1939 Sept. 03 — Kriegseintritt Großbritanniens und Frankreichs
Vorgeschichte
Hitler unternahm seinen Sept. 01 beginnenden Angriff auf Polen im
Glauben, Großbritannien und Frankreich würden nicht wagen, Polen
mit Waffengewalt zu Hilfe zu kommen. Doch teilten die beiden Mächte
schon am Abend desselben Tages in Berlin mit, wenn Hitler nicht
bereit sei „jegliche Angriffshandlung gegen Polen einzustellen“ und
seine Truppen „unverzüglich aus polnischem Gebiet zurückzuziehen“,
würden Großbritannien und Frankreich ihre Beistandsverpflichtungen
gegenüber Polen erfüllen. Mussolini, den der britische Botschafter
in Rom, Sir Percy Lorraine seit Aug. 20 für eine Vermittlung interes-
sieren wollte, schlug Sept. 01 Paris und London die Einberufung einer
Viererkonferenz für Sept. 05 vor, um „die Klauseln des Versailler
Vertrages zu prüfen, die der Grund der augenblicklichen Schwierig-
keiten sind". Während die britische Regierung skeptisch war, gab
es innerhalb der französischen Regierung scharfe Diskussionen über
den Vorschlag, für dessen Annahme besonders Außenminister Bonnet
eintrat, wenn auch Polen zur Konferenz eingeladen und dort über die
Grundlagen eines dauerhaften Friedens gesprochen würde. Polen teilte
auf eine französische Anfrage mit, für Gespräche sei keine Zeit mehr,
sondern nur noch für gemeinsames Handeln zur Abwehr des unprovo-
zierten Angriffs. Mussolini machte trotzdem Sept. 02 Hitler den
Vorschlag einer Konferenz in 2-3 Tagen. Einstweilen sollte Waffen-
stillstand geschlossen werden und die Armeen dort halt machen, wo
sie gerade seien. Hitler lehnte nicht sofort ab, sondern verlangte eine
24-stündige Vorberoitungsfrist, offenbar im Glauben, Großbritannien
und Frankreich suchten den Weg zu einem diplomatischen Kompromiß
und es komme darauf an, möglichst schnell viel polnisches Gebiet
zu besetzen, um Faustpfänder in der Hand zu haben. Die britische
Regierung verlangte aber, Hitler müsse bei Abschluß eines Waffen-
stillstandes seine Trappen aus Polen zurückziehen. Die französische
Regierung schloß sich nach einigem Zögern dieser Forderung an, die
von Hitler abgelehnt wurde. Großbritannien und Frankreich wiesen
ihrerseits einen Waffenstillstand, bei dem die Truppen der beiden
Gegner stehen blieben, wo sie gerade standen, ab. Der britische Bot-
schafter Henderson überreichte daraufhin Sept. 03 um 9 Uhr die ent-
scheidende Note.
Inhalt
In ihr wird zunächst die schon in der Note von Sept. Ol ausgesprochene
Warnung wiederholt. Darauf heißt es:
„Obwohl diese Mitteilung vor mehr als 24 Stunden erfolgte, ist keine
Antwort eingegangen, hingegen wurden die deutschen Angriffe auf
Polen fortgesetzt und verstärkt. Ich habe demgemäß die Ehre, Sie
davon zu unterrichten, daß, falls nicht bis 11 Uhr vormittags britischer
Sommerzeit am heutigen Tage, dem 3. Sept., eine befriedigende
Zusicherung im oben erwähnten Sinne von der deutschen Regierung
erteilt wird und bei Seiner Majestät Regierung in London eintrifft,
der Kriegszustand zwischen den beiden Ländern von dieser Stunde
an bestehen wird."
Hitler ließ Henderson durch Ribbentrop 11.20 Uhr seine ablehnende
Antwort übergeben. Der deutsche Geschäftsträger in London, Th. Kordt,
erhielt 11.15 Uhr eine Note überreicht, in der es hieß, daß wegen Nicht-
eintreffens befriedigender Versicherungen bis 11.00 Uhr von der ge-
nannten Stunde an der Kriegszustand eingetreten sei.
Frankreich ließ Sept. 03 um 12.00 Uhr durch Botschafter Coulondre um
Antwort auf die Note von Sept. 01 ersuchen. Staatssekretär von
Weizsäcker erklärte, zu einer Antwort nicht in der Lage zu sein. Reichs-
außenminister von Ribbentrop erteilte darauf hin Coulondre 12.30 Uhr
einen negativen Bescheid. Der französische Botschafter erklärte ihm
daraufhin gemäß seinen Instruktionen:
Inhalt
„Unter diesen Umständen muß ich Sie im Namen meiner Regierung
ein letztes Mal auf die schwere Verantwortung hinweisen, welche die
Reichsregierung auf sich, genommen hat, indem sie ohne Kriegserklä-
rung die Feindseligkeiten gegen Polen eröffnete und den Noten keine
Beachtung schenkte, in denen die Regierungen Frankreichs und Sr.
Britischen Majestät sie gebeten hatten, jede aggressive Haltung gegen-
über Polen einzustellen und sich bereit zu erklären, ihre Streitkräfte
unverzüglich aus dem polnischen Gebiet zurückzuziehen. Ich habe
den unangenehmen Auftrag, Sie davon in Kenntnis zu setzen, daß
ab heute, dem 3. Sept., 17.00 Uhr, die französische Regierung sich ge-
nötigt sehen wird, ihre der deutschen Regierung bekannten vertrag-
lichen Verpflichtungen gegenüber Polen zu erfüllen."