Was dann wohl passiert?Nah ja, letzteres glaubt aber wohl nur er selber.Das Ende des weißen Amerikas
Der Anteil der Asiaten und Hispanics an der Bevölkerung der USA wächst. 2060 sollen nur noch 44 Prozent der Einwohner weiß sein. Dieser Wandel wird das Land verändern - nicht nur politisch.
Makdes Hailu erinnert sich noch an den Moment, als sie sich wie eine Fremde vorkam in der Highschool Bethesda-Chevy Chase (B-CC) am Rande Washingtons. Die schwarze Schülerin hatte gerade einen der begehrten Plätze im akademischen Team bekommen. Und dann hörte sie zufällig die abfälligen Bemerkungen einer Schulkameradin, die meinte, sie habe den Platz nur bekommen, weil sie schwarz sei.
"In diesem Moment fühlte ich mich so verletzt", erzählt Makdes in einem von Schülern gedrehten Video, welches das Problem von [Links nur für registrierte Nutzer] wie Schwarzen und Hispanics an der mehrheitlich weißen Schule thematisiert. "Für den ganzen Rest des Jahres hatte ich das Gefühl, jeder würde mich nur als das Mädchen ansehen, das es ins Team geschafft hatte, weil sie schwarz war und nicht wegen ihrer Leistungen."
Die B-CC-Highschool in Maryland gilt als vielfältige und tolerante Schule. Und doch offenbarte das von der Schulleitung unterstützte Videoprojekt, dass viele aus Minderheiten stammende Schüler sich auch hier diskriminiert fühlen. Der Film unter dem Titel "Auch ich bin B-CC" wirbt um Verständnis für die Perspektive anderer, für schwarze oder hispanische Schüler, die das Gefühl haben, nicht in die weiße Mehrheitskultur der Schule zu passen.
Für Maryland ist es von elementarer Bedeutung, dass das gedeihliche Miteinander der verschiedenen ethnischen Gruppen früh thematisiert und eingeübt wird: Der Staat an der Ostküste wird zusammen mit Nevada in den kommenden fünf Jahren zu jener bisher vier Bundesstaaten umfassenden Gruppe von Staaten (Kalifornien, Hawaii, New Mexiko und Texas) hinzustoßen, in der Weiße in der Minderheit sind.
Die Babyboomer haben uns zu einem toleranteren Land gemacht
Karlyn Bowman
American Enterprise Institute
Denn Amerika befindet sich gerade in einem rasanten demografischen Umwälzungsprozess. "Das Maß an rassisch-ethnischer Transformation in den Vereinigten Staaten ist verblüffend", schreiben die Autoren einer neuen Studie zum Thema. "Im Jahr 1980 war die Bevölkerung der USA zu 80 Prozent weiß. Heute ist dieser Anteil auf 63 Prozent zurückgegangen, und im Jahr 2060 wird er Hochrechnungen zufolge auf weniger als 44 Prozent fallen." Was die Studie "States of Change" beschreibt, ist der Abschied vom weißen Amerika. 250 Jahre nach dem Beginn der Rebellion gegen die britische Herrschaft brechen die Amerikaner erneut in eine ungewisse Zukunft auf.
"Was da abläuft, ist wie ein natürliches Experiment", sagt Karlyn Bowman, die für das konservative American Enterprise Institute an dem Bericht mitgearbeitet hat, der gemeinsam mit dem linksliberalen Thinktank Brookings und dem linken Center for American Progress erstellt wurde. Auch wegen dieser Transformation durchlaufe Amerika gerade eine Periode demokratischer Turbulenzen, sagt Bowman. Aber letztlich sei sie zuversichtlich, was die Zukunft des Landes anbelange. Schließlich habe man schon ganz andere Probleme gemeistert.
"Man denke nur an die GI-Generation, eine sehr große Gruppe, die aus dem Zweiten Weltkrieg zurückkehrte. Der Kongress hat damals das GI-Gesetz verabschiedet, das ihnen die Chance auf höhere Bildung ermöglichte. Das wiederum führte dazu, dass sie in die Vorstädte ziehen konnten, was zur Errichtung des Interstate-Straßennetzes geführt hat." Auch die langsam in Rente gehende Babyboomer-Generation habe das Land politisch, kulturell und wirtschaftlich verändert. "Die [Links nur für registrierte Nutzer] haben uns zu einem toleranteren Land gemacht", sagt Bowman. Und sie haben damit die kulturelle Grundlage geliefert für die künftigen Herausforderungen, wenn die Weißen ab etwa 2044 nur eine, wenn auch die größte, von vielen Minderheiten sein werden.
Republikaner werden es schwerer haben
Gewinner werden vor allem die Hispanics sein. Im Jahr 1980 betrug ihr Anteil an der Bevölkerung nur sechs Prozent. Heute sind es 17 Prozent, und im Jahr 2060 werden es voraussichtlich 29 Prozent sein. Auch der Anteil der Asiaten wächst kräftig, von zwei Prozent 1980 auf heute acht und im Jahr 2060 rund 15 Prozent. Damit werden sie die Schwarzen überholen, deren Anteil bei zwölf bis 13 Prozent stagnieren wird. Politisch kommt die Transformation Amerikas den Demokraten zugute.
"Die republikanische Partei hat kurzfristig gesehen ein ernsthaftes Problem, sie müsste sich mehr öffnen und eine Willkommenskultur entwickeln, besonders gegenüber den Hispanics", meint Bowman. Schließlich werde die weiße Bevölkerung, das Wählerreservoir der Republikaner, in jedem vierjährigen Wahlzyklus um weitere anderthalb Prozent schrumpfen.
Ruy Teixeira vom Centre of American Progress sagt, die Republikaner müssten schon bei den Präsidentenwahlen in zwei Jahren mehr als 64 Prozent der weißen Stimmen holen, um ihre geringe Popularität bei Minderheiten auszugleichen. Allerdings weist Bowman darauf hin, dass die Republikaner eine starke "Nachwuchsbank" von Latino-Politikern hätten und etwa jetzt schon über Politiker wie [Links nur für registrierte Nutzer] und Marco Rubio verfügten, die "eine einzigartige Art haben, Latino-Wähler anzusprechen".
Dazu kommt auch, dass nicht jeder aus der wachsenden Minderheitenbevölkerung einen Pass hat und wählen darf. Und selbst wenn es sich um US-Bürger handelt, gehen sie nicht mit derselben Verlässlichkeit an die Wahlurnen wie weiße Amerikaner. Die Weißen werden also noch Jahre politisch mehr Einfluss auf die Waage bringen, als es ihrem schrumpfenden Anteil an der Bevölkerung entspricht.
Zwischen Anpassung und Wandel
Doch was bedeuten die Veränderungen für Amerika als Nation? Wird der Schmelztiegel weiter funktionieren, wenn es keine Leitkultur mehr gibt? Über Jahrhunderte mussten Neuankömmlinge sich in eine weiße, protestantisch geprägte Mehrheitskultur integrieren, wenn sie zu echten Amerikanern werden wollten. Das hieß nicht, dass Katholiken, Juden, Hindus oder Muslime ihre Religion am Einwanderungsschalter abzugeben hatten. Aber Werte und Kultur dieser jungen Nation waren stark von dieser Kultur geprägt, von ihren Moralvorstellungen genauso wie von ihrer Arbeitsethik.
"Als ich aufwuchs, hatte ich das Gefühl, ich müsste aussehen wie die Weißen, mich anziehen wie die Weißen und reden wie die Weißen, um von anderen als auf derselben Stufe stehend gesehen zu werden", berichtet etwa die schwarze B-CC-Schülerin Sisan Dorsu. Ein Mitschüler, der ebenfalls afroamerikanische Ari Bryson, stimmt ihr zu. "Manchmal hatte ich das Gefühl, zwei Leben zu führen." Was die Schüler in ihrem Video beschreiben, ist ein Gefühl der Fremdheit in einer von Weißen dominierten Umgebung.
Wenn man das einzige schwarze Mädchen oder der einzige Latino-Junge in einer der Leistungsklassen ist, dann kommt man sich wie ein Außenseiter vor. In Zukunft wird es diesen Anpassungsdruck an eine weiße Mehrheitskultur jedoch immer seltener geben. "In vergangenen Einwanderungswellen gab es diesen Druck, Minderheitenkulturen zu marginalisieren", sagt Ruy Teixeira. "Das wird in Zukunft so nicht mehr der Fall sein."
Demnach dürfte sich der Anpassungsdruck in Schulen wie dem B-CC demografisch von selbst erledigen. Wird der Verlust einer prägenden weißen Leitkultur aber auch dazu führen, dass Amerika nicht mehr eine geeinte Nation sein wird, wie es der alte Leitspruch "E pluribus unum" (Aus vielen eines) suggeriert, sondern nur ein Sammelsurium verschiedener ethnischer Erzählungen? Laut Bowman ist das keineswegs ausgemacht. Es sei etwa offen, ob die Hispanics sich in der zweiten oder dritten Generation weiter als Latinos identifizieren werden oder eher als Amerikaner. "Wir machen einen Fehler, wenn wir annehmen, dass die Latino-Bevölkerung ein monolithischer Block sein wird. Es ist wichtig, zu sehen, dass gemischte Ehen in diesem Land einen signifikanten Trend darstellen."
Auch Teixeira glaubt nicht, dass das Zusammengehörigkeitsgefühl der Amerikaner leiden wird. "Es gibt eine Basis für einen neuen amerikanischen Patriotismus", sagt er. "Er wird kulturell weniger eng gefasst, offener und toleranter sein. Aber es wird weiterhin einen starken Patriotismus geben." Um den Zusammenhalt der amerikanischen Nation muss einem demnach nicht bange sein.
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