Zitat von
Hulasebdender
Physik erforscht eine vorgegebene äußere Welt. Mathematik tut das nicht. Sie befasst sich mit logischen Schlüssen: Wenn diese und jene Bedingung erfüllt ist, was kann man daraus schließen?
Wenn sich zeigt, dass manche Bedingungen oft erfüllt sind und die Schlüsse daraus sich als nüttzlich erweisen, definieren Mathematiker einen Namen, der diese Bedingungen zusammenfasst. Auf diese Weise können sie effizienter miteinander reden: Sie sprechen von einer abelschen Gruppe und müssen nicht ausführen, dass es sich um eine Menge mit einer kommutativen assoziativen zweistelligen inneren Verknüpfung handelt, in der ein Element neutral ist und jedes Element ein Inverses hat. Oft, aber nicht zwangsläufig, nennen sie das neutrale Element „0“. Sie erforschen also nicht die Eigenschaften einer irgendwie von außen vorgegebenen 0, sondern definieren, was sie „0“ nennen. Sind auf einer Menge gleich zwei Verknüpfungen definiert und bildet sie mit jeder der beiden Verknüpfungen eine abelsche Gruppe mit der Ausnahme, dass das neutrale Element der ersten Verknüpfung kein Inverses bezüglich der zweiten Verknüpfung hat, und gilt zwischen beiden Verknüpfungen das Distributivgesetz, dann spricht man von einem Körper. Man nennt dann üblicherweise das neutrale Element der ersten Verknüpfing „0“ und das neutrale Element der zweiten Verknüpfung „1“. Sind je zwei Elemente eines Körpers in der Größe vergleichbar und ist dieser Vergleich transitiv und antisymmetrisch und verträglich mit den Rechenoperationen, dann ist der Körper geordnet. Auf solch einem geordneten Körper kann man definieren, was eine Cauchy-Folge und was eine konvergente Folge ist: Die Elemente des Körpers heißen Zahlen. Eine Cauchy-Folge ist eine Folge von Zahlen, von denen für jede beliebige noch so kleine von 0 verschiedene Zahl alle bis auf endlich viele Folgenglieder einander paarweise um weniger als diese Zahl unterscheiden. Ein Grenzwert einer Folge ist eine Zahl, von der sich für jede beliebige noch so kleine von 0 verschiedene Zahl alle bis auf endlich viele Folgenglieder um weniger als diese Zahl unterscheiden. Eine Folge ist konvergent, wenn sie einen Grenzwert hat. Und ein Körper heißt vollständig, wenn jede Cauchy-Folge konvergiert. Das ist weniger selbstverständlich, als es klingt.
Ein vollständiger geordneter Körper heißt reell, und es zeigt sich, dass man mit einfachen Mittel aus simpler Mengenlehre einen solchen reellen Körper konstruieren kann. Es zeigt sich auch, dass je zwei solche Körper einander zwangsläufig gleichen; sie sind isomorph. Die Analysis befasst sich mit den Eigenschaften eines solchen reellen Zahlkörpers, auch genannt der Körper der rellen Zahlen.
Ein Vektorraum über einem Körper ist eine abelsche Gruppe, auf der zusätzlich eine skalare Multiplikation mit Elementen des Körpers definiert ist, die wieder Vektoren ergibt und für die leicht varriert eine Art Assoziativgesetz und Distributivgesetz gelten. Vektorräume über den reellen Zahlen sind sehr gut geeignet, die physikalische Welt zu beschreiben, und das führt auch oft zu dem Missversdändnis, man könne umgekehrt aus physikalischer Anschauung auf Eigenschaften der reellen Zahlen schließen.
Im Körper der reellen Zahlen gibt es keine Zahl „0 Äpfel“ und kein „∞“. Beide Zeichen haben ihre Anwendungen an anderer Stelle, aber eben nicht als reelle Zahlen. „0 Äpfel“ ist eher eine physikalische Größe und „∞“ ist kein Wert, sondern lediglich ein Hinweis auf das Verhalten mancher Folgen und Funktionen.
Nun steht natürlich jedem frei, sich Begriffe und Objekte zu definieren, in denen Ausdrücke wie „0 Äpfel“, „∞“ oder „Spunk“ Sinn ergeben. Das ist dann allerdings ein bisschen Arbeit, und die meisten Mathematiker sehen ihre Zeit an anderer Stelle effizienter genutzt.