Valdai-Konferenz. Das neueste Evangelium für Putin-Knechte
Ich möchte hier einige Passagen aus Putins Rede auf der Valdai-Konferenz, einer seit 2004 stattfindenden jährlichen russischen Selbstdarstellungsplattform, deren fester Bestandteil eine Rede des Präsidenten ist, diesmal in Sotchi abgehalten, zitieren und kommentieren.
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<...Vielleicht ist die Einzigartigkeit der Vereinigten Staaten, die Art, auf die sie ihre Führungsrolle ausüben, etwas für alle wirklich Gutes, und ihre allgegenwärtige Einmischung in alle Angelegenheiten dieser Welt bringt in Wirklichkeit Ruhe, Wohlergehen, Fortschritt, Gedeihen und Demokratie – und wir sollten uns einfach entspannen und es genießen?
Ich erlaube mir zu sagen, dass es sich nicht so verhält. Es ist ganz und gar nicht so.>
Die USA sind nicht 'God's own country', for sure. Außer für solche religiös abgehobene Ultranationalisten wie Putin einer für sein Land ist. Wer sich einlesen möchte in die faschistische Ideologie von Alexander Dugins 'Euroasianism' wird im Internet fündig. Das ist Putins Nährwerk und übersteigert Dummheiten wie dieses alte 'God's own country' um ein vielfaches, ist auch viel gefährlicher.
<Das einseitige Diktat und das Aufzwingen der eigenen Schemata führt zu einem ganz gegenteiligen Resultat: anstelle einer Beilegung von Konflikten deren Eskalation; anstelle von souveränen, stabilen Staaten einen wachsenden Bereich des Chaos; anstelle von Demokratie die Unterstützung von höchst zweifelhaften Strömungen – von offenkundigen Neonazis bis hin zu islamistischen Radikalen.>
Wer würde wagen Putin etwas 'einseitig aufzudiktieren'? Ich glaube nicht, daß er sich beschweren könnte. Und wäre es nicht so KGB-krankhaft leidend unter Verfolgungswahn, würde ihm auch bewußt werden, daß man seine blaße Visage allzu oft überallhin einlädt und sprechen läßt. Einen Klassenaußenseiter würde man anders behandeln. Die Rolle trifft es nicht. Die des Klassen-Bully schon eher.
<Wir sehen jetzt wieder Versuche, die Welt zu zerschlagen, Trennlinien zu ziehen, Koalitionen nicht für, sondern gegen beliebige Parteien zu bilden, und abermals ein Feindbild zu schaffen wie in Zeiten des “Kalten Krieges”. und damit das Recht auf die Führungsrolle, oder wenn Sie so wollen, das Diktat zu erlangen. Wir verstehen und wissen ja bereits, wie die Lage im Zeitalter des “Kalten Krieges” interpretiert wurde. Den Verbündeten der Vereinigten Staaten wurde immer gesagt: “Wir haben einen gemeinsamen Feind, er ist schrecklich, es ist das Zentrum des Bösen; wir werden euch, unsere Verbündeten, vor ihm schützen, folglich haben wir das Recht, euch zu befehlen, eure politischen und wirtschaftlichen Interessen zu opfern, Ausgaben für die kollektive Verteidigung zu machen, aber befehligen werden diese Verteidigung natürlich wir”.>
Wieviel Neid zwischen diesen Sätzen herausquillt! Putin möchte auch gerne so mächtig und gesucht sein, führen und wenn schon nicht das Zentrum des Bösen, dann doch bitte das Zentrum von Irgendwas sein, zu dem ein paar dankbare Satellitenstaaten entrückt aufschauen. Wie schafft man das? Man bastelt sich eine Eurasische Union. 'Die Welt zerschlagen' tut man zur Zeit vor allem in der Ukraine, und es sind keine Amerikaner, die dort das Porzellan ihrer politischen Glaubwürdigkeit zerschlagen. Und eine Führungsrolle unter den Demokratischen Mächten ist nicht dasselbe wie ein Diktat. Aber das begreift ein russischer Autokrat natürlich nicht. Weil er nie Demokrat war oder sein wird. Und diese Schilderung der Folgen eines 'Diktates' sind natürlich karnevaleske Übertreibungen. Würden die USA so mit uns umgehen, hätten wir uns ja Grund dem 'Friedensfürsten' Putin um den Hals zu werfen! Gott bewahre!
<Sicherlich stören uns die Sanktionen, mit diesen Sanktionen möchte man uns schädigen, unsere Entwicklung hemmen, uns in eine politische, wirtschaftliche und kulturelle Isolation drängen – anders gesagt in die Rückständigkeit. Doch ich möchte unterstreichen – das habe ich bereits gesagt und wiederhole es -, dass die Welt sich von Grund auf geändert hat. Wir haben es nicht vor, uns vor der Welt zu verschließen und uns für irgendeinen geschlossenen Entwicklungsweg, einen Weg der Autarkie zu entscheiden; wir sind immer dialogbereit, darunter auch in Fragen der Normalisierung der Wirtschaftsbeziehungen, und ebenso auch der politischen Beziehungen. Wir rechnen hier mit einer pragmatischen Herangehensweise und pragmatischen Standpunkten der Businesskreise der führenden Länder der Welt.>
Das ist ja beruhigend, daß diese Sanktiönchen schon spürbar sind. Aber warte erst mal, Vladimir Vladimirowitsch, bis die Krake Gazprom komplett vom Westmarkt ausgegrenzt wird. Das wird wirklich wehtun. Hätte es schon längst. Was unser blasser Imperialist auch nie verstehen wird: diese Sanktionen sind unvergleichlich moralischer als seine Art zu handeln, also zu destablisieren und 'Urlaubersoldaten' in Nachbarländer einmarschieren zu lassen. Es muß nämlich nicht ein Mensch deshalb sterben. - Ansonsten bricht in diesem Abschnitt wieder sein Verfolgungswahn hervor, als begriffe er nicht, daß es sich nur um Reaktionen auf seine Aggressionen auf die Ukraine handelt. In einer KGB-Denke sind das natürlich planmäßig von langer Hand vorbereitete Versuche sein Land in der Entwicklung zurückzuwerfen. Als hätte man nicht seit dem Ende der Sowjetunion in einem fort Versuche unternommen, die demokratische Entwicklung in diesem Land über wirtschaftliche Kooperationen zu unterstützen - umsonst, wie jetzt scheint. Die abstoßende Fratze des Totalitarismus, der wahre Rückfall in Rückständigkeit, ist zurück, und sie ist blaß und lächelt so gut wie nie.
<Die nächste offensichtliche Bedrohung ist eine Ausweitung von Konflikten auf ethnischer, religiöser und sozialer Grundlage. Solche Konflikte sind nicht nur an sich gefährlich, sondern sie bilden um sich herum Zonen von Anarchie, Gesetzlosigkeit und Chaos, wo sich sowohl Terroristen, als auch herkömmliche Verbrecher wie zu Hause fühlen, wo die Piraterie, der Menschenhandel und das Drogengeschäft blühen.>
Putin kann das den Ukrainern sagen und wird entweder Gelächter oder einen Schlag in die überhebliche Fresse erhalten. Dort erlebt die Welt die Segnungen russischer 'Zonen von Anarchie, Gesetzlosigkeit und Chaos'.
<Übrigens haben unsere Kollegen seinerzeit versucht, diese Prozesse irgendwie zu steuern, sich regionale Konflikte zunutze zu machen, “farbige Revolutionen” in ihrem Interesse zu konstruieren, aber der Geist entwich der Flasche. Was man nun mit ihm macht, verstehen, so scheint es, die Autoren der Theorie des gelenkten Chaos selbst nicht. In ihren Reihen herrschen Zwiespalt und Uneinigkeit.>
Putin steht wie der Ochse vom Berg und meint dennoch den Westen für jede beliebige Revolution, sei sie nur farbig, verantwortlich machen zu können. Was er verkennt, daß gewisse Ideale und Ideen sich selbständig verbreiten und Begehrlichkeiten zünden, ohne daß man dazu russische Kanonen oder CIA-Agenten bräuchte. Was für die Attraktivität dieser Ideen spricht. Vielleicht wird Putin sich davon auch mal überzeugen lassen können, wenn es auf seinem Roten Platz brodeln wird? Abwarten und Kwaß trinken.
<Wir beobachten die Diskussionen sowohl bei den herrschenden Eliten, als auch in Fachkreisen genauestens. Es genügt, sich die Überschriften in der westlichen Presse im Verlauf des vergangenen Jahrs anzusehen: ein und dieselben Leute werden einmal Kämpfer für Demokratie, und später Islamisten genannt, erst schreibt man von Revolutionen, dann von Pogromen und Umstürzen. Das Ergebnis liegt auf der Hand: es ist die Ausweitung des globalen Chaos.>
Putin versteht nicht was freier Journalismus und viele Köpfe an Wandelbarkeit aufführen können. Bezeichnend, gibt es doch in seinem Land nur Verdummung durch gelenkte Staatsmedien - und die Gazprom-Medien sind natürlich dazuzählen. Der westliche Journalismus kann faszinierende Facetten haben, wenn man ihn nicht von oben gängelt - was es auch gibt - aber Regionen und ihre Bewohner ins Unglück stürzen, das kann nur ein russischer Präsident von Putins Sorte. Besonders wenn sich ihm nichts entgegenstellt, oder zu spät.
[folgt Teil 2]