Zitat von
-jmw-
Du gehst von einer "willkürlichen" Definition von "Rasse" aus, nämlich der über die Genetik. Ich könnte "Rasse" aber genauso über Aussehen oder sonstwas definieren. Bspw. auch so, dass mein Bruder und ich einer "Rasse" der "über 1,9 m-Leute" angehören und meine Eltern einer anderen.
Das ich das nicht tue, liegt daran, dass...
... Jeder Forschung ein bestimmtes Erkenntnisinteresse zugrundeliegt, jeder Klassifizierung ein bestimmtes Ordnungsinteresse, jeder Definition ein Interesse an brauchbaren Arbeitsbegriffen.
Dies ist letztlich immer "willkürlich", weil man's irgendwie auch anders machen könnt.
Klassifizierung bedeutet nicht, nach objektiv notwendigen Kriterien zu unterscheiden, sondern nach denen, die man grad für relevant hält, aus welchem Grunde auch immer. Wissenschaftlich wird es dann, wenn das Aussuchen der Merkmale systematisch, regelgeleitet usw. abläuft, intersubjektv überprüfbar ist etc. pp. Dabei kann durchaus auch holistisch vorgegangen werden in dem Sinne, als dass eine Summe von Einzelmerkmalen in der Gesamtbestrachtung ausschlaggebend ist, die einzeln keine Bedeutung haben. Bleiben wir beim Beispiel von weiter oben: Schaut sich der Evolutionsbiologie Bären an, spielen Farbe und Grösse eine Rolle. Schaue er sich Bären und Wale an, dann nicht mehr, denn weder Grösse noch Farbe "vergemeinschaften" Bären und Wale.
Oder nehmen wir die Affen! Ist die Grenzziehung zwischen Mensch und Schimpanse unsinnig, weil wir genetisch nach beieinander liegen? Und wo ziehen wir die Grenze? Wie viel Prozent waren es noch bei Fruchtfliegen? 70? Bei Kartoffeln? 50? Und doch bin ich aus Sicht der Wissenschaft keine Kartoffel (türkische Wissenschaftler jetzt mal ausgenommen).
Wir können noch weiter gehen und in der Spezies bleiben: Männer und Frauen sind genetisch - so jedenfalls die Zahl, die mir grad in einem Artikel entgegenfliegt - zu 99.998 Prozent identisch. Heisst das, "Geschlecht" (im Sinne von "sex", nicht i.S.v. "gender") ist eine unwissenschaftliche Kategorie?
Wenn wir nun aber sagen, die zwei Prozent, die uns vom Schimpansen trennen, oder die 0,002 Prozent, die Mann und Frau trennen, seien ausreichend zur Unterscheidung, seien also "100 Prozent" unterscheidungsausreichend, dann werden aus den 0,x Prozent, die, meinetwegen, Australier und Indianer trennen, auf einmal 90,y oder 80,y oder 70y Prozent Unterschied, denn nur der Anteil an den unterscheidungsrelevanten Unterschieden zählt ja.
Woran liegt das? Daran, dass Gen nicht gleich Gen ist. Gene sind hierarchisch geordnet. So manches Gen steuert nur einen basalen biochemischen Prozess, der prinzipiell für beinahe alle Erdwesen gleich ist, ein anderes wiederum hat erheblich umfangreichere Aufgaben und seine Änderung (z.B. Mutation) ist entsprechend wichtig. (Überhaupt sind wir alle "Mutanten", denn niemand von uns hat keine genetische Abweichung. Wieso wird dieser "willkürliche" Begriff dennoch verwendet?)
Diese Gene interessieren uns, und ihre Zusammenarbeit, und zwar nicht quantitativ, sondern qualitativ in Hinblick auf die Ergebnisse des vorher(!) hypothetisierten Konstrukts "Rasse", welches wiederum auf einem intuitiven Alltagsverständnis des Begriffes aufbaut.