An einem Baum hängen 15 Äpfel. Malte holt sich einen runter. Wie viele Äpfel hängen jetzt am Baum?
Das hatte ich zum Glück nie. Oder - werde es wohl auch nie haben-/verlieren.
Es gibt allerdings auch in dieser Richtung etwas, das mir anscheinend ewig nachschleicht.
Es geht um eine profane Trennung. Ich hatte nach 10 Jahren die ganze Kiste an die Wand gefahren und wollte ihr eigentlich bis heute irgendwann einmal meine Motive erklären.
Gibt immer Dinge ... das fröhliche Gesicht meiner Mutter beim Essen und ihr Satz "Das Leben kann so schön sein.". Das verblasst erstmal alles, wenn du ihr hilflos beim Sterben zusehen musst. Dinge brauchen Zeit.
Materielle Dinge sind es komischerweise nicht mehr so ... ich musste zu viel davon abgeben oder zerstampfen, um zu dem Denken zu kommen. Aber ich kann das nachvollziehen.
Man sagt ja Alkohol verändert dein Leben-Ich sauf nun schon so lange und warte noch immer auf Veränderung
Ja. Einige Sachen, und Menschen sowieso.
Ich erzaehl mal ein bisschen, es werden genuegend Leute lachen und Morgan fuer bescheuert halten, aber Dein Thema finde ich schoen.
Meine Mutter hatte eine Bratpfanne, die ich vermisse. Klingt sehr albern, weiss ich.
Ich habe meine gefuehlte halbe Jugend damit verbracht, meiner Mutter (1949-2006) beim Kochen zuzugucken. Ich wuerde ketzerisch behaupten, meine Mutter war kein ganz grossartiger Koch vor dem Herren, aber ein doch ziemlich guter, und vor allem ein begeisterter. Hat immer neue Sachen ausprobiert, und die bewaehrten wirklich gut gekonnt (Schweinebraten, Spargelsuppe, Gruenkohl, sowas halt). War viele Jahre in einem Kochclub, der aus vier Ehepaaren oder so bestand, und hat immer zu ihrem Geburtstag ein ein Riesen-Gruehnkohl-essen fuer 20+ Leute veranstaltet. Uberdurchschnittlicher Hobbykoch, so die Ecke.
Ich weiss nicht, was ich gemacht habe, als ich kleiner war, aber eine dominante Erinnerung ist, dass ich ab einem gewissen Alter (oder einer gewissen Laenge) neben dem Herd auf der Arbeitsplatte sass und ihr stundenlang beim Kochen zugeguckt habe. Ich habe gelernt, wie man Sossen andickt (und welche Methode fuer welche Sosse) und abschmeckt, wie man verlorene Eier macht, solche basics und eigentlich einfach nur generell zugeguckt und mit ihr geredet.
Seltener habe ich geholfen (schnippeln und so), aber eher wenig, weil meine Mutter ein furchtbarer Alleinherrscher und Diktator in der Kueche war. Sie war grossartig zum Reden, wenn man in seiner Ecke auf der Arbeitsplatte sass (bei der Kaffeemaschine), aber wenn man helfen wollte, war die einzige Kommunikation ein sehr harsches Bellen -- also lieber aus dem Weg bleiben und zugucken.
Nun kocht man nicht wirklich viel, wenn man das erste Mal zuhause auszieht. Ich jedenfalls nicht, ich war Student und hab mein Geld lieber fuer wichtiger Sachen ausgegeben als Zutaten -- Buecher und Bier und Konzerte, wie jeder. Und so weiter und so fort; richtig angefangen zu kochen habe ich eigentlich erst, als ein richtiges Einkommen da war. Und da ging meine Mutter mit recht strammen Schritten aufs Ende zu.
Langer Rede, kurzer Sinn. Meine Mutter hatte eine winzige Bratpfanne.
Die wurde hauptsaechlich zum Schmelzen von Butter benutzt, und wenn man Paniermehl anfrittierte (in Butter), um es ueber Gemuese zu tun.
Vielleicht 15cm Durchmesser (max), gusseisern, Milka-lila, mit einem unverschaemt langen Griff.
Als meine Mutter starb, war ich weit weg und hatte gerade erst angefangen, wirklich selber zu kochen (s.o.). Insofern war die kleine Pfanne nicht wirklich auf meinem Radar.
Mein Vater verkaufte ein paar Jahre spaeter das Haus und es wurde gemeinschaftlich sortiert und ausgemistet, aber die Pfanne war immer noch nicht auf meinem Radar.
Und jetzt ist sie weg.
Und ich haette so gerne die kleine quietsch-lila Pfanne. Nicht, weil ich sie brauche, ich habe mehr als genug, in allen Groessen und Materialien. Aber ich haette so gerne die eine Pfanne.
Und jetzt trinke ich ein Glass Wein und weine ein wenig.
Schoener Strang.
"Die beiden Gelehrten Gabundus und Terentius diskutierten 14 Tage und 14 Nächte
lang über den Vokativ von Ego. Am Ende griffen sie zu den Waffen."
Umberto Eco
Ich bin hier. Und heule, wenn ich an meinen Frottee-Teddybaeren denke. Aber das ist eine andere Geschichte. Nicht minder herzzerreissend fuer mich, aber eine andere Geschichte.
Und lenkt mich von der bloeden Bratpfanne ab.
Geändert von MorganLeFay (26.04.2016 um 00:21 Uhr)
Manche Dinge sind unwiderbringlich hin, so wie das Internat, in dem ich fünf Jahre verbracht habe und dem ich in Haßliebe verbunden geblieben bin. Doch die Schule wurde später geschlossen und alle Gebäude um die Jahrtausendwende abgerissen. Nur noch eine grüne Hügelkuppe ist geblieben, nichts erinnert mehr an den Bau und die Menschen, die dort gelebt gaben.
Anderes dagegen kehrt manchmal wieder. Dazu eine Geschichte:
Mein Großvater war ein preußischer Offizier, kämpfte im 1. Weltkrieg und im 2. auch und überlebte beide Ereignisse unversehrt und ordenbedeckt. 1945 mußte die Familie auf Einladung der Russen das Gut in der hinterpommerschen Heimat verlassen, während er in amerikanischer Gefangenschaft saß. Dann, entlassen, der Heimat und aller Herrlichkeiten des einstigen Adelslebens beraubt (das vor allem in harter landwirtschaftlicher Arbet bestand), fing er ganz von unten wieder an. Er trug "Wild und Hund" aus, bastelte aus bemalten Tannenzapfen Weihnachtsmänner zum Verkauf und tat und ertrug auch sonst viele Dinge, die den einstigen Generalstabsoffizier hart angekommen sein müssen.
Aber nie, nicht ein einziges Mal, habe ich von ihm auch nur ein Wort der Klage gehört, nicht über den Verlust der Heimat, nicht über die im Kriege gebliebenen zwei Söhne. Er biß die Zähne zusammen und tat seine Pflicht und schuf seiner Frau und seinen drei überlebenden Kindern im rheinischen Westen, wohin sie die Flucht schlußendlich verschlagen hattte, ein neues Zuhause. 1952 konnte er schon wieder ein Haus kaufen, zehn Jahre später folgte ein zweites, größer noch als das vorherige.
Er war ein einfacher Mann; einfach in dem Sinne, daß er keinen Sinn für intellektuelles Origami oder den Weltschmerz wohlstandsverwöhnter Berufssöhne besaß. Auch blieb ihm deshalb der im Rheinland übliche Gefühlsüberschwang immer rätselhaft; der lauten Deklamation zog er immer die stille, aber anhaltende Freude vor.
Zuverlässigkeit, Treue, Ehre, Loyalität, von großer Sparsamkeit und noch größerer Großzügigkeit, so war ihm einer, wenn nicht der wichtigste Leiststern in seinem Leben neben dem christlichen Glauben die Gestalt des Alten Fritzen. Der Preußenkönig war ihm sein ganzes Leben lang ein verehrtes Vorbild, auch mein Großvater lebte immer nach dem Motto "mehr sein als scheinen".
Zu seinem 90. Geburtstag schenkte ich ihm zwei Bücher, die Friedrich der Große geschrieben hatte, die "Geschichte meiner Zeit" und die "Geschichte des Hauses Hohenzollern". Er war davon seltsam gerührt. "Die anderen", meinte er betrübt in einem Moment, in dem wir allein miteinander waren, "die anderen schenken mir nur noch Freßkörbe und Getränke, weil sie glauben, längerfristige Investitionen lohnen sich bei mir jetzt nicht mehr".
Auf seinem Schreibtisch stand eine kleine Figur, die Nachbildung eines Denkmals für den großen Preußenkönig, beinah das einzige sichtbare Zeichen für dessen Verehrung. Und als mein Großvater ans Sterben kam, da wollte ich von ihm zur Erinnerung nichts als ebenjene kleine Statuette des Alten Fritzen. Denn, wie ich gestehen muß, auch ich hege eine unbefangene Bewunderung für den großen König, und die Figur hätte dem genauso Ausdruck verleihen wie sie mich auch als bleibendes Andenken an meinen Großvater durchs Leben begleiten können.
Doch des Großvaters Sohn und zugleich mein Onkel nahm die kleine, wohl um 1900 aus Gußeisen gefertigte Figur an sich und erklärte mir kühl, die sei nicht für mich bestimmt, ich hätte zu warten. Und all die Jahre wurmte mich das und machte mich traurig, daß der Onkel, hochvermögend und Stütze der Gesellschaft, sich hier so kleinlich zeigte und Großvaters Figur an sich nahm - nicht, auf daß sie etwa seinen Schreibtisch ziere, sondern nur sein Eigentum sei.
Und nun, 32 Jahre später, nachdem sich auch der Onkel zu seinen Vätern versammelt hat, bin ich zur Tante, seiner Witwe, gegangen und habe ihr die Geschichte erzählt. Und sie wunderte sich und meinte, das verstehe sie nicht, daß der Onkel - ihr Mann - mir dieses mir so teure Erinnerungsstück so lange vorenthalten habe. Und gab mir die Statue zu meiner großen Freude. Jetzt steht der Alte Fritz, gußeisern und bis heute unbeschädigt, auf meinem Schreibtisch, um mir Tugenden des Menschen genauso wie seine Fehlerhaftgkeiten im Gedächtnis zu halten.
"Die beiden Gelehrten Gabundus und Terentius diskutierten 14 Tage und 14 Nächte
lang über den Vokativ von Ego. Am Ende griffen sie zu den Waffen."
Umberto Eco
was für ein schöner Strang!!!
Ich vermisse auch etwas, eigentlich zwei Dinge. Zum einen meinen Teddy. Den bekam ich zu meiner Geburt geschenk und habe ihn heiss und innig geliebt. Er war so abgeknuddelt, dass meine Oma ihm schon mal die Hände und Füsse neu bezogen hatte. Diesen Bären habe ich sogar vor meinen Kindern versteckt. Und dann ging er bei einem Umzug verloren.
Ich hab ihm Jahre hinterher getrauert, bis mein Mann sagte, wir gucken mal, ob wir so einen wieder finden. Wir waren in vielen Geschäften, meinen Bären suchen, aber keiner hatte das richtige Gesicht. Er hatte irgendwie besondere Augen, die freundlich und böse guckten, je nach dem, wie man das Fell kämmte.
Mehr um meinem Mann einen Gefallen zu tun, habe ich mich dann für einen Ersatzären entschieden, der jetzt in der Ecke steht und mich an meinen alten Tommi erinnert. Aber es ist nicht mein Bär.
Dieser hier war es, doch auch wenn ich das Geld hätte, ihn kaufen zu können (Schätzwert 2400€), wäre es doch nicht der Richtige
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Wunderschön!
Ich habe auch einen Teddy zu meiner Geburt bekommen. Von dem Chef meines Vaters...Sobald ich alt genug war trug ich ihn mit rum. Ich habe ihn als Erwachsene zu einem Puppendoktor gebracht, der ihn gründlich überholte. Er war total mit Penaten Creme verschmiert, weil ich ihn immer "wickelte" als meine Mutter meine Zwillingsbrüder wickelte. Durch Umzüge ist er verschütt..ich habe eine Vermutung wo er sein könnte. Eine meiner Töchter schenkt mir zu jedem Anlass einen neuen Teddy...aber mein alter Teddy ist hier irgendwo in den Kisten im Keller...manchmal denke ich daran endlich mal meine Kisten auszuräumen...denn die neuen Teddys sind ja nicht "Er".
Ohne Wahrheit gibt es keine Freiheit.
"Ich glaube, ich bin jetzt in einem Alter, in dem ich Leute von Anfang an doof finden darf. Ich habe ja nicht ewig Zeit."
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