Die drehen durch in der Wikipedia. Die meinen sie werden von der AfD unterwandert.

Hat die deutsche Wikipedia ein AfD-Problem?
[Links nur für registrierte Nutzer]

Im Schiedsgericht der deutschen Wikipedia sitzt ein Mitglied der AfD. Kein Skandal, aber drei Mitglieder des Gremiums sind zurückgetreten. Der Fall wirft Fragen nach der Neutralität des Lexikons auf.
Wurde die deutsche Wikipedia von der AfD unterwandert? Kurzantwort: Nein, das wurde sie nicht. Eine Geschichte über Wikipedia, die der Medien-Nachrichtendienst „[Links nur für registrierte Nutzer]“ am Mittwoch veröffentlichte, ließ dennoch aufhorchen. Demnach sitzt mit dem Nutzer „Magister“ derzeit ein aktives AfD-Mitglied im Schiedsgericht von Wikipedia. Bei den ehrenamtlichen Machern der Wikipedia sorgt „Magister“ für interne Debatten.
Es gibt inzwischen weitere Rücktritte.

Das hat eine längere Geschichte: Im September hat sich ein Mitglied des Schiedsgerichts von Wikipedia in Deutschland, das unter dem Pseudonym "Magister" auftritt, dazu bekannt, dass er als Funktionär der Partei "Alternative für Deutschland" tätig sei. Daraufhin sind zunächst drei Mitglieder des Wikipedia-Schiedsgerichts aus persönlichen Gründen zurückgetreten. In der Wikipedia-Gemeinde wurde das mit Stirnrunzeln vermerkt. Es gab dann weitere Rücktritte. Und jetzt, Mitte Dezember, haben weitere Schiedsrichter ihren Rücktritt damit begründet, dass sie nicht mit einem AfD-Funktionär im Wikipedia-Schiedsgericht zusammenarbeiten wollen. Da läuft gerade eine sehr emotionale Diskussion. Und da geht es auch um Vorwürfe, Schiedsrichter "Magister" habe Einfluss auf die politische Ausrichtung von Wikipedia-Artikel genommen?
[Links nur für registrierte Nutzer]

Im wesentlichen drei Dinge: Er habe einen Artikel-Autor, der unter dem Pseudonym "PimboliDD" auftritt, geschützt und unterstützt. PimboliDD hatte eine Flut von Artikeln über die Wehrmacht, nationalsozialistische Themen und generell Militärdinge in Wikipedia eingebracht, die sehr umstritten waren und sind. Die Kritik an diesen Artikeln von PimboliDD lautete: "Inhaltlich mangelhaft", "unkritische Zitate von NS-Literatur", "oberflächliche Heldenverehrung", "Extensive Verwendung von NS-Symbolen" in seinen Artikeln. Das hat letztlich dazu geführt, dass der Autor PimboliD gesperrt wurde für die weitere Mitarbeit an Wikipedia. Und Magister wird jetzt vorgeworfen, diese ideologisch einseitige Artikel-Arbeit von Pimboli lange Zeit unterstützt zu haben.
Da geht es um Artikel von Magister selbst. Zum Beispiel über seine Beiträge zu den Litauerkriegen des Deutschen Ordens. Da wird ihm ideologische Einseitigkeit vorgeworfen. Und damit hat auch der dritte Vorwurf zu tun. "Magister" hat nämlich die Wikipedia-Standards für Quellennachweise kritisiert, wollte die verändern. Da ging es um sogenannte "graue Literatur" im NS-Umfeld.
Das Wikipedia-Schiedsgericht ist nach den Rücktritten nicht mehr arbeitsfähig. Im Mai muss neu gewählt werden. Und diese Wahl wird durch den Streit um die Ausrichtung von Wikipedia bestimmt. Dieser Streit wird von mehreren Diskussionen bestimmt, die sich teilweise überlagern.
Die Wikipedia ist bestimmt nicht neutral und ganz bestimmt nicht rechtslastig.

Magister gab auch ein Interview.

Gábor Paál: Der Form halber schließe ich dennoch die zweite Frage an, ob Sie - nachdem Sie ja mit Jortzik zumindest in Kontakt stehen - aus Ihrer Kenntnis die Identität des gleichnamigen Buchautors mit dem AfD-Vorstandsmitglied bestätigen können.

MAGISTER: Darf ich Ihnen eine persönliche Frage stellen?


Gábor Paál: Im Anschluss an das Interview gerne. Aber es ist nun mal so: In einem Interview stellen die Journalisten die Fragen.


MAGISTER: Gut, ich realisierte diesen Schriftwechsel nicht als Interview. Sorry. Ich weiß nicht, inwieweit eine Querverbindung vom Buchautor zum AfD-Funktionär die brennenden Fragen der deutschsprachigen Wikipedia tangiert.
[Links nur für registrierte Nutzer]

Gábor Paál: In Ordnung. Dann würde ich gerne wissen: Warum haben Sie sich überhaupt als in der AfD aktiv zu erkennen geben?

MAGISTER: Eigentlich aus dem Affekt heraus. Ich konnte als realistisch denkender Mensch nicht im Vorfeld erkennen, inwieweit eine solche Polarisierung innerhalb einer kollegialen Gemeinschaft fortgeschritten ist. Ich persönlich glaube, mit der Mitgliedschaft in der AfD das Richtige zu tun, billige aber gleichzeitig meinen Mitmenschen ihre persönliche Meinung zu. Eine Mitgliedschaft eines Kollegen in einer antagonistischen politischen Vereinigung wäre für mich persönlich kein Grund, sinngemäß die Flinte ins Korn zu werfen.


Gábor Paál: Einer Ihrer ehemaligen Kollegen im Schiedsgericht begründete seinen Rücktritt auch nicht damit, dass er nicht mit einem AfD-Mitglied zusammen arbeiten wolle, sondern damit, dass - indem das nun öffentlich wurde - das Schiedsgericht nicht mehr unbefangen arbeiten könne, sondern von nun an fortwährend unter Beobachtung stünde. Unabhängig davon, dass das Schiedsgericht derzeit ohnehin nicht beschlussfähig ist - ist diese grundsätzliche Sorge nicht berechtigt?


MAGISTER: Wie genannter Kollege denkt, ist mit seinem Rücktritt irrelevant. Er hat mit diesem Schritt sein Verständnis zu Toleranz und politischem Pluralismus unterstrichen. Das SG stand immer im kritischen Focus der Community. In der Vergangenheit haben viele Kollegen, so auch ich, stets nach bestem Gewissen im Sinne der Community zu entscheiden gesucht. Manche Entscheidungen sind uns gelungen, andere erwiesen sich als nicht so optimal. Druck ist das Gremium gewohnt, da es bis 12/16 als Einheit handelte. Mit den politisch motivierten Rücktritten ist das vorerst vorbei. Aber ich denke, die Instanz Schiedsgericht wird sich auch von dieser Zäsur erholen, so die Community eine solche Instanz weiterhin für zweckmäßig erachtet.
Das ist etwas merkwürdig. Mit den Reaktionen hätte er eigentlich rechnen müssen.