Teil II:
Nein. Was ich Homöopathen vorwerfe, sind aber nicht die Placebos, die sie verordnen, sondern ihr gläubiges Festhalten an wissenschaftlich unhaltbaren Ideen. Dass sich die Homöopathie bei uns überhaupt halten konnte - in den USA ist sie fast bedeutungslos -, das verdankt sie dem Multiplikationsfaktor Patient, der es honoriert, dass hier der Mensch, und nicht die Krankheit behandelt wird. Denn der Körper heilt sich in einem hohem Maß selber. Hauptsache, er wird irgendwie behandelt, und man glaubt daran. Die homöopathischen Heilkünstler heilen, aber ihre Arzneimittel sind wirkungslose Scheinmedikamente. Das Paradoxe daran: Patient und Therapeut erliegen dabei gleichermaßen der Illusion, dass die Behandlung wirksam sei!
"Was haben Sie eigentlich gegen Homöopathie?"
Als Placebo-Behandlung, von einem erfahrenen Arzt eingesetzt: Nichts. Als hochspezifische Behandlungsmethode, für die sie sich ausgibt, halte ich sie für Unsinn, so lange eine Wirkung über Placebo-Effekte hinaus ist nicht glaubhaft nachgewiesen ist. Und wenn ein Arzt zusätzlich "alternative" Medizin praktiziert, besteht die Gefahr, dass Patienten beides verwechseln und gleichermaßen für seriös halten. Es gibt Ärzte, die auf Wunsch homöopathische Mittel verschreiben, zur Sicherheit aber - oft ohne Wissen der Patienten! - zusätzlich noch ein Antibiotikum. Was Wunder, dass die Besserung dann auf die Homöopathie zurückgeführt wird ... Es heißt: "Je stärker potenziert (verdünnt), desto wirksamer!" Dabei haben homöopathische Arzneimittel, die stärker verdünnt sind als die Potenz D6, pharmakologisch keinerlei spezifische Wirkung mehr! Übrigens: In den Lösungsmitteln, mit denen man beim "Potenzieren" verdünnt, kommen in Spuren fast alle wichtigen, natürlichen Elemente vor. Woher "weiß" denn das Heilmittel, dass nur es allein potenziert werden soll? Solche unbelegten Behauptungen über das Potenzieren sind eine intellektuelle Zumutung. Viele Homöopathen haben keine fundierte medizinische Ausbildung. Früher nannte man das, was sie tun, "Kurpfuscherei". Heute spricht man von sanfter Medizin, von Komplementär- oder Alternativmedizin: als ginge es hier um Verfahren mit speziellen, natürlich-biologischen Merkmalen, die in der "verstaubten Schulmedizin" nicht vorhanden seien. Und die Patienten bekommen oft eingängige Denkstrukturen vorgesetzt: "Du bist krank, weil du Antibiotika geschluckt hast ... weil dein Körper innerlich vergiftet ist ... weil dein Handy dich bestrahlt!" Angesichts der Tatsache, dass allein die Angst vor angeblichen Gefahren krank machen kann, halte ich es ethisch für höchst unverantwortlich, Angst vor irgendwelchen Gefahren zu schüren, solange man sich nicht auf unvoreingenommen durchgeführte, objektive Untersuchungen berufen kann, die solche Behauptungen glaubwürdig belegen. Homöopathie ist keine Wissenschaft, sondern Glaubenssache. Ihr Ähnlichkeitsprinzip ist dem in Naturvölkern verbreiteten Analogiezauber verwandt, und so sind Homöopathen - ohne dies selbst zu wissen - die Medizinmänner und Schamanen unserer Zeit.
Literatur:
Brown W A: Der Placebo-Effekt. Spektrum der Wissenschaft, März 3/ 1998 S. 68-74 (1998)
Hahnemann S: Organon der Heilkunst. 4. Nachdruck der 6. Auflage (1999)
Hopff W: Homöopathie - kritisch betrachtet. Thieme, Stuttgart (1991)
Lambeck L: Eine Revolution der Physik? Skeptiker 14:117-122 (2001)
Oepen I, Schaffrath B: Homöopathie heute. Skeptiker 2/91, 38-43 (1991)
Prokop O: Homöopathie. Was leistet sie wirklich? Ullstein, Frankfurt (1995)
Schäfer A Th: Ein misslungener Nachweisversuch homöopathischer Wirkprinzipien. Skeptiker 1/95, 15-19 (1995)
Strubelt O, Claussen M: Ist Homöopathie mehr als Plazebo? Skeptiker 1&2/1999, 40-43 (1999)
Windeler J: Sind homöopathische Mittel besser als Plazebo? Skeptiker 4/2000, 202-203 (2000)
Wolf R, Windeler J: Erfolge der Homöopathie - nichts als Placebo-Effekte und Selbsttäuschung? Chancen und Risiken der Außenseitermedizin. In: Skeptisches Jahrbuch (Shermer M, Traynor L, Eds). Alibri, Aschaffenburg 110-144 (2000)