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Thema: Herbst 89 - Bundeswehr.

  1. #1
    White Charger Benutzerbild von Bergischer Löwe
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    Standard Herbst 89 - Bundeswehr.

    Auf Anregung des verehrten users sunbeam, sowie aufgrund der langen Zeit, die zwischen dem beschriebenen Zeitraum und heute liegt und meiner "Ausmusterung" vor einigen Jahren, möchte ich nun ein wenig berichten, über die Vorgänge bei uns in der Marine während der aufregenden Zeit im Herbst 89 passierten. Der geneigte Leser möge mir verzeihen, wenn ich nicht im Detail auf die Technik, die wir verwendeten eingehen kann, da ich (unverständlicherweise) von Geheimhaltungspflichten, die in meinem Fall bis "NATO-Top Secret" (also die zweithöchste militärische Geheimhaltungsstufe der NATO, darüber gibt's nur noch "Cosmic-Top Secret") reichte, ausdrücklich nicht entbunden wurde.

    Ich werde also keine Details über Reichweiten, Krypto Verfahren oder Fähigkeiten der von mir und anderen bedienten Installationen an Bord kundtun. Aber es ist auch so genug passiert.

    Im Hochsommer 89 kam ich als blutjunger Matrose und nach erfolgter Grundausbildung mit inkludiertem ersten Teil der fachlichen Bord-Spezialausbildung aus der Marinefernmeldeschule Eckernförde in die Marinefernmeldeschule Flensburg-Mürwik. Gleich neben der "Burg", also der Marineoffiziersschule, und oberhalb des Marinestützpunktes Flensburg. Ich absolvierte im Juli den fachlichen Teil meiner Ausbildung und schloss ihn mit Prüfungsnote "Gut" ab. Fächer waren: optisches Fernmeldeverfahren (Lichtmorsen und Flaggen), Sprechfunkverfahren, Krypto, Englisch. Zum ersten August war ich ausgebildeter Seemann der Verwendungsreihe 27 (Signal). Eine vergleichsweise anspruchsvolle Ausbildung mit einem Abiturientenanteil von über 90%.

    Wir durften drei Wunsch-Bordkommandos äußern. Ich wollte unbedingt auf ein U-Boot. Zweitwunsch war Minensucher in Wilhelmshaven. Drittwunsch war das ominöse Flottendienstgeschwader, das in Flensburg lag und wir von unseren Räumlichkeiten sehen konnten. Drei flammneue Schiffe, die weiträumig abgesperrt waren und - im Gegensatz zu ihren Geschwaderschwestern den U-Jagd-Korvetten - nicht besichtigt werden konnten. Zutritt zur Pier war strengstens verboten.

    Eines Tages hieß es: "Die Kommandos sind raus. Hängen am schwarzen Brett." Alles stürmte hin und ich las hinter meinem Namen: Flottendienstboot "Oker". Ein AGI. Kurz für "Auxiliary German Intelligence". Hmm. Dachte ich. Also Flensburg. Immer Alleinfahrer - also nicht viel zu tun für mich als Signäler. Leichtes Leben. Zivilschiffstandard. Also auch noch komfortabel. Mit Sauna, Fitnessraum. Baujahr 88. Also damals wirklich brandneu. Viel vorstellen unter einem AGI konnte ich mir damals nicht. Meine Kameraden lachten: "Schnüffelschiff" hießen die drei AGI`s im Marinejargon.

    Das war sie:

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    Fortsetzung (Bordleben) folgt.

  2. #2
    White Charger Benutzerbild von Bergischer Löwe
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    Standard AW: Herbst 89 - Bundeswehr.

    Nun begann das Bordleben für mich. Zurechtfinden, eingewöhnen, die erste (kurze) Seefahrt von ein Paar Tagen. Alles gut. Und ich lernte, was ein AGI ist und tut. Unser übliches Operationsgebiet war das Seegebiet von der Danziger Bucht über Nord-Ostpreußen, Baltisk (die große sowjetische Flottenbasis) bis hoch vor Leningrad. Dazu kamen gelegentliche Fahrten vor die Halbinsel Kola. Murmansk also. Das Boot war tatsächlich sehr komfortabel, praktisch unbewaffnet und hatte zwei Besatzungen. Eine seemännische und eine Besatzung, die nur zu Einsätzen eingeschifft wurde. Ab Oberbootsmann aufwärts. Viel Gold und Lametta. Die saßen abgeschirmt im großen Aufklärungsraum hinter der Brücke. Von den Seeleuten durfte diesen Raum nur betreten, wer mindestens bis NATO „Secret“ eingestuft war.

    Ich hatte diese Einstufung bereits durch die Ausbildung als 27er, wurde aber noch einmal von drei Herren befragt, die eines Tages an Bord kamen, Kapitän zur See - Uniform trugen - aber ohne jegliche Hinweise auf Herkunft, Tätigkeit oder gar ein Namensschild. Die wussten alles über mich. Alles. Bis hin zu entfernten Freunden in der DDR. Und wann ich das letzte Mal dort gewesen bin. Offenbar empfanden sie mich als „sauber“ und einige Tage später bekam ich die „Top Secret“ Einstufung, die für mich bis zum heutigen Tage gilt.

    Wozu hatte ich diese Einstufung? Ich war an Bord für das Funkbuch, die tägliche Funkverschlüsselungsroutine zuständig. Dazu hätte aber auch die ursprüngliche Einstufung gereicht. Die Aufklärer, mit ihren hochgeheimen Erkenntnissen, hatten ihren eigenen Fernmeldebereich. Also auch dafür nicht. Ich erfuhr es dann: Irgendjemand muss ja die Arbeitsplätze der Aufklärer (die meisten waren Offiziere) saubermachen. Dafür bekam ich dann tatsächlich diese Einstufung, um den Raum überhaupt betreten zu dürfen. Zwei andere Fernmelder bekamen auch diese Einstufung. Sie mussten Pantry machen (Kaffee, Essen & Co.) in diesen Raum bringen. Der Raum war immer bewacht. Niemand Unbefugtes kam am Posten vorbei, der das Schott 24/7 bewachte.

    Überwiegend lagen wir im Hafen und warteten unsere beiden Schwesterschiffe abzulösen. Es war immer ein deutscher Aufklärer im Seegebiet. Wir maßen mit unseren Sensoren die Fähigkeiten der Russen, überwachten ihren Sprechfunkverkehr und dienten quasi als schwimmende Command Unit. Unsere Befehle kamen direkt vom Geheimdienstkoordinator im Kanzleramt. Wir liefen immer nachts aus und hatten ansonsten vollkommenes Stillschweigen über unsere Tätigkeiten zu halten. Die Crew war klein, die Offiziere ok, das Schiff bot uns allen Komfort, den man als Soldat erwarten konnte. Dann begann es ungemütlich zu werden. Und zwar als wir im Fernsehen zusahen, wie rund um den Zug der DDR Flüchtlinge aus Prag Unruhen entstanden und die Montagdemonstrationen immer größer wurden.

    Fortsetzung folgt.

  3. #3
    Last Line Of Defense Benutzerbild von sunbeam
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    Standard AW: Herbst 89 - Bundeswehr.

    When the night is done the sun starts smiling
    The ocean kisses the sky and the horizon

    It‘s a lovelee dae – and the sun is shining
    Everywhere I go – I see children smilin‘

  4. #4
    Mitglied Benutzerbild von Klopperhorst
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    Standard AW: Herbst 89 - Bundeswehr.

    Ich war einmal auf einem U-Boot in Neustadt. War schon eine andere Nummer, als in der Kaserne zu hocken. Dort gabs keine Freizeit.

    ---
    "Groß ist die Wahrheit, und sie behält den Sieg" (3. Esra)

  5. #5
    .. das Beste am Norden .. Benutzerbild von Politikqualle
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    Standard AW: Herbst 89 - Bundeswehr.

    Zitat Zitat von Klopperhorst Beitrag anzeigen
    Ich war einmal auf einem U-Boot in Neustadt. ---
    .. während der Bundeswehrzeit ? oder als Besucher ?
    .. das Beste am Norden .. sind die Quallen ..... >>>>>> ... werde Deutschlandretter und wähle AfD ..


  6. #6
    Mitglied Benutzerbild von Klopperhorst
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    Standard AW: Herbst 89 - Bundeswehr.

    Zitat Zitat von Politikqualle Beitrag anzeigen
    .. während der Bundeswehrzeit ? oder als Besucher ?
    Während der Bundeswehrzeit, mit einem Vorgesetzten.

    ---
    "Groß ist die Wahrheit, und sie behält den Sieg" (3. Esra)

  7. #7
    Foren-Veteran Benutzerbild von luis_m
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    Standard AW: Herbst 89 - Bundeswehr.

    "Marinefernmeldeschule Eckernförde"?
    Ich kenne das 1. Mausbatl. in Karlshöhe, wurde das umbenannt oder war die Schule unten bei der MUWS neu gebaut worden?

  8. #8
    OWNER IS ARMED! Benutzerbild von Jodlerkönig
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    Standard AW: Herbst 89 - Bundeswehr.

    Zitat Zitat von Bergischer Löwe Beitrag anzeigen


    Im Hochsommer 89 kam ich als blutjunger Matrose
    hätte das nicht richtigerweise anders geschrieben werden sollen?

    Im Hochsommer 89 kam ich als blutjunger, verdammt gutaussehender , gestählter frauengott und Matrose und nach erfolgter Grundausbildung ..
    <a href=https://pbs.twimg.com/profile_images/800424998842335236/M5yqXJ_m_reasonably_small.jpg target=_blank>https://pbs.twimg.com/profile_images...ably_small.jpg</a>
    „Zuerst ignorieren sie dich, dann lachen sie über dich, dann bekämpfen sie dich und dann gewinnst du.“
    Mahatma Gandhi

  9. #9
    White Charger Benutzerbild von Bergischer Löwe
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    Standard AW: Herbst 89 - Bundeswehr.

    Zitat Zitat von luis_m Beitrag anzeigen
    "Marinefernmeldeschule Eckernförde"?
    Ich kenne das 1. Mausbatl. in Karlshöhe, wurde das umbenannt oder war die Schule unten bei der MUWS neu gebaut worden?
    Nein, das war Karlshöhe. Wenn man reinkam, war da eine riesige uralte Allee. Unten am Hafen war tatsächlich nur die MUWS. Karlshöhe war ja geteilt. Links wir - Rechts die FlaRak Kaserne. Bei uns waren auch noch die Kampfschwimmer untergebracht. Wilde Gesellen.

  10. #10
    White Charger Benutzerbild von Bergischer Löwe
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    Standard AW: Herbst 89 - Bundeswehr.

    Zitat Zitat von Jodlerkönig Beitrag anzeigen
    hätte das nicht richtigerweise anders geschrieben werden sollen?


    Ich war noch ein Kind. Frisch vom Gymnasium in einem schlecht sitzenden Kulani und einer riesigen Tellermütze. Der gestählte Seemann wurde ich erst an Bord. Und im kleinen aber feinen Rotlichtviertel von Flensburg im "Samson-Gang".

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