Hier im Forum wird in US-kritischen Beiträgen oft der Begriff "Cowboy" oder "Kuhjunge" benutzt, um die USA zu umschreiben.
Woher stammt dieser Begriff eigentlich? Ursprünglich aus dem Spanischen, wo "Vaquero" nichts anderes bedeutete als "Kuhhirte zu Pferd" und irgendwann 1:1 ins Englische übernommen wurde. Dieser Begriff entstand zur Zeit des "Open Range" als, vor der Eisenbahn, riesige Viehtrecks über die Great Plains nach Norden getrieben wurden und entlang der Routen Ortschaften wie Dodge City entstanden, wo die Viehhirten Halt machten und - später - ihre Rinder auf die Eisenbahn verluden. In Texas (dort nannte man sie "Cowpocker") beispielsweise gab es diesen Begriff ebenso wenig wie in Kalifornien.
Er wurde erst populär und einer breiteren Öffentlichkeit bis nach Europa bekannt, als Wyatt Earp und seine aus seinen Brüdern Virgil und Morgan sowie dem Spieler, Revolverheld und Zahnarzt John "Doc" Holliday bestehende "Posse" gegen die Outlaw Banden der Clantons und McLurys, die als "The Cowboys" im Arizona Territorium ihr Unwesen trieben über Wochen und Monate vorging.
Wer waren diese "Cowboys"? Sie waren lokale Rancher und Siedler, die sich mit Überfällen jenseits der Grenze zu Mexiko ein Zubrot verdienten. Aber auch durchaus Geldkutschen von "Wells Fargo" und auch später Züge überfielen. Sie waren regional streng verwurzelt und hatten einigen Rückhalt in der regionalen Politik. Sie brachten Geld in die Kassen von Kommunen wie Tombstone und waren die besten Kunden in Bordellen und Saloons der Gegend. Sie waren bekannt wie bunte Hunde und hatten ein entsprechendes Auftreten. Aber ihr Wirken hatte auch einen etwas tiefgreifenderen Hintergrund:
"...Many of the ranchers and Cowboys who lived in the countryside were resentful of the growing power of the industrialists from the Northern states, who increasingly influenced local politics and law in the county..."
(Übersetzung: Viele der Rancher und Cowboys, die ländlich lebten, lehnten die wachsende Macht der Industriellen in den Nordstaaten, die im Kreis (gemeint Pima und Cochise County, AZ) zunehmend auf die Lokalpolitik und das Gesetz Einfluss ausübten, ab.)
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Sie lebten das Leben von Vagabunden und verbrachten die überwiegende Zeit ihres (meist sehr kurzen - die wenigsten Cowboys erreichten 40 Lebensjahre) Lebens im Sattel. Sie waren raue Gesellen, die ganze Landstriche kontrollierten. Sie raubten, mordeten und unterdrückten. Teilweise sogar mit Hilfe des lokalen Sheriffs wie Jonny Behan in Arizona. Sie gaben sobald sie Geld hatten, ihr Geld auch wieder mit vollen Händen aus und machten sich so Freunde in der lokalen Wirtschaft. Ihnen widersprach niemand. So weit deckt sich das Klischee mit den historischen Wahrheiten.
Aber:
Der Konflikt zwischen den organisierten "Cowboys" und den "Eliten" des Nordens war wesentlich tiefer als uns das Hollywood Klischee von Gut und Böse gerne verkaufen möchte. Die meisten der "Cowboys" sympathisierten mit der Sache der Konföderierten. Die älteren hatten den hellgrauen Waffenrock in Texas getragen. Sie bezeichneten die Geschäftsleute und die Gesetzeshüter (die überwiegend aus dem Norden stammten) als "Carpetbaggers". Eine alte Bezeichnung für Nordstaatler, die in den unterlegenen Süden kamen, um dort Geschäfte zu machen. Sie hatten bei Ankuft Stoff-Reisetaschen dabei, die aus einem teppichähnlichen Stoff gefertigt waren. Carpet für Teppich. Baggers für Taschen tragende. Teppichtaschenträger. Da nach der Niederlage des Südens viele Positionen frei wurden, besetzte Washington die vakanten Stellen mit Glücksrittern und Nichtskönnern. Das rief lokal natürlich Opposition aufs Tapet.
Plötzlich stand der traditionelle, südstaatliche "small government" Agrarismus gegen den nordstaatlichen Kapitalismus in scharfem Gegensatz. Die "Cowboys" bekämpften diese "Neue Ordnung", die aus dem fernen Washington über ihr Land hereinbrach. Und sie scheiterten schließlich an den Earps, die für diese neue Ordnung zu Felde zogen. Die Earps, der Vater war Richter und reicher Farmer des östlichen Mittelwestens, waren in dieser republikanischen Ordnung zu Ansehen und Macht gekommen und überrollten Ike, Frank, Tom und Billy Clanton, Pony Diehl, Tom und Frank McLaury, Curly Bill Brocius und andere.
Hier zeigte das imperiale Amerika erstmals seit den salbungsvollen Worten zum Ende der Sezession 1866 sein wahres Gesicht gegenüber seinen eigenen Bürgern. Anstatt sie in Frieden leben zu lassen siegten Kommerz und Macht.
Darum habe ich so ein Problem mit dem Gebrauch des Wortes "Cowboy" im Zusammenhang mit den Politikern der Ostküste. Irgendwie spuckt man jedes Mal Leuten wie ihm dabei nochmal aufs Grab:
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