Kernkraft: Neuer Anlauf für eine alte Idee
In Kürze startet in China ein Kernkraftwerk der vierten Generation, bei dem keine Kernschmelze möglich sein soll. Fachleute warnen aber vor anderen Gefahren.
von Katja Maria Engel
Auf halber Strecke zwischen Peking und Schanghai in Sichtweite vom Gelben Meer steht ein neuer Typ Kernreaktor kurz vor der Inbetriebnahme. Er zählt zu den Kernkraftwerken der Zukunft, der vierten Generation, in denen eine Kernschmelze buchstäblich ausgeschlossen sein soll. Sein Konzept stützt sich auf das des Hochtemperatur-Kugelhaufenreaktors, der mit dem Ziel entwickelt wurde, zu 100 Prozent sicher zu sein.
Doch nicht alle Fachleute stimmen dieser Einschätzung zu. Die wesentlichen technischen Schwierigkeiten für die Sicherheit eines HTR seien bis heute ungelöst, so Christoph Pistner vom Ökoinstitut Darmstadt. Für ihn ist die inhärente Sicherheit gegen die Möglichkeit einer Kernschmelze nur die Hälfte der Wahrheit. »Denn es gibt andere Störfälle, die für diesen Reaktortyp problematischer sind als ein Wasser- oder Lufteinbruch oder ein Graphitbrand«, so der Nuklearexperte.
Das chinesische Kernkraftwerk in Shandong an der Shidao Bay soll Ende 2018 den Betrieb aufnehmen; damit wäre es der weltweit erste Kugelhaufenreaktor, der tatsächlich ans Netz geht. Die chinesischen Ingenieure haben den Reaktor komplett in nationaler Eigenregie entwickelt und gebaut, wie sie es im Fachmagazin »Engineering« betonen. Bei diesem Reaktortyp ist der Uranbrennstoff in tennisballgroßen Graphitkugeln eingeschlossen. Heliumgas umströmt die Brennkugeln und erhitzt sich durch die Energie des radioaktiven Zerfalls.
Unschmelzbarer Reaktorkern
Ein Hochtemperaturreaktor (HTR) arbeitet bei wesentlich höheren Temperaturen als ein standardmäßiger Leichtwasserreaktor. Das gasförmige Kühlmittel Helium ermöglicht Temperaturen bis zu 1000 Grad Celsius, im Gegensatz zu Wasserdampf in klassischen Reaktoren mit maximal 350 Grad.
[Links nur für registrierte Nutzer]. Dabei ist der Reaktorkern so ausgelegt, dass die Kugeln auch bei einem Unfall nicht heißer als 1600 Grad Celsius werden können – das liegt unterhalb jener Temperatur, bei der sie Radionuklide abgeben.