Zitat von
Mark Mallokent
Mir scheint daß viele Beiträge dazu neigen, Kausalität und Schuld zu verwechseln. Wenn jemand durch sein Handeln einen Krieg herbeiführt, dann heißt das nicht notwendigerweise, daß er schuldhaft handelt. Er kann ja Gründe haben, die sein Handeln rechtfertigen. Solche Gründe gibt es meines Erachtens zwei. Erstens: ein Staat verteidigt sich gegen einen Angriff, zweitens: er handelt, weil er vertraglich dazu verpflichtet ist. Dabei setzte ich bei Punkt zwei voraus, daß der betreffende Vertrag defensiver, nicht offensiver Art ist.
Schematisch: Staat A und B kommen überein, daß für den Fall, einer von ihnen wird von einem dritten Staat C angegriffen, der jeweils Nichtangegriffene verpflichtet ist, dem Angegriffenen zu Hilfe zu kommen.
Ich will versuchen, von diesem Schema ausgehend, die Kriegsschuld der einzelnen Teilnehmer zu bestimmen.
1. Österreich-Ungarn erklärt Serbien den Krieg. Weder Punkt 1 noch 2 greifen. Ergo schuldig.
2. Rußland macht mobil, sicher gegen Österreich-Ungarn evt. auch gegen Deutschland. Wie mit Recht bemerkt wurde, gab es kein russisch-serbisches Bündnis. Insofern spricht das für schuldig. Aber, Mobilmachung ist noch keine Kriegserklärung.
3. Deutschland unterstützt und bestärkt Österreich in seinem Vorgehen gegen Serbien (sogenannter "Blankoscheck"). Auch erklärt Deutschland Rußland und Frankreich den Krieg. Daß der Frieden von Deutschland gebrochen wurde, ist somit sicher. Es fragt sich, ob es Rechtfertigungsgründe gibt. Hier pflegt man auf das Bündnis mit Österreich zu verweisen. Aber, das galt ausdrücklich nur für den Fall, daß Österreich unprovoziert angegriffen wurde, und das war nicht der Fall. Punkt 1 greift auch nicht, da ein Angriff Rußlands noch gar nicht vorlag und - wenn er folgen sollte - wahrscheinlich - gegen Österreich gerichtet war. Insofern hätte sich die deutsche Mobilmachung rechtfertigen lassen, nicht aber die Kriegserklärungen.
Frankreich: Frankreich war durch ein Defensivbündnis mit Rußland verbündet. Im Falle eines deutschen Angriffs auf Rußland wäre es also zum Eingreifen verpflichtet gewesen. Dazu ist es aber gar nicht mehr gekommen, da ja umgekehrt Deutschland Frankreich den Krieg erklärt hat. Insofern greift hier für Frankreich Punkt 1. Aber - das ist unbestritten - Frankreich hatte zuvor seinerseit Rußland Unterstützung für den Fall zugesichert, daß Österreich Serbien angreifen würde. Damit ist auch Frankreich über seine Bündnisverpflichtung hinausgegangen.
Es bleibt England. Es hat Deutschland den Krieg erklärt, als Belgien - von Deutschland angegriffen - es um Hilfe bat und zu dieser Hilfeleistung war England als Garantiemacht der belgischen Neutralität verpflichtet. Als einzige beteiligte Großmacht ist England in Erfüllung einer vertraglichen Verpflichtung in den Krieg eingetreten, weshalb es als einzige beteiligte Großmacht auch schuldlos ist.
Ansonsten verteilen sich nach meinem Schema die Schuldanteile folgendermaßen: An der Spitze Österreich, gefolgt von Deutschland, Rußland und Frankreich.