetunion betrieben). Wirtschaft kann ebenso nach dem Subsidiartitätsprinzip geplant werden, mit der Möglichkeit, flexibel auf unerwartete Veränderungen zu reagieren und lokale Bedürfnisse besser einschätzen zu können, ohne einen korrupten Parteiapparat und Ausrichtung an den Bedürfnissen eines sich möglichst machtvoll zeigen wollenden Staates. Planwirtschaft ist auch nicht zwi´ngend sozialistisch - ein faschistischer Staat, der schön darauf achtet, ja nicht das Eigentum der Fabrikeigner anzutasten, kann ebenso Zielvorgaben machen, an denen dann die Wirtschaft ausgerichtet wird.
Sozialismus wiederum meint -im Gegensatz zu den ewigen Behauptungen von liberaler Seite- nicht einen möglichst starken und allgegenwärtigen Staat. Der KANN Bestandteil sozialistischer Konzeption sein - die sozialistische Strömung des Kommunismus sieht den als übergangsweise unumgänglich an. Dem widersprechen etwa die Anarchisten, die ihren Sozialismus gänzlich ohne Staat erreichen wollen, ja den Staat für zwingend unsozialistisch halten.
Sozialismus meint im Wesenskern Vergesellschaftung der Produktionsmittel. Verstaatlichung KANN als Weg dahin gesehen werden, das ist aber keineswegs zwingend.
Ich für meinen Teil bin Verfechter einer sozialistischen, föderalistischen Planwirtschaft, d.h. ich strebe eine Aufhebung des marktwirtschaftlichen Prinzips an, halte es für angebracht, dies durch eine auf Absprache und Planung basierende Produktions- und Konsumordnung zu ersetzen, und möchte diese ohne Staatszentralismus konzipiert wissen (der hat sich in der DDR bekanntlich als für sozialistische Zwecke infunktionabel erwiesen). D.H. die Menschen planen SELBST, nicht die politische Zentrale. Ob es möglich ist, das soweit auszuweiten, dass der Staat gänzlich überflüssig wird, wage ich nicht zu beurteilen, bisweilen scheint mir der Anarchismus da einen Tacken zu blauäugig, auszuschließen ist es andererseits aber auch nicht.
Wie ist es nun mit dem Privateigentum ansich zu halten? Die Fabrik geht über in die Verwaltung durch die Belegschaft, "gehört" also niemandem, zumindest keiner Einzelperson oder besitzenden Interessengruppe.
Aber wie ist es mit den Klamotten, die ich am Leib trage, dem Haus, in dem meine Familie vielleicht seit Generationen wohnt, Familienerbstücken von unschätzbarem ideellem Wert und dergleichen?
Eigentum ist soziale Vereinbarung, und insofern spricht meines Erachtens nichts dagegen, im Zuge der Neuvereinbarung des Eigentums im Sinne der angedachten Ordnung ein dem jeweiligen Individuum klar zuzuordnendes "Resteigentum" vorzusehen - warum auch nicht, Gegenstände von ideellem Wert etwa sind ja oft genug ohne Wert für jeden anderen.
"Mein" Haus bleibt "mein" Haus, "mein" Garten bleibt "mein" Garten - aber "mein" zig Hektar umfassender Grundbesitz fällt z.B. der örtlichen Bauernschaft anheim, die ihn auch tatsächlich bewirtschaftet.