Total vergeigt, diese Fehleinschätzung meinerseits garnierte ich noch mit folgendem Nachschlag: "Da brauche ich gar nicht weiter zu hören". Die Rede ist von dieser Aufführung:
Unter dem Video schreibt einer in englischer Sprache: "Ich werde jetzt ehrlich sein, das ist die erste Sinfonie, die ich mir jemals ganz anhörte."
Ehrlichkeit ist so unendlich wichtig, nichts kann sie ersetzen. Ich bin auch ehrlich: Ich habe die Fünfte von Beethoven sicher schon hundert Mal komplett gehört. Bisher bin ich in meiner Halbbildung aber davon ausgegangen, man müsste den Einstieg, die drei Achtel in Fortissimo, schnell spielen. So wie es Herbert von Karajan interpretieren ließ, was Merkelraute als schlechteren Vergleich zu der Aufführung unter Barenboims Leitung einstellte. So, wie es auch Emmanuel Krivine spielen lässt, dessen Einspielung der fünften Sinfonie ich kurz vor der Auseinandersetzung mit Merkelraute noch genossen hatte. Mittlerweile fand ich raus: Ludwig van Beethoven gab für den Einstieg in seiner Partitur ein langsames Tempo vor. Erst später seien Dirigenten hingegangen, um den Anfang der "Schicksalssinfonie" schneller spielen zu lassen, was dann Allgemein auf mehr Gefälligkeit beim Publikum gestoßen sei. Einer davon war wohl auch Herbert von Karajan.
In dieser Sinfonie von Beethoven, soll es um Leid und Erlösung gehen, deswegen hört es sich für meine Ohren auch so an, als würde am Anfang ein Geknechteter an seinen Gefängnisketten rütteln. Deswegen sagte mir der schnelle Einstieg vom Klang her mehr zu, dieses entschlossene, mächtige Aufbegehren gleich zu Beginn. Beethoven wird sich indessen bei seiner Tempovorgabe was gedacht haben, was genau, darüber können wir nur rätseln. Harry Goldschmidt, versuchte die vielen verschiedenen Deutungen zusammenzufassen:
„Dem ‚Schicksal‘ kommt […] ebenso säkulare wie konkrete, durchaus repressive Bedeutung zu. Auf keinen Fall verträgt es sich mit einer ungeschichtlichen, ins Persönliche verengten Interpretation. Dasselbe muss von der Auflehnung gesagt werden. Niemals wäre die Handschrift sonst so überpersönlich, musikalische Sprache der Massen im Idealgebrauch des Wortes geworden. Es war zugleich die eminent moderne Sprache, mit allen geschichtlichen Erfahrungen aus der Neuzeit. Als die ‚Emanzipation aus selbstverschuldeter Unmündigkeit‘ hatte Kant, Beethovens philosophische Autorität, die bürgerliche Aufklärung definiert. Schicksal wurde nicht mehr passiv hingenommen, es war weder unentrinnbar noch unbezwingbar geworden. Dafür spricht der innere Gang der Satzfolge. Unentrinnbar erscheint das Schicksal nur im ersten Satz.“
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