Des Glaubens liebstes Kind
von Wolfgang Ockenfels
24. Dezember 2013
Goethe hat doch recht behalten. Trotz moderner Entzauberung der Natur zur Inthronisierung von Naturwissenschaft und Technik. Trotz Entmythologisierung der Religion, damit das Licht der Aufklärung endlich auch die Offenbarung überblende: „Das Wunder ist des Glaubens liebstes Kind.“ Das liebste Kind des Glaubens ist immer noch das Jesuskind, nicht ein seniler Weihnachtsmann. Mit diesem göttlichen Kind verbinden wir die Hoffnung auf eine glückliche Zukunft, auf ein gelungenes Leben der Liebe, der Gerechtigkeit und des Friedens.
Wer das mit der Verheißung einer politisch-ökonomischen Utopie verwechselt, ist im Lauf der Geschichte oft genug enttäuscht worden – und landet schließlich beim Weihnachtsmann. An den glauben heute vorzugsweise jene, die aus Weihnachten eine Marktveranstaltung und aus den Geschenken einen Tauschhandel machen. Das kapitalistische Kalkül: Ich schenke, damit ich vielleicht noch mehr geschenkt bekomme, geht freilich nicht auf. Jedenfalls nicht auf Dauer – und vor allem nicht angesichts der unverdienten Gnade, von der die Weihnachtsbotschaft spricht. Denn es gibt Geschenke – wie das eigene Leben und vor allem den Lebenssinn, die wir nicht unserer eigenen Leistung zu verdanken haben.